Die Bad Religion Story. Jim Ruland
sie von den Sportlern bedroht worden waren, alles kurz und klein. „Sie nahmen die Bude auseinander“, berichtet Greg. „Wie ein Abrisskommando“, ergänzt Jay.
Keiner der Jungs von Bad Religion beteiligte sich an diesem Vandalismus. Vielmehr war ihnen klar, dass es an der Zeit war, die Party zu verlassen. Pete und seine Freundin brachen zusammen auf, wohingegen sich Greg und Jay Mitgliedern des Dogtown-Kontingents anschlossen und sich mit ihnen auf den Weg nach Hollywood machten.
Jay fuhr in seinem alten Toyota Corona, den er liebevoll als „Grünen Scheißhaufen“ bezeichnete. „Ich folgte Dennis Agnew und Jay Adams. Ich weiß noch, dass Adams auf dem Freeway eine Wagentür öffnete und sich hinauslehnte, um zu pinkeln. Ich fragte mich, ob der Typ noch ganz dicht war.“
Nach dem Eintreffen beim Oki-Dog teilten sich die verschiedenen Fraktionen auf, um mit ihren jeweiligen Freunden abzuhängen. Als Adams ein schwules Paar sah, fing er an, sie mit rassistischen und homophoben Beschimpfungen zu provozieren. Einer der Männer, Dan Bradbury, war Afroamerikaner und stellte Adams zur Rede, und es kam zu einem Handgemenge. Dabei ging Bradbury zu Boden und schlug sich den Kopf auf, bevor die Streitparteien wieder voneinander abließen.
Zum zweiten Mal an diesem Abend verließ Jay einen Schauplatz in großer Eile. „Ich sprang in mein Auto. Greg und ein Typ namens Tommy Hawk stiegen auch ein, und wir fuhren los.“ Unterwegs fuhr ein Wagen seitlich an Jays Auto heran und die Fahrerin schrie ihm etwas durch die offenen Fenster zu. „Ich weiß noch, dass ich mit Jay abgehauen bin“, so Greg. „Aber dann schrie uns eine Dame aus dem Wagen neben uns etwas zu: ‚Ich habe euch gesehen! Ich habe euch gesehen!‘“
Nachdem Jay seine Freunde abgeliefert hatte, fuhr er nachhause. Allerdings erwartete ihn ein unsanftes Erwachen. Um 3 Uhr morgens erhielt er Besuch von Sheriffs aus West Hollywood. „Sie klopften an die Haustür, und meine Mom ließ sie eintreten“, erinnert sich Jay. „Sie stürmten ins Haus und kamen mit gezogenen Waffen in mein Zimmer. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was sich meine Eltern gedacht haben müssen. Was zum Teufel hast du jetzt schon wieder ausgefressen?“
Der bis auf ein Paar Badeshorts nackte Jay wurde in Handschellen abgeführt und in ein Polizeiauto geschoben. Sie fuhren ihn zurück nach West Hollywood, wo Jay erfuhr, dass Dan Bradbury, der Afroamerikaner, der vor dem Oki-Dog in einen Kampf verwickelt worden war, gestorben sei. Um das Ganze noch schlimmer zu machen, warf die Polizei Jay nun vor, Bradbury angegriffen zu haben, wofür es angeblich Zeugen gäbe, die ihn mit dem Tatort in Verbindung brachten. „Nachdem ich sie endlich dazu gebracht hatte, mir doch zu sagen, was Sache ist, meinten sie, ich sei derjenige gewesen, der Bradbury umgestoßen hatte. Ich sagte, dass ich der Falsche wäre. Sie bestanden aber darauf, weil sie Augenzeugen hätten. Also verbrachte ich zwei Nächte auf der Polizeiwache von West Hollywood.“
Jay reimte sich zusammen, dass die Dame, die sie angeschrien hatte, als sie vom Oki-Dog aufbrachen, sich seine Nummerntafel notierte hatte. Allerdings war er völlig unschuldig. „Ich sagte ihnen immer wieder, dass ich mit dem Ganzen nichts zu tun hatte.“ Aber das war ihnen egal. Schließlich war Jay ein Schulabbrecher, der in einer Punk-Band spielte und an einem Tatort gesichtet worden war. Das reichte schon aus. Letztlich wies einer der Augenzeugen die Polizei darauf hin, dass der Mann, der die Keilerei angezettelt hatte, viel kleiner gewesen sei. Anders ausgedrückt: Sie hatten den falschen Jay in Gewahrsam genommen.
Für Greg gingen die Schwierigkeiten am Montagmorgen in der Schule los. Die Kunde vom Vorfall bei Oki-Dog hatte sich in Windeseile in der Gemeinschaft der Punks ausgebreitet und war so auch an die El Camino Real gelangt. Die Brutalität des Gewaltakts überschattete zwar den Vandalismus an der Woodlake Avenue, doch die Sportler wollten nicht darüber hinwegsehen und Greg sorgte sich, dass er die Zielscheibe ihrer Rachegelüste sein könnte.
„Ich bin so gut wie tot, Mann“, hatte er noch am Vorabend zu Mike Muir gesagt. „Diese Typen werden mich umbringen.“ Muir sagte Greg, er solle sich bloß keinen Kopf darum machen. Wenn die Sportskanonen ihn weiterhin drangsalierten, würde er ihnen Rohrbomben in ihre Postkästen stopfen. Das war aber kein allzu großer Trost.
