Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg
hätte.
»Wunderbar«, freute sich Thomas Wolfsen. »Da wir alle auf der Hochzeitsreise sind, müssen wir fest zusammenhalten.«
»Wenn Sie es oft genug sagen, fangen wir an, es zu glauben«, gab Hanna vergnügt zurück.
Beim Mittagessen sahen sie das junge Paar nicht. Dafür entdeckte Hanna an einem entfernten Tisch einen Mann, der ihr bekannt vorkam. Leider kehrte er ihr den Rücken zu. Im Laufe des Gesprächs mit Klaus vergaß sie dann den flüchtigen Eindruck wieder.
Den Nachmittag verbrachten Klaus und Hanna Martell mit einigen der beliebten Bordspiele. Auf die Buchung eines Landausflugs in Tanger, wo am nächsten angelegt werden sollte, verzichteten sie. Sie fanden, dass ein solcher Ausflug nur anstrengend sein würde. Schließlich wollten sie sich in erster Linie erholen.
Für den Festabend kleidete sich Hanna dann mit besonderer Sorgfalt an. Das fließende lange Kleid aus schwerer Seide saß wie angegossen und ließ sie wahrhaftig sehr jung erscheinen. Zu dem zarten Gelb sah der alte Granatschmuck, der von der Mutter ihres Mannes stammte, besonders prächtig aus. Die dunkelroten Steine leuchteten beinahe wie Rubine.
Klaus Martell trug einen weißen Smoking.
»Du wirst ein paar Herzen brechen, Klaus«, scherzte Hanna.
»Du meine Güte, ich bin ein alter Herr mit zweiundvierzig Lenzen auf dem Buckel. Bei dir ist das schon gefährlicher.«
»Ich bin dreißig, Klaus, wenn ich dich daran erinnern darf. Auch kein Teenager mehr.«
»Die schönsten Jahre einer Frau. Komm, wir wollen die Wolfsens nicht warten lassen. Dass sie uns für Flitterwöchner gehalten haben, macht mir wirklich Spaß.«
Sie trafen gleichzeitig mit dem anderen Paar ein. Der Tisch war wunschgemäß reserviert worden, und ein Steward beeilte sich, das erste Glas eisgekühlten Champagner zu servieren, das die Stimmung der Passagiere beflügeln sollte.
»Solch eine Reise müsste ewig dauern«, schwärmte Michaela Wolfsen.
»Das Schöne daran ist ja gerade, dass man so etwas nicht immer haben kann«, wandte Hanna ein. »Wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat, verliert gewiss sogar eine Kreuzfahrt an Reiz.«
»Wie weise Sie sind, Frau Martell. Darf ich auf Ihr Wohl trinken?«, sagte Thomas Wolfsen.
Hanna fühlte sich so glücklich wie noch nie zuvor. Sie lächelte ihrem Mann zu, der eben Michaelas Armband bewunderte.
»Ein Hochzeitsgeschenk, Prof. Martell«, berichtete die blutjunge Frau mit leuchtenden Augen. »Es ist sehr wertvoll. Meine Mutter wollte eigentlich nicht, dass ich es auf diese Reise mitnehme. Aber wozu hat man schönen Schmuck, wenn man ihn nicht trägt? Ich gebe schon darauf acht. Wenn das Armband bloß im Safe liegt, freut sich kein Mensch daran.«
Hanna betrachtete das kunstvoll gearbeitete Stück mit einiger Ehrfurcht. Es war mit großen Brillanten und herrlichen Saphiren besetzt und sicherlich ein Vermögen wert.
Die Band begann zu spielen. Allmählich füllte sich der Saal. Am überreich beladenen Büfett konnte man die köstlichsten Gerichte selbst auswählen.
»Wie im Schlaraffenland«, sagte Hanna begeistert. »Ich habe mir das alles nicht träumen lassen.«
Klaus Martell war glücklich über die unbefangene Freude seiner Frau. Er wusste, wie einfach und entbehrungsreich ihre Kindheit gewesen war. Eine entfernte, ältliche Verwandte hatte das verwaiste Kind bei sich aufgenommen. Es hatte an Geld gefehlt und die Tante hatte eine Stellung annehmen müssen, damit sie nicht beide verhungert waren. Hanna hatte im Haushalt helfen müssen und kaum Kontakt zu anderen Kindern gehabt. Die Tante hatte es auf ihre Art gut gemeint, doch sie hatte nicht gewusst, dass das Kind innerlich vereinsamt und tief unglücklich gewesen war.
Nach Beendigung der Schule war Hanna Krankenschwester geworden. Die Berufswahl hatte die Tante getroffen, weil das Mädchen auf diese Weise sofort Unterkunft, Verpflegung, Kleidung und sogar ein Taschengeld erhalten hatte. Noch ehe Hanna das Examen abgelegt hatte, war die Tante gestorben.
