Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Sophienlust Paket 3 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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leider keine Zeit und Möglichkeit, Alexander«, gab Denise heiter zurück. »Es wäre mir gar nicht lieb, so ganz von Schoeneich und Sophienlust abgeschnitten zu sein, wie das bei einer Seereise nun mal der Fall ist.«

      »Vor allem Sophienlust, nicht wahr?«, neckte ihr Mann sie. »Den Kindern drüben im Heim gilt morgens dein erster Gedanke und abends dein letzter, ob du es nun zugeben willst oder nicht.«

      Denise ergriff die Rechte ihres Mannes. »Ich gebe mir Mühe, weder dich und meine eigene Familie noch das Kinderheim zu kurz kommen zu lassen, Alexander.«

      »Es war nur ein Scherz, Liebste. Ich weiß, dass ich keinen Grund zur Eifersucht habe. Außerdem bin ich selbst kaum weniger an den Ereignissen in Sophienlust interessiert und innerlich beteiligt als du.«

      »Wenn du mal sehr alt bist, Mutti, kannst du dich hier in Schoeneich mit Vati zur Ruhe setzen«, erklärte Nick gönnerhaft. »Dann übernehme ich Sophienlust, und Henrik bewirtschaftet Schoeneich. Vielleicht auch Sascha. Oder beide zusammen.«

      »Das hat noch gute Weile«, warf Alexander vergnügt ein. »Vorläufig ist unsere Mutti noch jung. Es ist ein Segen, dass sie dein Erbe so gut verwaltet, Nick. Wir müssen ihr dafür dankbar sein.«

      »Wir haben sowieso die beste Mutti der Welt«, ließ sich Henrik vernehmen. Er stand auf und schmiegte sich eng an Denise. Mit seinem vom Honig ein wenig klebrigen Mund küsste er seine Mutter herzhaft und schallend.

      »Dürfen wir nach Sophienlust?«, fragte Nick, der seine Mahlzeit nun beendet hatte. »Ich habe Pünktchen und Irmela versprochen, mit ihnen heute auszureiten, wenn gutes Wetter ist.«

      Selbstverständlich wurde den Brüdern diese Erlaubnis erteilt. Das Kinderheim, Nicks Erbe nach dem Vermächtnis seiner Urgroßmutter Sophie von Wellentin, übte stets eine besondere Anziehungskraft auf Nick und Henrik aus. Nick nahm regen Anteil an allem, was Sophienlust betraf. Dankbaren Herzens sah Denise, dass er in die ihm vom Schicksal bestimmte Aufgabe mehr und mehr hineinwuchs.

      Nach dem Willen von Nicks Urgroßmutter war aus dem früheren Herrenhaus des schönen Gutes eine Zufluchtsstätte für in Not geratene Kinder geworden. Aber auch Erwachsene fanden dort gelegentlich Aufnahme. Das vorhandene Vermögen erlaubte es auch, Bedürftige ohne Rücksicht auf deren finanzielle Verhältnisse aufzunehmen.

      Vom Fenster aus blickte das Ehepaar von Schoenecker den beiden Buben nach, die mit ihren Fahrrädern in Richtung Sophienlust entschwanden. Alexander schlang den Arm um Denise, küsste sie und sagte: »Mir kommt es vor, als hätten wir erst gestern geheiratet. Wenn ich mir unseren Henrik anschaue, will es mir einfach nicht in den Sinn, dass er inzwischen ein Schuljunge geworden ist.«

      »Nick war fünf, als Sophie von Wellentin starb und ihn als Universalerben einsetzte, Alexander. Wenn du rechnen kannst …«

      »Schau in den Spiegel, Denise. Du bist so schlank wie ein junges Mädchen, hast kein einziges graues Haar, und deine Augen haben nichts von ihrem wunderbaren Glanz verloren.« Er küsste sie noch einmal. »Ich liebe dich, Denise. Vielleicht sage ich es dir nicht oft genug. Mit dir ist die Freude am Dasein in mein Leben zurückgekehrt. Was du für meine großen Kinder getan hast, werde ich dir niemals vergessen.«

      »Es sind unsere Kinder, nicht anders als Nick und Henrik«, verbesserte Denise ihn flüsternd. »Ich mache da schon lange keinen Unterschied mehr. Zu danken habe ich dir, Alexander. Nick erblickt in dir den Vater. Ich weiß nicht, ob ich allein immer mit unserem lebhaften, eigenwilligen Filius fertig geworden wäre, der seinen leiblichen Vater nie gesehen hat.«

      »Danken wir gemeinsam dem Schicksal, das uns zusammengeführt hat, nachdem jeder von uns den geliebten Partner durch den Tod verloren hatte, Denise. Übrigens, um auf das Gespräch am Frühstückstisch zurückzukommen. Hat Nick mal wieder eine besondere Nase? Stimmt etwas nicht bei Prof. Martell und seiner Frau? Eine Mittelmerkreuzfahrt macht nicht unbedingt gleich die Heimunterbringung des Töchterchens erforderlich.«

