Die Bad Religion Story. Jim Ruland

Die Bad Religion Story - Jim Ruland


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Weckruf.

      Jay spielte bei der ersten Session mit Ziskrout immer noch seinen händisch aufgemotzten Jazzmaster-Bass, der aber schon bald bei einer Show gestohlen wurde. „Ich weiß nicht mehr, wo wir auftraten, aber ich erinnere mich, dass der Bass im einen Moment noch da stand und schon im nächsten Augenblick verschwunden war. Das weiß ich noch, als wäre es gestern gewesen.“ Das stellte sich als Glück im Unglück heraus, da er sich nun mit der finanziellen Unterstützung seiner Eltern einen Rickenbacker-Bass zulegte.

      „Wir befanden uns mitten im Aufnahmeprozess zu einer Platte. Es war meinen Eltern nicht entgangen, dass ich es ernst meinte. Ich würde das durchziehen, egal ob es ihnen gefiel oder nicht. Also willigten sie ein, mir einen echten Bass zu kaufen.“ (Viele Jahre später gestand Jack Grisham von T.S.O.L., dass er Jays Bass gestohlen und vom Dach des Veranstaltungsorts geworfen hatte.)

      Auch Brett kaufte sich eine neue Gitarre, sodass die Band mit neuen Instrumenten und einem neuen Drummer ins Studio zurückkehrte. Sie mussten noch sechs Songs aufnehmen, darunter auch „Part III“, einer von zwei Songs auf dem Album, die von Jay stammten. (Der andere war „Voice of God Is Government“.) „Part III“ handelt vom Dritten Weltkrieg, aber da sie ja schon einen Song namens „World War III“ hatten, einigten sie sich auf ein Synonym, um zu betonen, dass solche verheerenden Konflikte als Teile einer fortlaufenden Saga eintreten. Jay wünschte sich für die Nummer einen zweiten Gitarristen, der gegen Brett anspielen sollte, um das Thema Kriegsführung hervorzuheben. Dafür lud er Greg Hetson von den Circle Jerks ein. Das war Hetsons inoffizieller Auftakt zu seiner Laufbahn bei Bad Religion – eine Beziehung, die über 30 Jahre andauern sollte.

      Pete hatte zuvor noch nie in einem Studio aufgenommen und war der Ansicht, dass die Band sich besser jemanden anderen suchen sollte, um die verbleibenden Songs für das Album einzuspielen. Doch auch dieses Mal blieb Greg unerbittlich in seiner unterstützenden Haltung. Die Aufgabe fiel wohl oder übel Pete zu. „Wenn man sich diese Platte nochmals anhört“, so Pete, „dann kann man genau hören, wann Ziskrout spielt und wann ich. Ziskrout spielt auf ,Fuck Armageddon … This Is Hell‘, dem wohl beliebtesten Song auf dem Album. Ich spiele ,Oligarchy‘. Der Unterschied zwischen Jays jazzigem Punk-Stil und meinem abartigen Spiel war schon sehr markant.“

      Zusätzlich zur Tatsache, dass zwei unterschiedliche Schlagzeuger zu hören waren, spiegelte die LP den unorthodoxen Zugang der Band auch noch anderweitig wider. „We’re Only Gonna Die“, „Damned to Be Free“ und „Fuck Armageddon … This Is Hell“ glänzten alle mit einer Klavierbegleitung, was für eine Punk-Band außergewöhnlich war. Bei „We’re Only Gonna Die“ gab es dazu noch eine Akustikgitarre. Interessanterweise schrieb Greg gleich vier der ersten fünf Songs auf dem Album, wohingegen Brett für vier der letzten sechs Nummern verantwortlich zeichnete. Dennoch hinterlässt das Album einen zusammenhängenden, stringenten Eindruck in Bezug auf die Vision und den Sound der Gruppe.

      How Could Hell Be Any Worse? strotzt nur so vor brutalen Bildern voller Tod und Zerstörung. Trotz der apokalyptischen Grundstimmung ist die Menschheit der Urheber dieses Chaos’ und nicht etwa ein höheres Wesen. Das Album startet mit „We’re Only Gonna Die“, das darauf „We’re Only Gonna Die from Our Own Arrogance“ heißt. Es handelt sich dabei um eine Parabel über den modernen Menschen und seine primitiven Bedürfnisse. Das Schlüsselwort lautet hier „Arroganz“: Die Menschheit verfügt über das Wissen und die Macht, eine Katastrophe zu vermeiden, doch ihre monströse Überheblichkeit und ihr kriegerisches Verlangen führen uns wieder und wieder auf einen Pfad der Zerstörung. Übrigens coverte später die legendäre Band Sublime aus Orange County diesen Song.

      Sowohl „Faith in God“ als auch „Pity“ schäumen geradezu über vor Wut auf die ignoranten Massen. „Damned to Be Free“ nimmt sich noch einmal der Themen an, die bereits „Fuck Armageddon … This Is Hell“ angeschnitten hat, wobei Greg keine Zweifel an seiner Ablehnung repressiver religiöser Dogmen aufkommen lässt. Wenn sich die Frage zwischen ewiger Verdammnis und Freiheit stellt, kann die Antwort einzig und alleine Freiheit lauten! Doch „Damned to Be Free“ handelt als Song nicht davon, für das Heute zu leben. Vielmehr betont er die Verantwortung, die Freiheit mit sich bringt.

