Das Mädchen da oben auf der Treppe .... Harry Robson

Das Mädchen da oben auf der Treppe ... - Harry Robson


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h wieder zurück. In dieser Zeit mussten die Gefreiten reihum die Kaffeetassen spülen und den „Lageraum“ wieder herrichten. Oft fand dann eine zweite Lagebesprechung statt, und es wurde wieder Kaffee gekocht.

      Mir stank das gewaltig, und ich beschwerte mich schriftlich darüber: Es sei nicht Aufgabe eines Soldaten, Kaffeetassen zu spülen, wenn der Kaffee privat bezahlt würde und die Tassen auch dem Privateigentum der Offiziere zuzurechnen seien. Außerdem hatte ich in der TDV (Truppendienstverordnung) keinen Abschnitt gefunden, die eine solche Lagebesprechung in Friedenszeiten vorsehen würde. Also würden die Soldaten offensichtlich für illegale Zwecke missbraucht. Und vor allem: Was wäre, wenn Krieg wäre? Die Kameraden würden mangels meiner Unterstützung im Feld sterben, weil ich Kaffeetassen spülen müsse. Natürlich auf den entsprechenden Vordrucken mit dem entsprechenden Formalismus und in epischer Breite. Ich hatte ja Zeit und bei der MVS auch sehr viel Sinnvolles gelernt.

      Die Beschwerde wurde abgelehnt, was mich nicht weiter wunderte. Befehl sei Befehl, und die TDV sei für die Vorgesetzten da und nicht für die Untergebenen. Damit hatte ich gerechnet und erneut Beschwerde bei der nächsthöheren Instanz eingelegt. (Marinedivison Nordsee in Wilhelmshaven). Auch hier zeigte man wenig Einsicht in die illegale Beschäftigung und lehnte erneut ab. Nun, ich war noch nicht am Ende. Erneute Beschwerde eine Stufe höher: Marineoberkommando in Bonn.

      Dort verstand man meine Sorgen über die illegale Beschäftigung durchaus, argumentierte aber damit, dass das Kaffeetassenspülen nur einen ganz kleinen Teil meiner Zeit in Anspruch nehmen würde, in Kriegszeiten durchaus ausfallen dürfe und daher zulässig sei.

      Nun, das war nicht die Antwort, die ich haben wollte, und es ging weiter zur letzten Instanz: Truppendienstgericht in Hannover. Endlich fand ich jemanden, der meine Sorgen und Nöte verstand. Hier erkannte man glasklar, dass die Offiziere die Tassen eben selbst spülen sollten oder die zivilen Schreibkräfte. Letztere hätten den Kaffee ja auch gekocht, und nach dem Verursacherprinzip seien sie denn letztendlich auch für die Reinigung zuständig. Inwieweit eine tägliche Lagebesprechung erforderlich sei, würde separat geprüft. Allerdings warte ich noch heute auf den Bescheid.

      Der ganze Beschwerdeakt hatte ein gutes Jahr gedauert, und die Antwort des Truppendienstgerichtes erhielt ich, als schon wieder Zivilist war. Immerhin wurde das Kaffeetassenspülen bereits an die Zivilkräfte übertragen, als ich mich beim Marineoberkommando beschwerte. So verging die Dienstzeit wie im Fluge. Es gab immer etwas zum Beschweren. Meistens gewann ich. Ich konnte fast jedes Wochenende nach Hause fahren. Da ich auch in Emden ein paar Tage Sonderurlaub ergattern konnte (25km-Marsch, diverse Schießprüfungen), legte ich im Frühjahr 1971 eine 3-wöchige Pause ein und vertrat einen Bekannten, der in Wesseling eine Frittenbude betrieb. Ich bekam seinen Transporter und war auch für den Einkauf zuständig. Jeden Morgen um 10: 30 h machte ich die Frittenbude auf und um 17: 00 h wieder zu. Montag bis Samstag. Ich verdiente eine Menge Geld und war jeden Tag zu Hause.

      Romika und ich waren zwischenzeitlich verlobt und dadurch hatte ich freien Zugang zu ihrem Elternhaus. Sie hatte mich am „Tag der offenen Tür“ in Emden besucht und die Nacht bei mir verbracht. Mein Zimmerkumpel nächtigte woanders. Als ich sie sonntags zum Bahnhof brachte, überkam uns beide ein fürchterlicher Schmerz, und wir mussten beide weinen. Es war schlimm, sehr schlimm. Es war uns klar geworden, dass wir zusammen gehörten und auf jeden Fall heiraten wollten.

      11. Kapitel

      Für den Sommer 1971 hatten wir eine Reise nach Mallorca gebucht. Volle drei Wochen. Vorher mussten wir nur Josef, Romikas Vater, davon überzeugen, dass wir in getrennten Zimmern übernachten würden, so dass Sex absolut unmöglich war. Schließlich waren wir nur verlobt, also sexunwürdig. Wir flogen von Köln aus nach Cala Ratjada. Es war wundervoll, ein kleines, einfaches Hotel, ca. 30 Betten, das dem Bürgermeister gehörte. Das Essen war einfach, die Zimmer auch, aber wir hatten ein Badezimmer für uns alleine. Wir waren im 7. Himmel, lagen am Strand, gingen lecker essen, tranken Cocktails, unternahmen diverse Ausflüge und haben uns auch oft geliebt. Viel zu schnell ging die Zeit herum, und als wir sonntags zurückflogen, gab es einen Streik der Fluglotsen. Ganze sechs Stunden saßen wir in dem Flieger fest. Am Tag vorher hatten wir ein Tal mit seltenen Blumen besucht, und ich hatte mir einen allergischen Schnupfen eingefangen.