Die Sportler bedrohten Greg sofort, als er die Schule betrat, hielten sich aber zurück. Später im Unterricht klopfte es an der Tür. Der Direktor wollte sich mit Greg unterhalten. Draußen erwartete ihn aber eine Überraschung. „Da stand nicht nur der Direktor, sondern auch die Polizei“, erzählt Greg. „Sie führten mich den Flur hinunter. Alle in der Schule sahen, wie ich von der Polizei abgeführt wurde.“
Greg ging ebenso wie der Rest der Schülerschaft davon aus dass er wegen des Zwischenfalls beim Oki-Dog in der Tinte saß, aber das war nicht der Fall. Die Cops wollten mit Greg nur über die Party an der Woodlake Avenue sprechen. Greg erklärte, er hätte weder mit dem Vandalismus auf der Party noch den Punks, die die Bude verwüstet hatten, etwas zu tun gehabt. Als den Polizeibeamten dämmerte, dass sie nichts gegen Greg in der Hand hatten, redeten sie ihm eindrücklich ins Gewissen.
„‚Hier oben sind wir eine Gemeinschaft. Du lässt dich da mit den falschen Leuten ein. Diese Typen aus Hollywood sind ein schlechter Einfluss.‘ Sie müssen mich für einen braven Schüler oder so gehalten haben“, erinnert sich Greg.
Obwohl schon bald jeglicher Verdacht gegen Greg und Jay ausgeräumt war, blieb der Vorfall vom Oki-Dog nicht ohne Konsequenzen. Jay Adams bekannte sich schuldig und landete hinter Gittern, beteuerte jedoch nach seiner Entlassung seine Unschuld. Ihm zufolge war Bradbury gestorben, nachdem ihm jemand, als er am Boden war, gegen den Kopf getreten hatte. Mike Muir hegte einen Groll gegen Jay Bentley. Er verstand nicht, warum der auf freiem Fuß war, während sein Freund im Knast saß. Er konfrontierte Jay im Godzilla’s, wo Bad Religion vor The Damned auftraten. Pete erinnert sich, dass die Situation rasch eskalierte. „Muir attackierte Jay, aber er stellte sich ihm entgegen und hielt dagegen“, so Pete. Jay und Muir wurden getrennt, was den Konflikt zu beenden schien. „Das war aber keine Staatsaffäre“, winkt Jay ab.
Jay war schon Monate zuvor mit brutaler Gewalt in Kontakt geraten, als er die Adolescents als Roadie nach Arizona begleitet hatte. Die Bühne bei diesem Gig war ein echter Boxring. Das Sicherheitsteam verhielt sich feindselig gegenüber der Band. Einer der Rausschmeißer legte sich mit einem der Gitarristen an und nahm ihn in den Schwitzkasten. Jay fuhr den Sicherheitsmann an, dass er von seinem Opfer ablassen sollte, woran der jedoch gar nicht dachte. Also schlug Jay ihn ins Gesicht, was sich als Fehler herausstellte. Denn die Rausschmeißer dort waren alle Kickboxer. Jay bezog eine schwere Tracht Prügel und fand sich daraufhin im Krankenhaus wieder.
Für die Punkrock-Community war das tragische Ereignis vom Oki-Dog ein Zeichen, dass sich die Dinge geändert hatten – und zwar nicht zum Besseren. Mit dem Aufkommen von Punk-Gangs und ausartender Polizeibrutalität stand das Schlimmste sogar noch bevor. Punkrock-Konzerte zu besuchen, wurde nun zu einer gefährlichen Unternehmung, was viele Fans davon abschreckte. Für Greg stand unweigerlich fest, dass die Szene begonnen hatte, sich aufzulösen. Was einmal war, würde nie wieder sein – und das, was an dessen Stelle getreten war, machte keinen Spaß mehr. „Niemand wollte mehr dazugehören“, so Greg. Auch ließ sich nicht von der Hand weisen, dass die Welt des Punkrocks keine in sich geschlossene Blase war. Alles, was auf einer Party oder bei einem Konzert passierte, konnte das Leben und die Zukunft der Betroffenen nachhaltig beeinflussen.
Auch wenn Greg kein Musterschüler war, gab er sich doch Mühe, das zu ändern. Er wollte nach seinem Abschluss ein College in Wisconsin besuchen. Anders als viele seiner Kollegen in der Punk-Szene dachte er über das nächste Konzert hinaus und ihm missfiel, was sich ihm da offenbarte. In seiner Vorstellung unterschieden sich Bad Religion von anderen Bands, doch in den Augen der Polizei, der Presse und ihrer Eltern waren sie alle gleich, eine Ansammlung brutaler Querulanten. Was machte es da für einen Sinn, Mitglied einer sogenannten „cleveren“ Punk-Band zu sein, wenn man mit gewalttätigen Rassisten und Schwulenhassern, die langsam die Szene übernahmen, in eine Schublade gesteckt wurde?
Die ganze Affäre wirkte sich auch negativ auf Jays Leben daheim aus. Er hatte die Schule abgebrochen, und weil er noch minderjährig war, hatte er seine Eltern ungewollt in die Tragödie rund um Dan Bradburys gewaltsamen Tod hineingezogen. „Meine Eltern sahen mich nun mit anderen Augen“, sagt Jay. „Nun war ich plötzlich der schlimmste Kerl aller Zeiten.“