      Denise lachte. »Frau Martell hat mir ausführlich geschrieben. Da sie keine Hausangestellte hat, wäre die kleine Antje darauf angewiesen in der Klinik ihres Mannes versorgt zu werden. Beide Eltern hielten eine solche Regelung nicht für gut. Da die Familie außerdem mit dem Schock, den die Fehlgeburt für alle bedeutete, noch nicht ganz fertig geworden ist, wünschte sich Frau Martell für Antje einen Milieuwechsel und eine fröhliche Kameradschaft mit anderen Kindern.«

      »Das klingt einleuchtend. Um ehrlich zu sein, ein Fall ohne Probleme ist mir weit lieber. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Kinder, die in Sophienlust Aufnahme finden, ihr Schicksal mitbringen. Wie sehr dich das immer wieder beansprucht, weiß niemand besser als ich. Die letzten Wochen waren friedvoll und ohne Stürme. Ich möchte, dass es so bleibt. Du verausgabst dich sonst zu stark.«

      »Dass du dich ständig um mich sorgst! Dabei hast du mir eben noch versichert, dass ich jung bin. Ich halte viel aus, wenn es sein muss, Alexander.«

      Er bot seiner Frau den Arm. Seite an Seite verließen sie das Gutshaus, um einen Gang durch den Park zu unternehmen.

      *

      Antje fand, dass das Herrenhaus von Sophienlust wie ein Schloss aussehe.

      »Dann gefällt es dir hoffentlich, Liebling«, sagte Hanna Martell.

      »Ich glaube schon«, erwiderte das Kind unbekümmert. »Schau, sie scheinen uns zu erwarten.«

      Der Wagen näherte sich dem Gutshaus, vor dem eine Gruppe von Kindern versammelt war und begeistert winkte und rief.

      »Willkommen in Sophienlust – herzlich willkommen!«

      Der Professor ließ das Auto ausrollen und zog die Bremse an. Zwei Jungen öffneten die Wagentüren zu beiden Seiten. Klaus und Hanna stiegen aus. Antje folgte ihnen ohne die geringste Verlegenheit.

      »Das nenne ich einen festlichen Empfang«, freute sich Klaus Martell.

      Der hochaufgeschossene Bub mit den dunklen Locken und den lebhaften dunklen Augen, der ihm beim Aussteigen behilflich gewesen war, nahm seine Hand und verbeugte sich. »Wir freuen uns, dass Sie da sind, Herr Prof. Martell. Ich bin Dominik von Wellentin-Schoenecker, und dies ist mein Bruder Henrik. Das Mädchen neben Ihrer Tochter ist Pünktchen, direkt hinter ihr steht Irmela …«

      »Halt, das kann ich mir sowieso nicht merken, Dominik. Wir möchten zu deiner Mutter, wenn es recht ist.«

      Nick nahm nun auch Hannas Rechte und verbeugte sich ein zweites Mal. Zuletzt schüttelte er Antje kameradschaftlich die Patschhand.

      »Mutti erwartet Sie im Biedermeierzimmer. Ich führe Sie zu ihr.«

      Die übrigen Kinder hielten sich im Hintergrund.

      »Wenn du magst, zeige ich dir dein Zimmer, Antje«, schlug Henrik vor. »Meine Mutti hat gesagt, dass wir vielleicht in dieselbe Klasse kommen.«

      Antje war sofort einverstanden. Hanna Martell konnte mit Beruhigung feststellen, dass ihre allzeit zu neuen Abenteuern bereite Tochter sich schon nach ein paar Minuten in Sophienlust wohlzufühlen schien.

      Nick geleitete die Gäste durch die schöne Eingangshalle des Hauses in das stilgerecht eingerichtete Biedermeierzimmer, das einst der Lieblingsaufenthalt seiner Urgroßmutter gewesen war. Denise hatte den Raum zum Gedenken an Sophie von Wellentin so gelassen, wie er zu deren Lebzeiten ausgesehen hatte. Hier pflegte sie Gäste zu empfangen, hier schrieb sie gelegentlich am Kirschbaumsekretär ihre Briefe, und hier hielt sie oft stumme Zwiesprache mit dem überaus lebensechten Ölgemälde, das die gütige alte Dame darstellte, die ihrem Urenkel Dominik alles hinterlassen hatte, was sie ihr eigen genannt hatte.

      »Wie hübsch!«, rief Hanna unwillkürlich aus, als sie das Zimmer betrat. »Man stellt sich ein Kinderheim ganz anders vor.«

      Denise ging ihr mit ausgestreckten Händen entgegen. »Wir konnten aus dem schönen alten Gutshaus nicht alles hinauswerfen, was sein eigentliches Wesen ausmachte. Unsere Kinder sind glücklich in dieser Umgebung. Selbstverständlich haben wir die Schlafzimmer modern ausgestattet und ausreichende sanitäre Einrichtungen installieren lassen. Ich heiße Sie herzlich willkommen,


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