Wyatt Earp Paket 2 – Western. William Mark D.
ich Ihre Schüsse. Bald darauf tauchten Männer auf dem Vorbau des Ranchhauses auf. Wir gerieten aneinander. Schließlich sagten mir Ihre Schüsse, daß sich da drinnen etwas tat.«
»So, ihr gerietet aneinander?« meinte der Tex grinsend.
Wyatt Earp rutschte aus dem Schacht zurück auf den Schrank, sprang auf den Boden und meinte:
»All right, Doc. Sie waren schneller!«
Er nahm Degorey am Arm und stützte ihn.
»Wie sieht’s aus, Doc?«
»Ich hatte erst mit dreien und dann noch einmal mit zweien zu tun. Aber die kamen alle hier aus dem Haus. Möglich, daß Croydon jetzt die Kerle aus dem Bunkhaus herhetzt!«
»Vorwärts«, sagte Wyatt Earp.
Der Gambler verlöschte die Fackel und ging voran.
»Wo sind denn die fünf?« zischelte der Texaner.
»Sie ruhen sich aus. Das heißt, einige sind getürmt…«
Sie stiegen die Wendeltreppe hinauf, und als Wyatt die Flurtür öffnen wollte, schlugen ihnen hämmernde Schüsse entgegen.
»Miserabel!« fauchte der Riese. »Jetzt stecken die Boys im Gang. Haben sie sich fein ausgedacht. Wir sitzen zwar nicht mehr im Mauseloch, aber doch noch fest.«
Da zündete Holliday die Fackel wieder an, riß die Tür auf und schleuderte den brennenden Pechstock weit in den Flur.
Wyatt Earp packte sofort den Tisch, der neben der Tür stand, und schob ihn hinaus.
Im nächsten Augenblick knieten die beiden hinter der dicken Holzplatte.
Und wieder hämmerten und bellten Schüsse durch das Haus.
Der Hüne lachte laut auf. »Raffiniert! Was, Jimmy? Der ganze Flur ist hell. Sie sehen alles und stecken selbst in Deckung. Ja, Boy, Köpfchen muß man haben. Und jetzt paß
auf. Jetzt kommt Onkel Luke aus Texas!«
Der Riese rannte los, riß den Vorhang vom Fenster, kam wieder zurück und stürmte erneut los. Zu Degoreys Entsetzen warf er sich wie eine Kugel durchs Fenster auf die Veranda.
Der Overlandmann hatte vor Entsetzen den Atem angehalten. Er konnte ja nicht wissen, daß der Kugelsprung durchs geschlossene Fenster zu den »Spezialitäten« des Texaners gehörte.
Scherben klirrten, Holzstücke barsten und splitterten, und draußen brüllten die Revolver des Riesen
auf.
Doc Holliday stieß den Marshal an.
»Er ist schon draußen.«
»Yeah, habe ich gehört.«
Die Cowboys hatten den Korridor geräumt. Als sie aber die Tür zum Hof aufrissen, peitschten ihnen Schüsse entgegen.
»He, Joe!« brüllte einer der Croydon-Leute!«
»Bist du verrückt? Du sollst auf die anderen feuern, nicht auf uns!«
Aber der kleine Joe Fint war schon ausgeschaltet. Der erste Schuß des Riesen hatte ihn aus der Sache herausgenommen.
»Ist Croydon noch bei euch?« rief der Marshal durch den Korridor.
Es herrschte einen Augenblick Stille, dann antwortete der Cowboy, der nach Joe Fint gerufen hatte:
»Nein.«
»Dann hört genau zu. Ihr sitzt in der Patsche. Aber ihr habt eine Chance! Verschwindet in Indianerlinie hinüber ins Bunkhaus!«
Wieder blieb es fast eine Minute still. Dann rief der vorherige Sprecher:
»Wir wissen überhaupt nicht, was los ist!«
»Eben, deshalb verschwindet ihr jetzt, sonst erfahrt ihr es in der Hölle!« rief der Spieler rauh zurück.
Die Cowboys machten sich langsam davon.
Luke Short hatte den Wortwechsel gehört und ließ sie passieren.
