Das Mädchen da oben auf der Treppe .... Harry Robson
2.200,00 DM Monatsgehalt waren für die damalige Zeit ein Hauptgewinn!
Nach dem Vorstellungsgespräch und der sofort erfolgten Einstellung fuhren wir nach Berlin. Wir hatten uns mit Hans und Lisa an einer Autobahnraststätte verabredet. Von dort aus wollten wir in unserem R4 nach Berlin, Hans’ Tante Gertrud besuchen, die Schwester seiner Mutter. Lisa war Hans’ Freundin, die er während seiner Marinezeit in Wilhelmshaven kennengelernt hatte. Sie war deutlich jünger als Hans, aber ein wirklich hübsches und freundliches Mädel.
Tante Gertrud wohnte in Berlin in einem Hinterhof zur Miete. Es war wie auf einem Bild von Zille. Mehrere hohe Mietshäuser hintereinander, düstere Hinterhöfe, in der Mitte ein Durchgang zum nächsten Haus. Eine Toilette für je 2 Etagen auf der „halben Treppe“, wie man das nannte. Tante Gertrud hatte ihr Schlafzimmer geräumt, campierte auf der Couch im Wohnzimmer, und wir vier schliefen im Doppelbett. Es war wohl für alle Beteiligten, außer mir, etwas schrill, dass ich keinen Schlafanzug besaß und nackt schlief. Da das „Doppelbett“ sehr knapp bemessen war, musste ich auf dem Boden schlafen, was ich ja von Romikas Zimmer her schon kannte. Als Tante Gertrud dann am Morgen nach uns sehen wollte und mich nackt auf dem Boden liegen sah, überkam sie ein mächtiger Schreck, von dem sie sich nur schwer erholte. Später wanderte sie nach Amerika aus. Ob da irgendein Zusammenhang bestand?
In der Nacht störte ein eigenartiges Rasseln und Stampfen, das aus der Schlafzimmerwand zu kommen schien. War da irgendjemand eingemauert, der raus wollte? Tante Gertrud konnte das Mysterium aufklären. Die Schlafzimmerwand gehörte auf der anderen Seite der „Schultheiss Brauerei“ und genau an dieser Wand waren die Pferde angekettet, die tagsüber die Bierfässer herumfuhren.
Wir genossen die Zeit in Berlin, besuchten den „Osten“, die vielen Kaufhäuser, den Kudamm, lernten auch Broiler kennen. Das war auch eine „lustige“ Geschichte.
Als Westler mussten wir 25 DM in 25 Ostmark umtauschen. „Monopolygeld“ nannte man es damals, da man dafür nix kaufen konnte. Kommt eine Frau in den Laden und sagt: „Ich hätte gerne ein Brot.“ Darauf die Verkäuferin: „Wir haben hier kein Fleisch. Kein Brot gibt es nebenan.“ Für uns war der Begriff Broiler völlig unbekannt und da wir mit insgesamt 100 Ostmark ausgestattet waren, wollten wir uns diese unbekannte Spezialität unbedingt antun und gingen in einen „Broilerladen“. Es war so eine Mischung aus Restaurant und Schnellimbiss, menschenleer. Wir wollten uns gerade hinsetzen, als eine als Bedienung verkleidete Tarantel auf uns zuschoss und uns anherrschte: „Sie können sich nicht einfach hier hinsetzen, Sie müssen am Eingang warten und dann werden Sie platziert!“. OK, alle Mann zurück zum Eingang und warten. Die Tarantel kommt wieder auf uns zu und fragt: „Was möchten Sie denn essen?“ „Broiler!“ „Die sind alle“. „Was haben Sie denn sonst noch?“ „Na nichts. Sie sehen doch, der Laden ist leer“. Es war nicht alles schlecht in der DDR. Kurz vor dem Grenzübergang nach Berlin verschenkten wir die Ostmark an eine zufällige vorbeikommende Passantin. Auf der Rückfahrt lieferten wir Hans und Lisa wieder an ihrem Auto ab.
Nun, wo ich eine feste Anstellung hatte, wurde es langsam Zeit, an den Nachwuchs zu denken. Romika arbeitete in Bergheim beim Notar. In dessen Bürohaus wurde die Dachwohnung frei. Knapp 80 qm, Miete 0,00. Schlaf-/, Kinder-/, Wohnzimmer, große Wohnküche, ein kleines Badezimmer, Garage und die Nutzung des Gartens. Dafür musste dann abends das Büro gereinigt, Fenster geputzt und aufgeräumt werden. Wir schlugen sofort zu, zogen 1974 nach Bergheim in diese Wohnung. Kurze Zeit später war Romika schwanger.
15. Kapitel
Leider ging in meinem Job nicht so alles nach Plan. Die Firmeninhaber stritten sich wegen Anteilen an Firmen und Grundstücken vor Gericht, die Banken drehten den Geldhahn zu, und der Laden ging den Rhein runter. Der damalige Geschäftsführer hatte mir versprochen, dass sei alles nur vorübergehend, und ich solle auf jeden Fall in der Firma bleiben, aber nur wenige Tage später wechselte er zu einem Konkurrenten.