      Meine Nase lief ununterbrochen. Tempotücher, Klopapier, Servietten, alles wurde vom Personal herangeschafft. Um 18: 00 h hoben wir endlich ab und waren 20: 30 h in Köln. Romikas Mutter, die uns gegen 14: 30 h in Köln abholen wollte, war nicht mehr da. Niemand in Köln hatte sich die Mühe gemacht, die Wartenden zu informieren. Also nahm ich meinen Notgroschen, 50 DM. Wir charterten ein Taxi nach Bergheim. Das brachte zuerst Romika nach Hause und dann mich zum Bahnhof, wo ich dann 22: 10 h den Zug nach Köln und damit nach Emden erreichte. Schließlich war ich ab Montag wieder im Dienst, denn ich musste die Republik schützen.

      Letztendlich heirateten wir kurz nach dem Urlaub standesamtlich, so dass wir moralisch endlich voll abgesegnet waren. Es gab damals noch den „Kuppeleiparagrafen“. Demzufolge war es verboten, unverheiratete Paare unter einem gemeinsamen Dach nächtigen zu lassen, um die damit verbundene „Unzucht“ zu verhindern. Romikas Eltern standen also immer mit einem Bein im Gefängnis. Das war unmoralisch! Der Klerus hatte damals noch einen sehr starken Einfluss auf die Geschicke der Republik. Erst unter Willy Brandt wurde dieser Einfluss stark zurückgedrängt, der Paragraf wurde abgeschafft. Ebenso wurde Homosexualität erlaubt bzw. nicht mehr unter Strafe gestellt. Mann konnte, wenn Mann wollte, Mann musste aber nicht!

      Die Heirat hatte auch den Vorteil, dass ich mehr Sold und eine Trennungsentschädigung bekam. Eine Menge Geld damals. Wir legten jeden Groschen auf die hohe Kante. Romika kellnerte an Wochenenden, an denen ich in der Kaserne bleiben musste, in Königswinter. Damals noch das Eldorado am Rhein, was rheinische Gemütlichkeit, Frohsinn und Komasaufen betraf. Wir kellnerten auch zusammen bei Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen usw. Oft waren wir jedes Wochenende ausgebucht.

      Im Herbst 1971 konnte Romika für uns eine Wohnung mieten. Romikas Mutter meinte zwar, dass ich weiterhin bei Romika im Zimmer übernachten könne, aber das war entschieden zu eng. Ich musste dort im Schlafsack auf dem Boden schlafen, das Bett war nur 90 cm breit. In Emden hatte ich in einem Möbelgeschäft (Europa-Möbel) Möbel entdeckt, die mir gefielen. Ich sendete Romika den Prospekt und ihr gefielen die auch. Da es sich um eine bundesweite Kette handelte, konnte sie die Möbel in Bonn bestellen. Irgendwann im Herbst 1971 wurden die Möbel geliefert. Eines Abends holte sie mich am Bahnhof ab, und wir gingen gemeinsam in unsere erste Wohnung. Es war einfach überwältigend. Wir haben vor Freude geweint. Keine Eltern mehr, die einem reinreden, keine nervigen Geschwister, kochen was man will, eigenes Fernsehen und Radio, ein 2 X 2 Meter Bett, und und und…

      Gegen Ende der Dienstzeit baute ich mir einen „Restdienstzeitkalender“. Es war üblich, sich für die restlichen 150 Tage Bundeswehr ein Maßband zu kaufen, um dann jeden Tag einen Zentimeter davon abzuschneiden. So konnte man auf einen Blick erkennen, wieviel Tage Mann noch absitzen musste. Es war sehr lästig, das Maßband in der Hosentasche zu tragen, da es sich immer abwickelte. Ich ließ mir also beim Glaser quadratische Glasscheiben von 5 cm Kantenlänge schneiden. Die klebte ich mit Tesafilm zu einem kleinen Kästchen zusammen, in dem mein Maßband Platz hatte. Auf einer Seite war ein kleiner Schlitz, aus dem das Maßband putzig herausguckte. So konnte man bequem abschneiden und gucken, was Sache ist.

      Da ich ja den Tag in der Registratur verbrachte, stand mein „Restdienstzeitkalender“ auf meinem Schreibtisch. Unserem Spieß gefiel das nun überhaupt nicht, er sah darin eine Provokation und Unterwanderung der Wehrmoral. Das Teil wurde verboten! Was tun? Natürlich eine Beschwerde, in der ich auf über fünf Seiten ausführlich zu diesem Sachverhalt Stellung bezog. Der oberste Boss ließ sich von mir das Teil zeigen und Sinn und Zweck erklären. Es sah darin nichts Schlimmes, und das Teil durfte wieder auf den Tisch.

      Eines Tages kam der Spieß zu mir und bat mich um einen „persönlichen Gefallen.“ Das musste schon eine haarige Sache sein, denn seit meiner Restdienstzeitkalenderaktion mochte er mich nicht mehr. Die Sache sei folgende: Jeden Monat müsse bis zum 5. Werktag eine Statistik an die vorgesetzte Dienststelle geliefert werden, in der haarklein aufgelistet sei, wer im abgelaufenen Monat von den Soldaten am Dienst teilgenommen habe, wegen Krankheit nicht teilgenommen habe, sowie abkommandiert, auf Urlaub, im Krankenhaus oder sonst


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