Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg
Er lachte. »Du bist noch dasselbe kleine Schaf wie damals, Hanna. Der Doktortitel ist so unecht wie mein Name. Ich bekam die Papiere in Algier. Sie kosten nicht viel.«
»Arbeitest du wieder in einem Zoo?«
»Quatsch. Ich schlag mich auf meine Weise durch. Das Geld findet man überall, wenn man die Augen offenhält. So ein Doktortitel öffnet viele Türen.«
Hanna fand keine Antwort. Hundert Gedanken auf einmal kreisten in ihrem Hirn. Die Angst, dass ihr Mann etwas bemerken könnte, war die schlimmste Qual.
»Du bist mit dem Professor verheiratet, nicht wahr? Ich stehe mit dem Kapitän auf gutem Fuß. Er sagte mir, dass du jetzt Frau Martell heißt. Ein Witz, wenn man überlegt, dass wir zwei eigentlich noch rechtmäßig verheiratet sind.«
»Rechtmäßig nicht«, widersprach Hanna, indem sie allen Mut zusammenraffte. »Ich wollte mich von dir scheiden lassen. Aber das erübrigte sich dann.«
»Wie herzlos du bist«, spottete er. »Es klingt beinahe, als wärst du heilfroh gewesen, mich loszuwerden.«
»Den Tod habe ich dir ganz gewiss nicht gewünscht«, erwiderte Hanna wahrheitsgemäß. »Aber es war klar, dass unsere Wege sich trennen mussten.«
»Wenn man auf der Sonnenseite lebt, kann man leicht verurteilen, Hanna. Ich nehme mir nur, was mir vom Schicksal nicht von selbst in den Schoß fällt wie anderen Leuten.«
»Dann …, dann hat sich also nichts geändert?«, stammelte Hanna bestürzt, wobei sie eine ungute Ahnung beschlich.
»Geändert hat sich viel. Ich führe heute ein weit besseres Leben als damals mit dir. Verrückt, dass ich dich heiratete. Aber du warst ja so ehrpusselig und prüde. Da ich dich haben wollte, blieb mir nichts anderes übrig, als mit dir zum Standesamt zu marschieren.«
Es tat heute nicht mehr weh. Hanna hatte für ihren ersten Mann nichts als Verachtung übrig. Vor allem aber bedeutete er eine Gefahr für sie. Darüber gab es keinen Zweifel.
»Hast du etwa mit den Diebstählen an Bord etwas zu tun?«, fragte sie kaum hörbar.
Er kniff ein Auge zusammen. Es war eine typische Geste von ihm, an die sie sich noch gut erinnerte. »Dreimal darfst du raten. Ich werde dir nichts sagen.«
Hanna wünschte sich an einen weit entfernten Platz der Erde. Das Verhängnis war einfach zu groß. Wie sollte sie dies alles vor Klaus Martell geheimhalten? Sie war überzeugt, er würde sich von ihr und Antje lossagen, würde er erfahren, dass ihre erste Ehe noch bestand – die Ehe mit einem polizeilich gesuchten Kriminellen, der unter falschem Namen lebte und inzwischen gewiss viele weitere Straftaten begangen hatte.
»Ich könnte dich anzeigen«, drohte sie matt.
»Das tust du bestimmt nicht, Schätzchen. Wahrscheinlich wäre der Herr Professor wenig entzückt, wenn er erführe, was mit uns beiden los ist.«
»Er darf es unter keinen Umständen erfahren«, entfuhr es ihr. »Du musst mir versprechen, dass du ihn aus dem Spiel lässt. Ich habe ihm verschwiegen, unter welchen Umständen du nach Afrika gegangen bist. Seine Begriffe von Ehre und Moral sind sehr streng.«
»Wenn ich ein reicher Professor wäre, hätte ich auch strenge Ehrbegriffe«, spottete der sogenannte Dr. Bruck. »Na, wir sehen uns noch. Ich werde dir keine Schwierigkeiten machen, solange du mir nicht in die Quere kommst.«
Der Tanz war zu Ende. Hannas Partner besaß die Unverfrorenheit, sie zu Klaus Martell zu begleiten und sich vorzustellen. Ahnungslos wechselte der Professor ein paar höfliche Worte mit dem vermeintlichen Dr. Bruck.
»Er machte einen sympathischen Eindruck«, äußerte Klaus, nachdem Hanna sich müde neben ihm niedergelassen hatte. »Ein Bekannter vom Kapitän? Ich sah, dass er ihn bat, mit dir weiterzutanzen«
»Ich glaube, die beiden haben sich erst auf dieser Reise kennengelernt. Mir gefällt Dr. Bruck nicht sonderlich, wenn ich ehrlich sein soll.«
»Worüber habt ihr gesprochen? Die Unterhaltung war ziemlich intensiv, wie mir scheint.«
Wie genau er hingeschaut hatte!
