Die Bad Religion Story. Jim Ruland

Die Bad Religion Story - Jim Ruland


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und ich stieg aus. Das war echt saublöd. Statt ihnen zu sagen, dass ich nicht glücklich darüber war, stürmte ich wutentbrannt davon. Das war schon sehr kindisch. Das gehört auch zu den Dingen in meinem Leben, die ich bereue. Gleich aus mehreren Gründen. Man verschwindet nicht einfach von der Bildfläche, so reagiert man nicht auf eine Kränkung. Außerdem wünschte ich, länger bei Bad Religion gespielt zu haben – wenn nicht sogar bis heute.“

      Bad Religion standen nun ohne Schlagzeuger da. Das brachte die Band schwer in die Bredouille. Sie befanden sich nicht nur inmitten der Aufnahmen eines Albums, sondern waren auch für mehrere Konzerte gebucht, mit denen sie genug Geld zusammenbekommen wollten, um die Platte fertigzustellen. Also wurde dringend ein Drummer gesucht.

      Greg rekrutierte daraufhin ihren Freund aus dem Valley, Pete Finestone, ihren Roadie, der Ziskrout auch als Schlagzeugtechniker unterstützte – obwohl diese Titel vielleicht ein wenig dick auftrugen. „Seit jeher verfolgen Punks die gleiche Taktik“, erklärt Jay. „Wenn man früh genug bei einem Club aufkreuzt und einen Gitarrenkoffer oder ein Kabel hineinträgt, kommt man umsonst rein.“ Das reichte auch schon aus, um in der Punk-Szene von L.A. 1981 als „Roadie“ durchzugehen. In Jays Augen war Pete aber nicht nur ein Typ, auf den man sich verlassen konnte, dass er einen Gitarrenkoffer unbeschadet in einen Club schleppte. Er war auch ein Freund. Pete einzuladen, sich Bad Religion anzuschließen, lag somit auf der Hand.

      „Pete war immer mit dabei und wir waren alle gut mit ihm befreundet. Niemand wäre auf die Idee gekommen, einen anderen Weg zu beschreiten“, meinte Jay. „Pete ist unser Mann. Er hat ein Schlagzeug und kennt alle unsere Songs. Nehmen wir gleich den!“

      Pete kannte vielleicht alle Songs, aber er wusste nicht, wie man sie spielte. Auch besaß er kein vollständiges Schlagzeug und hatte nie irgendwelchen Unterricht gehabt. Aber er wusste, wie man das Schlagzeug auf- und abbaute. Das war ungefähr so, als würde man den Tontechniker als Sänger engagieren, weil er wusste, wie man das Mikrofon aufstellt. Doch man muss Pete zugutehalten, dass er bereit war, alles zu lernen, was von ihm verlangt wurde – und das war das Allerwichtigste.

      Pete stammte aus dem San Fernando Valley und seine Eltern arbeiteten beide an der California State University in Northridge. Seine Eltern kannten Gregs Eltern aus den akademischen Zirkeln, in denen sie verkehrten, noch lange, bevor sich ihre Söhne über den Weg liefen. Pete hatte einen leichten Sprachfehler und fühlte sich von den anderen Jugendlichen ausgegrenzt. Er geriet in Prügeleien und musste sogar die Schule wechseln. „Ich fühlte mich damals sehr unwohl in meiner Haut und hatte nicht viele Freunde. Mein Bruder war Sportler. Ich war hingegen ein sehr einsamer Junge. Mir waren meine Einsamkeit und der Umstand, dass ich eben anders war, schmerzlich bewusst.“

      Ein Freund, der London besucht hatte, versuchte Petes Interesse an Punkrock zu wecken und spielte ihm die Sex Pistols vor. Er konnte aber nichts damit anfangen. „Ich dachte: ‚Was ist denn das für ein Mist?‘ Ich hielt es für richtig dämlich.“ Petes Erleuchtung in puncto Punkrock sollte im Sommer 1978 folgen. Er hatte Konzertkarten für Jethro Tull, die auf ihrer Bursting Out-Tour in der Long Beach Arena auftraten, doch sein Freund drängte ihn, stattdessen The Clash im Santa Monica Civic zu sehen. „Ich überlegte hin und her. Letztlich habe ich mich für The Clash entschieden. Wenn ich mich nicht irre, war das ihre erste oder zweite Tour durch die USA. Das veränderte alles für mich. Was war das bloß? Das sprach mich direkt an!“

      Punkrock eröffnete Pete eine neue Gemeinschaft von Außenseitern. Er besuchte zwar nicht die El Camino Real, doch kannte er Arnel Celestial, den ersten Fan von Bad Religion. Arnel stellte Pete Greg an jenem Tag in Hollywood vor, als die Band ihr Demo im Studio 9 aufnahm. Seit damals gehörte Pete zu ihrem Freundeskreis.