Da war mir klar, dass meine Tage und die der Firma gezählt waren. Ich suchte eine neue Arbeit. Die Firma „Neumann Tapete“ (NT) suchte einen Assistenten für den Geschäftsführer. Hauptsächlich sollte die Firma auf einen modernen Organisationsstand gebracht werden. Der Magnetbandcomputer sollte durch einen neuzeitlichen Rechner ersetzt werden. Die Kontenbuchhaltung sollte durch eine OP-Buchhaltung abgelöst werden, das Fakturiersystem sollte neu geschaffen und eine Lagerbestandsrechnung sollte eingeführt werden. EDV-gestützte Buchhaltung war genau mein Thema und den Rest, da war ich mir sicher, würde ich auch schaffen. Nach meiner Bewerbung wartete ich fieberhaft auf Nachricht und schon bald erhielt ich einen Vorstellungstermin, Juli 1975.
Beim Termin waren anwesend: Herr Möckner, Firmeninhaber, Herr Schäfer, Prokurist und Verkaufsleiter sowie Herr Pflock, Vertriebsleiter bei der IBM Köln. Herr Pflock bestritt den wesentlichen Teil des Gespräches. Er, als IBMer, sollte herausfinden, ob ich die Fähigkeiten besäße, alle diese Wünsche zu realisieren. Herr Möckner war nur für die Gehaltsfrage zuständig und Herr Schäfer als Beobachter. Als es um das Gehalt ging, forderte ich 2.600,00 DM und Herr Möckner meinte, ich sei mit Abstand der teuerste Bewerber. Herr Pflock hingegen hielt diese Summe eigentlich für zu niedrig und meinte, dass ich auch der bisher beste Bewerber sei, den man gesehen habe. Ich wiederum verwies darauf, dass ich noch andere Vorstellungstermine habe und nicht böse sei, wenn man sich einen Mann wie mich nicht leisten könne.
Ich wurde nach draußen geschickt und nach einiger Beratungszeit wurde ich wieder reingeholt. Herr Möckner bot mir 2.600,00 DM an, nach 6 Monaten 2.800,00 und die Übernahme aller erforderlichen Lehrgangskosten für Programmierung und was sonst noch erforderlich wäre, nebst Spesen. Das Ganze auf der Basis von 13 Monatsgehältern. Es wundert wohl niemanden, dass ich auf der Stelle zusagte.
Romika war total happy. Unsere Emma war im März 1975 geboren worden und entwickelte sich prächtig. Wir hatten ein süßes Kind, eine Arbeit mit Zukunftsaussichten, und wir liebten uns. Was hätte uns noch passieren können?
Mitte Juli hörte ich bei der Baufirma auf, der Laden war in Auflösung. Die Geschäftsführer schleppten Rechen- / Schreibmaschinen ins Auto, Kopierer verschwanden über Nacht, die Wirtschaftsprüfer, zuständig für ein neues Unternehmenskonzept, ließen sich abends die geleisteten Stunden in bar auszahlen. Ich hatte genug und ging.
Emma war ein total liebes Kind. Sie schrie kaum und schlief viel. Nachts gab ich ihr Fläschchen, wickelte sie und spielte ein wenig mit ihr, bis sie wieder einschlief. Romika schlief nachts durch. Die Geburt hatte sie doch sehr erschöpft. Wir hatten eine kleine Wippe, in die wir Emma legten, wenn wir frühstückten oder zu Mittag aßen. Natürlich war sie der Liebling von allen Omas und Opas, sie war ja das erste Enkelkind. Am Wochenende gingen wir mit ihr im Kinderwagen spazieren und Freunde und Verwandte besuchen. Es war wie im Bilderbuch. Romika hatte noch Mutterschutz und danach ging sie halbtags arbeiten, Emma wurde in dieser Zeit immer bei Romikas Mutter abgeliefert. Wehe, wenn Emma mal nicht gebracht wurde!
16. Kapitel
Am 1.8.1975 begann ich bei NT. Alle Betriebsangehörigen beäugten mich misstrauisch, als ich dort auflief. Mein Büro war noch nicht fertig (ich sollte ursprünglich erst am 15.8. anfangen) und ich stand mit meinem Schreibtisch am Ende des Flures, von dem alle Büros abgingen. Ich machte mir ein Bild von dem Unternehmen, stellte mich allen Mitarbeitern vor, sprach mit ihnen, ließ mir Arbeitsweise und Abläufe erklären und lernte den Laden erst Mal kennen.
Die Realisation der ganzen Umstellung sollte mit dem neuentwickelten IBM-Rechner /32 erfolgen. Dieser Computer war völlig neu auf dem Markt und die IBM wollte damit in die kleinen und mittleren Unternehmen hinein, die sich Großrechner nicht leisten konnten. Der Computer war etwa so groß wie ein Schreibtisch, verfügte über einen eingebauten Drucker und einem ca. 20 x 20 cm großen, ebenfalls fest eingebauten Bildschirm. Eingebaut war auch eine Festplatte mit 5 MB und ein 16 K Hauptspeicher. Das Ganze zum sagenhaft „günstigen Preis“ von 65.000,00 DM, also 20.000,00 DM teurer, als der Superbenz von meinem Chef.
Die Software musste nicht erst manuell programmiert werden. Das war die große Neuerung! IBM hatte ein Tool entwickelt, „MAS“ Modulares Anwendungssystem. Auf Basis eines sehr umfangreichen Fragenkataloges mit Ankreuztechnik wurde herausgefunden, was die Software leisten sollte. Ein Großrechner stellte dann aus einer Datenbank die