»Ach, es war nichts Besonderes, Klaus. Der Doktor wollte Eindruck auf mich machen und behauptete, dass er schon an jedem Ort der Welt einmal gewesen sei. Ein Mann, der offenbar nichts zu tun hat und es sich leisten kann, ständig herumzureisen. Ich finde, dass man einen ordentlichen Beruf haben sollte, auch dann, wenn man nicht darauf angewiesen ist, sich sein Brot zu verdienen.«
»Das ist echt meine Hanna«, freute sich Klaus Martell. »Du hast recht. Ein ganzes Leben nur dem Müßiggang zu widmen, ist etwas recht Erbarmungswürdiges. Da kommen unsere Wolfsens. Schau, die kleine Frau Michaela kann schon wieder lachen.«
Man bestellte eine letzte Flasche.
Die Wolfsens brachten eine Nachricht mit, die sich herumgeflüstert hatte. Diesmal handelte es sich nur um Bargeld. Wieder musste sich jemand mit einem Schlüssel zu einer Kabine Zugang verschafft haben. Nichts war beschädigt worden. Der Passagier hatte die Geldscheine leichtsinnigerweise unverschlossen in einer Schublade verwahrt, wenn auch unter seiner Wäsche versteckt.
»Entweder hat sich jemand Nachschlüssel verschafft, oder es ist ein Angehöriger des Personals«, konstatierte Thomas Wolfsen. »Jetzt bleibt uns eigentlich nur die Hoffnung, dass der Dieb durch seine Erfolge leichtsinnig und dadurch ertappt wird. Ich habe mein Geld im Safe deponiert. Mir kann jetzt nichts mehr passieren. Allmählich komme ich mir vor, als spielten wir alle in einem Krimi mit.«
»Fragt sich, ob das ein Urlaubsvergnügen ist«, versetzte der Professor mit krauser Stirn.
»Sicher nicht«, erwiderte Thomas Wolfsen. »Aber ich weigere mich, mir meine Hochzeitsreise verderben zu lassen. Wir werden sofort nach unserer Rückkehr ein neues Armband bestellen und dafür sorgen, dass meine Schwiegermutter nichts erfährt. Seit wir diesen Beschluss gefasst haben, fühlt sich meine arme kleine Michaela schon wieder besser. Sie hat nämlich immer noch ein bisschen Angst vor ihrer Mama.«
Hanna trug kein einziges Wort zu dieser Unterhaltung bei. Sie atmete auf, als der letzte Schluck getrunken war und man sich trennte. Doch als sie dann mit Klaus allein in der Kabine war, wünschte sie, die beiden netten Wolfsens befänden sich noch bei ihnen. Sie war ratlos und tief verzweifelt. Mit niedergeschlagenen Blicken legte sie ihr Kleid ab und schlüpfte in das Nachthemd, das hübsch zusammengefaltet auf dem aufgeschlagenen Bett zurechtgelegt worden war.
Der Professor öffnete seinen Koffer und warf einen kurzen Blick hinein. »Na, unserer Kabine hat man glücklicherweise keinen Besuch abgestattet.«
»Nein.« Hanna lag mit geschlossenen Augen und sprach so leise, dass ihr Mann Mühe hatte, sie zu verstehen.
»War es dir zu anstrengend, Liebste? Als du mit dem Kapitän Charleston tanztest, wirktest du wie ein Teenager. Aber vielleicht war die Hopserei doch ein bisschen zu viel für dich.«
»Schon möglich, Klaus. Ich bin schrecklich müde.«
Er beeilte sich, seinerseits ins Bett zu kommen, und löschte das Licht. »Schlaf gut, Hanna. Die Geschichte mit dem Dieb regt dich doch hoffentlich nicht auf? Ich nehme an, es ist jetzt vorbei mit den Diebstählen. Denn nun wird auch der letzte Passagier seine wertvollen Besitztümer im Safe einschließen lassen.«
»Ich habe keine Angst, Klaus. Schlaf gut.«
»Danke, Liebste.« In der Dunkelheit zog er sie an sich und küsste sie.
Hanna kam sich vor, als wäre sie an den auf dem Schiff geschehenen Diebstählen mitschuldig. Ich kenne den Dieb und bin zum Schweigen verurteilt, weil Klaus mich verstoßen würde, dachte sie. Was sollte dann aus meiner kleinen Antje werden? Ich muss schweigen. Es ist die einzige Möglichkeit. Klaus darf nichts erfahren. Auch Antje soll niemals wissen, was für einen schlechten Vater sie hat.
Trotzdem wollte Hannas Gewissen sich nicht beschwichtigen lassen. Sie musste an Michaela Wolfsens und an die anderen Passagiere denken, denen Verluste entstanden waren. Zwar hieß es, dass eine