Wyatt kam ans Fenster.
»Kommen Sie, Luke. Wir verlassen das Haus auf der Rückseite.«
»Aber unsere Pferde?«
»Die holt Doc Holliday schon.«
Als der Gambler kam, hatte er sogar ein viertes Pferd. »Es langweilte sich im Corral«, meinte er, als er sich hinaufzog.
Wyatt Earp hob den Overlandmann in den Sattel des Schecken. Leider war Jimmy Degorey so schwach, daß der Marshal ihn stützen mußte.
Dann ging es nach Südosten davon.
*
Nach einer Meile hielt der Missourier an.
»Wir müssen ein paar Minuten anhalten. Degorey ist ziemlich down.«
Holliday kam heran, holte etwas aus der Satteltasche seines Schecken und hielt es dem völlig Erschöpften unter die Nase.
Degorey hob den Kopf. »Ah…!« Er holte tief und kräftig Luft.
»Was ist denn das wieder für ein Zauberzeug?« meinte der Texaner.
»Whisky«, entgegnete der Spieler kurz.
Luke Short feixte. »Hätte ich mir doch denken können. Der Doc schleift aber auch alles mit sich herum…«
*
Als sie nach Abilene kamen, war Degorey am Ende.
Wyatt brachte ihn sofort in die Poststation. Dann kümmerte sich Doc Holliday um ihn.
»Es ist nur Schwäche. Wahrscheinlich haben die Hunde ihn so eben am Rand des Verhungerns und Verdurstens entlangrutschen lassen.«
»Was mögen sie von ihm gewollt haben?« fragte der Tex. Holliday hatte die Frage richtig verstanden: Weshalb lebt er überhaupt noch? Weshalb hatten sie ihn nicht umgebracht?
Jonny Vancelar bekam vor Verblüffung den Mund nicht mehr zu.
»Mister Degorey! Sie leben! Heiliger Himmel! Ihre Frau – soll ich sie rufen?«
»Yeah«, entgegnete Wyatt, »aber noch nicht. Er muß erst etwas zu sich kommen.«
»Und er war tatsächlich auf der Croydon Ranch?« stotterte Vancelar. »Das ist doch…«
»Yeah«, stimmte ihm Luke Short zu, »das ist doch wohl das Letzte!«
Jimmy Degorey war befreit. Er war zwar ziemlich mitgenommen, hatte aber höchstwahrscheinlich keine größeren Schäden durch seine Gefangenschaft erlitten. Er behauptete steif und fest, nicht auf der Croydon Ranch gewesen zu sein, sondern irgendwo im Süden in einem Steinhaus, bei einem alten Mann, der einige Knechte bei sich hatte…
Damit ließ sich natürlich wenig anfangen. Croydon hatte es so eingerichtet, daß der Overlandmann ihn nie belasten konnte. Aber was hatte das Ganze für einen Sinn, was für ein Ziel verfolgte der brutale Gewaltmensch eigentlich?
Und wo war Bill Norton?
*
Genau um elf startete die Postkutsche. Wyatt Earp saß auf dem Kutschbock. Und seine beiden Gefährten saßen im Passagierraum. Es waren noch zwei weitere Männer zugestiegen. Gestalten, wie nur der Westen sie ausspucken konnte: Der eine hatte ein fahles hageres Gesicht, das von einem Stoppelbart noch in seiner Scheußlichkeit unterstrichen wurde. Das linke Auge war durch eine Wunde so verletzt worden, daß der Mann es nur noch einen Spaltbreit öffnen konnte. Er hatte einen aufgeworfenen brutalen Mund und dichte schwarze Brauen. Zu seinem mißfarbenen Hut trug er ein verwaschenes rotes Halstuch, ein altes schmutziges blaues Hemd und eine Cordjoppe. Tief rechts an seinem Oberschenkel baumelte ein achtunddreißiger Revolver. Er hatte noch etwas an sich, etwas, das den Marshal unwillkürlich an Lester Croydon erinnerte: er trug Wapitihandschuhe. Nur waren sie nicht mehr neu und gelb wie die des Viehzüchters, sondern alt und fast braun.
Der