      Doch all das änderte nichts am Umstand, dass Pete nicht spielen konnte. Greg stärkte ihm jedoch unablässig den Rücken. „Du bist unser Freund“, erinnert sich Pete an Gregs Worte. „Es wird schon alles gut werden.“

      Pete überredete seine Mutter, ihm ein Schlagzeug zu kaufen. „Wir hatten nicht viel Geld. Sie hatte aber etwas gespart, und so fuhren wir zu Pro Drum, wo sie mir ein kleines Schlagzeug kaufte. Ich nahm es mit nachhause und lernte all ihre Songs, indem ich zu einer Cassette spielte. Aber ich wusste nicht wirklich, was ich da tat. Ich hatte keine Ahnung, wie man spielte. Ich lernte die Schlagzeug-Parts wie im Blindflug, ohne eigentlich spielen zu können.“

      Die nächsten paar Wochen entpuppten sich für Pete als Achterbahnfahrt der Gefühle. Er freute sich zwar riesig, ein Mitglied dieser Band zu sein, die er so liebte, doch er stand auch mächtig unter Druck. Der Tiefpunkt war sicher seine erste Bandprobe im Hell Hole. „Ich baute meine Drums auf und fing an zu spielen. Ich war in meinem ganzen Leben noch nie so nervös gewesen … Brett und Jay hatten bestimmt ihre Zweifel, ob das mit mir funktionieren würde. Doch Greg meinte, es klänge großartig und ich sollte einfach weiterhin üben. Nach einem Monat oder so stand ein Konzert mit Fear und China White im Godzilla’s an. Obwohl ich nicht spielen konnte, verloren sie nicht die Geduld mit mir.“

      Das Konzert mit Fear war zugleich die große Eröffnungsfeier des Godzilla’s, eines Clubs, den die Brüder Mark, Adam und Shawn Stern von Youth Brigade im Ostende des San Fernando Valleys betrieben. Das Godzilla’s war riesig, was bedeutete, dass jeder, den Pete kannte, kommen würde, um seinem Debüt bei Bad Religion beizuwohnen. „Ich hatte in meinem Leben noch nie ein Konzert gegeben“, gesteht Pete. „Und auf einmal stand ich mit Fear vor tausend Kids auf der Bühne. Alle schienen sich königlich zu amüsieren. Ich schwebte auf Wolke Sieben. Zum ersten Mal sprachen Mädchen mit mir. Das war zuvor noch nie passiert. Selbst in der Punk-Szene gab es eine Hackordnung, und ich wurde nun akzeptiert, weil ich bei Bad Religion spielte, die die Leute gut fanden.“

      Lange konnte sich Pete jedoch nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen, da es nun gleich die nächste Prüfung zu meistern galt. Als Bad Religion Anfang 1982 mit ihrem neuen Drummer ins Studio zurückkehrten, hatten sie bereits acht Nummern aufgenommen und abgemischt, die alle auf ihrem ersten Album erscheinen sollten, das How Could Hell Be Any Worse? heißen sollte. Der Name des Albums war einer Textzeile des Songs „Fuck Armageddon … This Is Hell“ entlehnt, den Greg auf dem Klavier seiner Mutter komponiert hatte.

      Der Song startet mit einem Basslauf, der so leise und unterdrückt daherkommt, dass man ihn kaum wahrnimmt. Vor diesem akustischen Hintergrund wehklagt eine einzelne Gitarre, getragen und trist zugleich, als stünde das Ende der Welt unmittelbar bevor. Daraufhin nimmt der Song Fahrt auf, die Drums steigen ein und wir befinden uns wieder auf dem vertrauten Terrain eines Bad-Religion-Songs. Der Kontrast zwischen der langsamen Einleitung und der plötzlichen Schubkraft des Gesangs verleihen „Fuck Armageddon“ eine epische Qualität.

      There’s people out there that say I’m no good

      Because I don’t believe in things that I should

      In the end the good will go to heaven up above

      The bad will perish in the depths of hell

      How could hell be any worse, when life alone is such a curse?

      Fuck Armageddon . . . this is hell!

      Dieser Songtext führt gekonnt ein weiteres Markenzeichen von Bad Religion ein, Ironie, vor allem in Bezug auf religiöse Themen. Greg, aus dessen Feder der Song stammt, glaubte garantiert nicht, das „die Guten in den Himmel emporsteigen“ würden. Vielmehr gaben diese Texte eine gängige Meinung wieder, um sie auf sarkastische Weise zu hinterfragen.

      Da der Erzähler nicht zum erlauchten Kreis jener gehört, die in den Himmel abberufen werden, muss er mit den anderen Verdammten zurückbleiben. Doch da die Länder hier im Diesseits ununterbrochen Kriege führten und Konzerne Grund und Boden vergifteten, war das Leben auf der Erde ohnehin schon kein Picknick.

      Vergesst das Jenseits, legt der Song nahe, wir sind doch schon längst in der Hölle!

      Die Ironie und der Sarkasmus führen einen auf Umwegen zu einer spannenden philosophischen Fragestellung: Was hat man überhaupt in einer Welt ohne moralische Beschränkungen davon, „gut“ zu sein? Die letzte Zeile des Refrains, die zugleich der Songtitel ist, beantwortet den Weckruf der Gitarre im Anfangsteil: Vergesst das Leben nach dem Tode und seht euch bloß das Inferno an, das wir aus dieser Welt gemacht


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