Das Mädchen da oben auf der Treppe .... Harry Robson
Dienststelle anrufen und ihn bitten, den Eingangsstempel entsprechend anzupassen, so dass die Meldung „fristgerecht“ angekommen sei. Offensichtlich wurde dann aus all diesen Statistiken berechnet, ob man im Vormonat in der Lage gewesen wäre, Krieg zu führen oder wegen Personalmangel den Feind um Terminverschiebung hätte bitten müssen.
Dieser eminent wichtigen Aufgabe nahm ich mich sofort an. Durch entsprechende Telefoniererei fand ich den zuständigen Kollegen. Nach ein bisschen Smalltalk weihte ich ihn in die Verschwörung ein, und zu meinem Erstaunen lachte er laut und herzlich auf. Ich hatte das Gefühl, er würde sich den Bauch vor Lachen halten. Als er sich beruhigt hatte, erklärte er mir, er habe schon mal hier angerufen, aber niemanden erreicht. Diese Meldung müsse seit zwei Jahren nicht mehr abgegeben werden. Er habe sie immer in den Papierkorb geschmissen. Mit dieser brisanten Neuigkeit machte ich mich sofort auf den Weg zum Spieß. Der verstand die Welt nicht mehr. Er sah sich innerhalb von Sekunden seines Kerngeschäftes beraubt, und das machte unser Verhältnis nicht einfacher.
12. Kapitel
Im Frühjahr 1972 wurde ich bei der Marine planmäßig entlassen und begann die Ausbildung zum staatlich geprüften Betriebswirt in Köln. Immerhin hatten meine Beschwerden bei den Vorgesetzten der Marine einen positiven Eindruck hinterlassen. Drei Monate vor dem Ende meiner 2-jährigen Verpflichtung bot man mir die Offizierslaufbahn an. Ich hatte zwar kein Abitur, aber das wurde mit „mittlerer Reife“ und „abgeschlossener Lehre“ gleichgestellt. Der Haken an der Sache war der, dass ich für sechs Monate auf die damals noch schwimmfähige „Gorch Fock“ versetzt worden wäre, um „Leutnant zur See“ zu werden. Grundvoraussetzung für die Offizierslaufbahn. Nachdem Romika und ich ja stets unter dem Trennungsschmerz litten, lehnte ich das ab. Es erschien uns unmöglich, länger als 14 Tage voneinander getrennt zu sein.
Das Studentenleben forderte mir einiges ab. Nachdem mein Verstand ja zwei Jahre pausiert hatte, musste ich nun wieder eigenständig denken und mich auf die verschiedensten Themen einlassen. Ich fand einen Studierkollegen in Rheinbreitbach, der ebenfalls jeden Tag nach Köln zur Schule musste und auch die gleichen Fächer belegt hatte. So war gegen eine angemessene Beteiligung an den Benzinkosten die Fahrerei geregelt.
Im Rahmen der Ausbildung gab es ein Fach: EDV, elektronische Datenverarbeitung. Das war damals noch relativ unbekannt. Mich faszinierte, dass es Maschinen gab, die elektrisch, mittels Lochkarten, Konten verbuchen konnten. Als Lehrling war mir die Durchschreibebuchführung recht schwer gefallen. 3 Kontenblätter, dazwischen Kohlepapier, mussten so ausgerichtet werden, dass das, was man in die erste Zeile auf Blatt 1 schrieb, auf den anderen Blättern jeweils in der ersten freien Zeile stand. Es war eine unheimliche Fummelei und wenn mal was daneben ging, musste man zum Chef, die Fehlbuchung abzeichnen lassen. Es war grausam.
Romika hatte 1970 ihre Lehrzeit mit Erfolg beendet und verdiente schon Geld. Meine Schule wurde vom Arbeitsamt bezahlt und ich erhielt einen Unterhaltszuschuss. Mehr als mein letzter Sold bei der Marine. Unser Leben war also nicht schlecht. Wir gingen regelmäßig kellnern und sparten und sparten.
Im Juni 1971 wurde dann kirchlich geheiratet, ein MUSS in der damaligen Zeit. Es war zwar niemand gläubig, aber sich eine solche Feier entgehen zu lassen, war unmöglich. Es war eine klassische Hochzeit. Polterabend mit jeder Menge Geschirr und alten Kloschüsseln zum zerdeppern, eine Band, die zum Tanz aufspielte, Bier vom Fass, Maibowle, Würstchen mit Kartoffelsalat usw. Es waren um die 300 Leute, und das Bier hatte so gerade gereicht. Der nächste Tag war dann kirchlich, Braut in Weiß, Bräutigam in Schwarz, alle anderen festlich gekleidet. Das Mittagessen kochten Frauen vom Kirchenchor. Es war wirklich ein tolles Fest und ich hatte die schönste Braut, die man in Bergheim je gesehen hatte.
Im Sommer 1973 kauften wir uns dann das erste Auto, einen apfelgrünen Renault R4, für 6.000,00 DM, bar bezahlt.
Mein Studierkollege erwies sich als nicht sehr zuverlässig, und wenn er ausfiel, war es eine Weltreise, mit Zug und Bahn nach Köln-Braunsfeld zu kommen. Romika machte den Führerschein und so konnten wir beide das Auto nutzen.