      Die Band nahm How Could Hell Be Any Worse? An einem einzigen Wochenende auf. Das Artwork war fertig. Da auch die Frage des Vertriebs bereits geklärt war, konnte die Band ihre Platte nun pressen und ausliefern lassen. Zu diesem Zeitpunkt belegte gerade der Song „Centerfold“ der J. Geils Band die Spitze der Charts. Am goldenden See war der meistgesehene Film. Ronald Reagan befand sich im zweiten Jahr seiner ersten Amtszeit als Präsident der USA. Und Bad Religion hatten gerade ihre erste LP veröffentlicht. Doch würde das irgendjemanden auch interessieren?

      Anfang 1982 pfiff die Punk-Szene von L.A. aus dem letzten Loch. Nur die treuesten Anhänger der einstmals so vitalen Bewegung hätten abgestritten, dass sie sich kopfüber in die Obskurität verabschiedet hatte. Das Starwood hatte geschlossen, die Kids kehrten der Szene den Rücken und Musiker ließen sich ihre Haare wieder wachsen. Der Sunset Strip war nun vermehrt die Heimat von Metal-Bands, die sich bei der Punk-Mode und Glam-Theatralik bedienten. Doch die erste Scheibe von Bad Religion How Could Hell Be Any Worse? bewies, dass Punk sehr wohl noch über einen Puls verfügte.

      Einen Monat nach dem Erscheinen der Debüt-LP von Bad Religion veröffentlichten die Circle Jerks mit Wild in the Streets ihren Nachfolger von Group Sex. In Orange County brachten die Goth-Rocker von Christian Death mit ihrem Gitarristen Rikk Agnew, einem ehemaligen Mitglied von Social Distortion und der Adolescents, das Album Only Theatre of Pain heraus. Punk erschloss interessante neue Richtungen: Während die Hardcore-Fraktion immer härter und schneller zur Sache ging, experimentierten andere Gruppen mit langsameren Tempos und Synthesizern, um so ihre Unzufriedenheit atmosphärisch zum Ausdruck zu bringen. Oder, um es anders zu formulieren: Hardcore schlug um sich („Fuck you!“), wohingegen Goth, Death Rock und Post Punk introspektiver klangen („We’re fucked!“).

      Bad Religion konnten auf einen enthusiastischen Rückhalt innerhalb der Hardcore-Gemeinde zählen. Doch obwohl sich die Band bei Fans und Veranstaltern immer größerer Beliebtheit erfreute, sahen andere Bands auf sie herab, was wieder einmal mit ihrem Alter und ihrer Herkunft zu tun hatte. „Wir hatten einen gewissen Stellenwert, aber noch nichts erreicht“, erklärt Jay. „Wir waren einfach ein paar Sackgesichter aus dem Valley. So konnten uns die Leute leicht abstempeln. Ihr seid doch aus dem Valley. Als ob der einzig wahre Punk aus Hollywood stammen musste. Vermutlich ließ man uns alles nur deshalb durchgehen, weil wir noch so jung waren.“

      Auch das Klassendenken spielte in der Hierarchie des Punk eine gewisse Rolle. Die jungen Leute aus Hollywood nahmen an, dass Gleichaltrige aus dem Valley wohlhabend sein müssten. Hollywood galt als chaotisch und gefährlich – das Valley hingegen stand für Stabilität und Sicherheit. Für die Bandmitglieder von Bad Religion lag die Wahrheit irgendwo dazwischen. Greg lebte über weite Strecken der Middle School und High School als Schlüsselkind in einem Alleinerzieher-Haushalt. Nach der Scheidung seiner Eltern pendelte Jay zwischen dem Valley und dem Strand. Bretts Vater arbeitete in Bretts Kindheit von der heimischen Garage aus, schaffte es aber, seiner Familie eine komfortable Mittelklasse-Existenz zu ermöglichen. „Soziale Klasse war schon ein Thema“, so Brett. „Valley-Kids versus City-Kids. In der Welt des Punk galten wir als Bürger zweiter Klasse, obwohl wir sicher keine reichen weißen Jugendlichen waren.“

      Obwohl die Bandmitglieder von Bad Religion keinesfalls im Geld schwammen, unterstützten ihre Familien ihre Bemühungen und finanzierten ihnen ihre Instrumente, stellten Proberäume zur Verfügung und ermöglichten ihnen, ihre Leidenschaft auszuleben – Privilegien, die andere Jugendliche nicht hatten. Bretts Familie beschäftigte zum Beispiel auch eine Haushälterin aus El Salvador, die mehrmals pro Woche nach dem Rechten sah. Immer wenn Greg oder Jay bei Brett anriefen und die Haushälterin abhob, schrie sie nach „Mr. Brett“, der doch bitte das Gespräch entgegennehmen sollte. Bretts Bandkollegen hänselten ihn damit, doch anstatt sich von seinem Spitznamen zu distanzieren, akzeptierte Brett ihn einfach. „Das wurde eine Art Künstlername von mir“, erklärt Brett. „Dass mir das nichts ausmachte, lag zum Teil daran, dass in der Szene ein


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