Wyatt Earp Paket 2 – Western. William Mark D.
denn? Ich denke, wir wollen essen?«
»Lassen Sie ihn jetzt in Ruhe«, erwiderte der Gambler. »Wenn Sie ihn besser kennen, werden Sie ihn verstehen.«
Plötzlich nahm der Tex die lange Virginia aus dem Mund. »He, ist es etwa wegen Broncy?«
Holliday nickte.
»Aber ich bitte Sie, Doc, der Kerl wollte ihn doch töten. Es war doch eine glatte Reflexbewegung von Wyatt. Und einwandfrei Notwehr! Ihr habt doch beide im Reflex und in Notwehr gehandelt…«
Der Gambler winkte ab.
»Darum geht es nicht. Er ist eben gegen – das Töten! Vor Jahren, als ich ihn kennenlernte, sagte er mir einmal: Es muß anders gehen. Und meistens kann man so schießen, daß man den Gegner nicht zu töten braucht.«
»Well, wie er schießt, kann er das auch. Ihr schießt ja beide einer Fliege auf zwanzig Yards ein Auge aus. Aber in diesem Fall war es doch ganz etwas anderes!«
»Schon. Aber es ändert nichts an der Tatsache, daß der Mann tot ist – und daß der Marshal das Töten haßt.«
Sie warteten geduldig, bis der Missourier sich erhob und zurückkam. Sein Gesicht war ernst und hart.
Doc Holliday zündete sich eine Zigarette an und bot Wyatt auch eine an.
Ganz in Gedanken nahm der sie an.
»Wie sind Sie eigentlich auf den Keller gekommen?« fragte Holliday, um ihn aus seinen düsteren Gedanken zu reißen.
»Das will ich Ihnen sagen, Doc. Als ich mit Luke drüben vor den Stallungen stand und zu dem Wagen kroch, sah ich eine sonderbare Furche im Boden. Eine Vertiefung im Hof, die wie eingesunken wirkte. Ich hatte das allerdings nicht besonders beachtet. Es fiel mir nur wieder ein, als ich neben der Tür stand und auf einmal glaubte, Steinmodergeruch in der Nase zu verspüren. Was konnte einen Rancher veranlassen, sich bei der Planung seines Hauses der fürchterlichen Mühe zu unterziehen, einen gemauerten Keller zu bauen? Um ihre Speisen im Sommer kühl zu halten, haben die Ranches die Kühlräume, die hinter der Küche halb in der Erde liegen. Das sind meist nur winzige Räume, da man sich hier im Westen die Ausschachtungsarbeiten nicht macht. Wozu hatte Croydon einen Keller? Daß wir ihn so verhältnismäßig schnell fanden, war allerdings reiner Zufall.«
Luke Short ging hinter den beiden her, hatte seine Hände tief in die Taschen geschoben und den Kopf gesenkt.
Er dachte über den seltsamen Mann aus Missouri nach, der so umsichtig und klug war, der so eisenhart sein konnte und doch ganz offensichtlich ein verdammt empfindliches Gemüt besaß.
Heavens, war das ein Schuß gewesen, mit dem er aus seiner Position heraus den vertrockneten Broncy abgefangen und Croydon noch am Feuern gehindert hatte!
Well, Doc Holliday hatte auch geschossen und getroffen.
Aber der feingliedrige Spieler schien ja überhaupt nur ein Bündel aus Reaktion und Schnelligkeit zu sein.
Der Texaner hob den Kopf und sah die beiden Männer an, die vor ihm her zwischen den Gärten hindurch auf die Gassenenge zugingen. Sie waren fast gleichgroß. Nur daß Wyatt viel breiter war als Doc Holliday. Und Wyatts hochhackige Stiefel waren staubgepudert.
Wie machte es der Georgier nur, daß er nie staubige Stiefel und schmutzige Kleider hatte. Er besaß offensichtlich ein unsichtbares Talent dafür, seinen Habit in peinlichster Sauberkeit zu halten.
Hochaufgerichtet und schweigend gingen die beiden jetzt vor ihm her.
Da kam aus einem der Häuser eine Frau auf die beiden zugestürzt.
Es war Joana Eggers.
»Mister Earp!«
Wyatt und Doc Holliday fingen sie auf, fast wäre sie im letzten Augenblick gestürzt.
Sie schluchzte haltlos in sich hinein.