Im Krankenhaus hatte Hanna dann ihren ersten Mann kennengelernt, Antjes Vater. Doch das Glück war ihr nicht treu geblieben. Georg Pflug war gestorben, und Hanna war nichts anderes übriggeblieben, als in ihren Beruf zurückzukehren, obwohl das Kind dagewesen war, das sie notgedrungen in einem Säuglingsheim untergebracht hatte.
Die Begegnung mit ihm selbst hatte dann für sie die Schicksalswende gebracht. Doch auch er, bis dahin ein Einzelgänger, hatte erkannt, dass er sein Glück gefunden hatte.
»Wenn es dir nur Freude macht, Hanna«, antwortete er aus seinen Gedanken heraus. »Soll ich dir auch einmal einen so wertvollen Schmuck schenken, wie Frau Wolfsen ihn trägt?«
Hanna wurde vor Schreck ein bisschen blass. »Das wäre zu kostbar, Klaus. Ich hätte immer Angst, dass ich den Schmuck verlieren könnte.«
»Du musst mehr Selbstvertrauen haben, Hanna. Wenn wir zurück sind, werden wir uns in Frankfurt in den Juweliergeschäften umsehen. Der Granatschmuck ist zwar schön, aber ich sehe, dass die Damen Brillanten, Smaragde, Rubine und Saphire bevorzugen. Du sollst nicht zurückstehen.«
»Edelsteine sind etwas Herrliches, Klaus. Aber deine Liebe ist mir tausendmal wertvoller«, flüsterte Hanna ihm zu. »Komm, wir wollen wieder an unseren Tisch gehen. Sonst glauben die Wolfsens, dass wir über sie tuscheln.«
Heiter kehrten sie zu den neuen Freunden zurück, die nun ihrerseits aufbrachen, um sich am Büfett die Teller zu füllen. Hanna hatte inzwischen einen gewissen Blick für Schmuck bekommen und stellte fest, dass ihr Mann mit seiner Behauptung nicht unrecht hatte. Die Damen trugen tatsächlich durchweg wertvollen und ausnehmend schönen Schmuck. Trotzdem fand sie ihren eigenen Granatschmuck, der aus mehreren Teilen bestand, daneben nicht armselig.
Das Essen zog sich in die Länge. Man plauderte, trank eisgekühlten Wein und genoss den festlichen Abend, der alle Passagiere verzauberte und sie den Alltagssorgen entrückte.
Beim Tanz, der erst spät begann, erblickte Hanna dann jenen Mann, der ihr schon mittags aufgefallen war, zum zweiten Mal. Diesmal konnte sie sogar sein Gesicht erkennen. Doch es gelang ihr beim besten Willen nicht, sich daran zu erinnern, wer er sein könnte.
Erst in der Nacht, als sie neben ihrem Mann in der komfortablen Kabine ruhte, kam es wie ein jäher Schrecken über sie. Sie zuckte zusammen und hielt sogleich den Atem an, denn sie wollte nicht, dass ihr Mann etwas bemerkte. Doch sie brauchte sich nicht zu sorgen. Klaus Martell hatte reichlich von dem guten Wein getrunken und schlief ganz tief. Hanna aber lag wach und starrte in die Dunkelheit.
Kein Zweifel! Der Fremde hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit Georg Pflug, ihrem ersten Mann.
Es ist Unsinn, versuchte sie ihre Unruhe zu beschwichtigen. Georg trug weder einen Bart, noch hätte er jemals zu den Passagieren eines Luxusdampfers gehört. Außerdem lebte er ja nicht mehr.
Hanna faltete die Hände über ihrem wild schlagenden Herzen. Georg Pflug! Er war Patient in der Chirurgie gewesen. Ein Panther hatte ihn mit einem Prankenhieb gefährlich verletzt. Doch die Wunde hatte erstaunlich schnell geheilt. Denn Georg war kerngesund und sehr robust. Trotzdem hatte sich genügend Zeit gefunden, um zwischen dem Tierpfleger aus dem Zoo und der jungen, erst kürzlich examinierten Schwester eine Zuneigung entstehen zu lassen.
Wie selig war Hanna gewesen. Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie mit Liebe umgeben worden. Georg Pflug hatte stürmisch um sie geworben und ihr den Verlobungsring an dem Tage an den Finger gesteckt, an dem er aus dem Krankenhaus entlassen worden war. Schon zwei Wochen später hatten sie geheiratet. Georg Pflug hatte eine winzige Wohnung unweit des Zoos gehabt. Hanna hatte ihre Anstellung als Schwester aufgegeben und sich bemüht, aus der ziemlich verwahrlosten Behausung ihres Mannes ein kleines Schmuckstück zu machen.
Etwa einen Monat nach der Hochzeit war dann das bittere Erwachen gekommen. Ein Polizeibeamter in Zivil war in die Wohnung gekommen und hatte der entsetzten jungen Frau eröffnet, dass ihr Mann schon mehrfach vorbestraft sei und jetzt unter dem dringenden Verdacht stehe, den stadtbekannten Einbruch in