Da wir auf Mallorca so glücklich gewesen waren, wollten wir im Sommer 1973 erneut in Urlaub fahren. Wir hatten ja nun ein eigenes Auto. Jugoslawien existierte damals noch an einem Stück und über den ADAC buchten wir 3 Wochen in Crikvenica an der jugoslawischen Adriaküste/Kroatien. Bei den Jugos war es besonders preiswert, aber es war noch voll kommunistisch. Es gab Versorgungsmängel ohne Ende. Wenn es zur Vorspeise Hühnersuppe gab, dann war die aus den Hühnern gekocht, die es zum Hauptgang gab. Nannte sich dann „gegrillte Hähnchen“. Jeder, der mal gekocht hat, weiß, dass man aus einem ausgekochten Huhn kein Grillhähnchen mehr zaubern kann. Legte man dem Kellner nicht einen Dinarschein, entsprechend ca. 2 DM, unter die Serviette, bekam man kein Fleisch. Es musste in zwei Schichten gegessen werden, die sich täglich änderten, und in der zweiten Schicht war man froh, wenn überhaupt noch etwas zu Essen vorhanden war.
Es gab aber auch keine Restaurants im Ort, in denen man hätte essen gehen können. Wir entdeckten dann irgendwann eine kleine Bar. Dort gab es gefüllte Paprika! Aber auch nur gefüllte Paprika. Jeden Tag! Wenn der Wind vom Meer zum Land wehte, trieben die Abwässer an den Strand, und es stank erbärmlich. Zum Schwimmen war das Ganze ohnehin nicht geeignet. Daher der Spruch: Was man morgens auf der Toilette verabschiedet, trifft man mittags am Strand wieder.
Einziges Highlight waren die Plitwitzer Seen. Dort waren die Winnetou-Filme gedreht worden, und die Karstlandschaft war wunderbar und einzigartig. Auf der Fahrt dorthin kamen wir an einem großen Gasthaus vorbei. Dort drehten sich auf einem Spieß über Holzkohlenfeuer zwei Lämmer. Das war es, endlich mal Fleisch! Wir beide fuhren mit großer Vorfreude dort hin und setzten uns in das Restaurant. Auf der Karte: Gefüllte Paprika! Die Lämmer, so erklärte man uns, seien für eine Busgesellschaft, die am Nachmittag kommen würde. „NEIN“, man könne da auch nichts davon abschneiden.
Wir waren es satt. Es war auch nichts von der ausgelassenen Heiterkeit wie die der Spanier auf Mallorca zu spüren. Die Menschen liefen herum, als ging gerade die Welt unter. Alles war trist, grau und öde. Kommunismus, Versorgungsmängel, vom allerfeinsten. Also brachen wir unsere Zelte ab und fuhren nach 14 Tagen Richtung Österreich, Faaker See.
Auf dem Weg dorthin mussten wir durch Triest und dort haben wir erst einmal angehalten. Die Auslagen der italienischen Restaurants und Trattorias waren wie der Blick in eine andere Welt. Wir konnten uns gar nicht satt sehen und natürlich haben wir gespeist wie die Fürsten. Das Geld war uns egal, endlich mal lecker essen.
13. Kapitel
Über Udine fuhren wir nach Ledenitzen am Faaker See. Ich war 1969 mit Hans für 3 Wochen dort, und auch auf der Hinfahrt nach Jugoslawien haben wir hier übernachtet. Wir fuhren einfach zum Quartier der Hinfahrt, und wir konnten bleiben. Es war ein altes Mütterchen, das dort in einem einsamen Häuschen wohnte, bisschen so wie bei Hänsel und Gretel. Sie war die Oma von irgendeinem Kellner, den Hans und ich 1969 kennengelernt hatten. Dusche draußen, direkt unter einem kleinen Wasserfall. Schweinekalt, aber sehr erfrischend. Dickes Bett mit einem halben Meter hohen Plumeau. Aber Toilette und Frühstück gab es auch, und das für 8,00 DM pro Nacht.
Leider regnete es ununterbrochen, und es hörte auch nicht auf. Wandern, spazieren gehen, schwimmen: Unmöglich! Wir waren samstags angekommen und am Mittwoch regnete es immer noch. Abends waren wir in unserem „Stammlokal“ essen, und als der Essensbetrieb vorbei war, setzte sich der Kellner noch zu uns an den Tisch. Leider wurde er Romika gegenüber sehr zudringlich und ließ sich auch von mir nicht in die Schranken weisen. Romika gefiel die Situation offensichtlich sehr gut, genoss das Spiel um sie und beachtete mich nicht weiter.
Ich fuhr dann mit dem Auto zur Unterkunft und sehr spät am Abend tauchte sie dann auch auf. Ich war ziemlich sauer, und wir hatten unseren ersten großen Streit. Am nächsten Tag sind wir dann im strömenden Regen wieder nach Hause gefahren.
Später beschwerte ich mich beim ADAC über die Unterkunft und man schrieb mir, dass sei ja alles sehr traurig, aber im nächsten Jahr würde es besser. Mir war klar: Nie mehr Jugoslawien und nie mehr ADAC.
14. Kapitel
Zu Hause beruhigte sich alles wieder. Wir waren glücklich! Alle unsere Pläne gingen auf, und als ich 1974 mit der Ausbildung fertig war, fand