»Wir bringen sie ins Haus«, sagte Wyatt.
*
Als die Frau auf ihrem Sofa saß und Doc Holliday sie mit Hilfe eines nassen Handtuches und einem Schluck Whisky wieder zu sich gebracht hatte, schlug sie die Augen auf.
»Mister Earp! Da sind – Sie ja! Ich – wie kommen Sie hierher? Ich darf doch nicht mit Ihnen sprechen…«
Eine furchtbare Ahnung sprang den Mann an, der so etwas wie den sechsten Sinn besaß.
»Wo ist Ihr Mann?«
Die Frau schluchzte wieder los.
»So beruhigen Sie sich doch, Madame.« Doc Holliday gab ihr noch einen Schluck Whisky und lehnte sie gegen die Sofalehne zurück. »Sie müssen ruhig sein, ganz ruhig. Wie sollen wir Ihnen sonst helfen.«
Wyatt beugte sich zu ihr nieder:
»Sie haben ihn geholt?«
»Nein, er ist erst gar nicht wieder nach Hause gekommen. Ich habe gestern einen Brief gefunden – vorn unter der Tür ist er in den Flur geschoben worden. O Gott! Es ist furchtbar! Die Kinder weinen oben. Ich habe ihnen gestern schon eine Lüge auftischen müssen. Aber heute – sie wollen sich nicht beruhigen lassen…«
»Wo ist der Brief?« fragte Wyatt.
»Ich glaube, ich habe ihn in meiner Erregung ins Feuer geworfen.«
»Wann?« forschte Holliday schnell.
»Gestern, gleich.«
»Sie glauben – aber vielleicht irren Sie sich auch und haben ihn sonstwohin geworfen, Madame?«
»Das kann sein. Ich weiß es nicht. Es ist alles so furchtbar.«
Wieder wurde sie von einem heftigen Weinkrampf geschüttelt.
»Mrs. Eggers«, suchte Holliday sie zu beruhigen, »fassen Sie sich doch. Wir müssen sofort wissen, was in dem Brief stand. Wie soll der Marshal Ihnen helfen können, wenn Sie hier sitzen und heulen?«
Die unglückliche Frau trocknete sich die Tränen vom Gesicht.
»Ich weiß ja, Sie haben recht. Also, da stand: Ihr Mann ist in der Gewalt der Prärie. Da ist er gut aufgehoben, wenn Sie schweigen. Wenn Sie aber reden, ist er verloren. Und Ihre Kinder werden wir auch holen! Ja, das ungefähr stand darin.«
Doc Holliday verließ das Zimmer und ging in die Küche. Ein paar Minuten später kam er mit dem Zettel zurück. »Sie hat ihn in den Kasten neben dem Ofen geworfen.«
Mit gerunzelter Stirn blickte Wyatt auf das zerknitterte Papier. Es war gewöhnliches Briefpapier, wie es die Menschen allenthalben im Westen benutzten. Aber ein Wort fesselte die Blicke des Gesetzesmannes. Das Wort Prärie. Es war falsch geschrieben. Und zwar so falsch geschrieben, wie er es schon irgendwo gelesen hatte…
*
In der City Hall hatten sich die Bürger zur Verhandlung gegen den alten Wilkins versammelt.
Als Wyatt Earp, gefolgt von Doc Holliday und dem Texaner, die breite Mainstreet überquerte und auf das Stadthaus zuhielt, war hinter ihm aus dem Yankee Saloon, einer schlauchdünnen Schenke, ein Mann gekommen.
Er war mittelgroß, hatte ein scharfes, schmales Gesicht und stechende Augen. Sein Anzug war neu und elegant. Die beiden Revolver, die vorn unter den Jackenaufschlägen hervorsahen, paßten nicht zu der ganzen Erscheinung.
Es war wenige Minuten vor sechs Uhr.
Tim Callaghan stand mit dem kleinen Tom vor der Poststation, der Bursche hatte die Pferde versorgt und blickte neugierig auf die Menschenmenge, die sich schräg gegenüber vor der City Hall drängte.
Sheriff Bride hatte sein Office verlassen und kam auf die Straße.
Da hatte der Blick des eleganten Fremden den Missourier erfaßt. Er zog die Brauen zusammen, daß sie nur noch einen einzigen Strich zu bilden schienen. Und plötzlich fuhr der Schrei von seinen Lippen:
»Earp!«
Der Marshal