Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg
hinausgeworfen?«
»Was faselst du nur immer von Peter?«
»Liebst du ihn denn nicht?«, fragte er und musterte sie mit gemischten Gefühlen.
»Lieben? Nein, Tonio, ich liebe Peter nicht. Peter hat doch nur Linda im Kopf.«
»Und wenn es anders wäre? Würdest du ihn dann lieben?«
»Tonio, ich möchte dir auf diese dumme Frage keine Antwort geben. An deiner Stelle würde ich jetzt kalt duschen. Inzwischen koche ich einen Kaffee für uns. Mein Gott, hier scheint ja eine wilde Horde gehaust zu haben«, stellte sie fest, als sie die Flasche und die Scherben auf dem Boden erblickte. »Es war höchste Zeit, dass ich gekommen bin.«
»Das meine ich auch.« Plötzlich grinste er von einem Ohr bis zum anderen. Wieder glich er einem Lausbuben, der etwas angestellt hatte und nun mit schuldbewusstem Gesicht auf die Strafe wartete. Er wollte Lucy an sich ziehen, aber sie stieß ihn lachend zurück. »Erst duschen. Danach sehen wir weiter.«
»Zu Befehl, mein Feldwebel!«, rief er und verschwand im Bad.
Während Lucy das Atelier ein wenig aufräumte und dann den Kaffee aufbrühte, hörte sie Tonio im Bad singen. Tief atmete sie auf. Wie gut, dass sie nicht nachtragend war, dass es ihr gegeben war, zu vergessen. Tonio gehörte ihr. Sie würde ihn auch nie mehr verlassen. Sobald wie möglich würde sie ihn zum Standesamt schleppen.
Bei diesem Gedanken lachte Lucy leise auf.
»Was amüsiert dich denn so?«, fragte Tonio. Er stand unter der Tür und beobachtete sie. Er hatte sich völlig umgezogen, trug nun lichtgraue Flanellhosen und einen weißen Sommerpulli. Sein Haar war noch feucht von der Dusche. Auch hatte er sich rasiert.
»Du willst wissen, worüber ich gelacht habe?«, fragte sie schelmisch.
»Du würdest erschrecken, wenn ich es dir sagen würde.« Ihr Lächeln vertiefte sich.
»Mich kann heute nichts mehr erschüttern, Lucy.«
»Auf deine Verantwortung sage ich es dir.«
»Nur los, mein Feldwebel.« Er grinste sie wieder an.
»Ich habe mir gerade vorgestellt, wie es sein würde, wenn ich dich zum Standesamt schleppte.«
Tonio schnitt eine Grimasse, als ob er in eine saure Zitrone gebissen hätte.
»Sehr ermutigend ist dein Gesicht nicht.« Lucy stellte gelassen die Tassen auf das Couchtischchen. »Hast du Hunger?«
»Auf dich, Lucy.«
»Das kommt vielleicht später.«
»Vielleicht?« Er wollte sie von hinten umfassen.
»Ja, vielleicht. Also, soll ich dir Sandwiches machen, vorausgesetzt, dass du noch etwas im Eisschrank hast?« Sanft schob sie seine Hände von ihren Hüften fort.
»Habe ich.« Seufzend ließ er von ihr ab. »Ich sehe schon, ich komme nicht darum herum, den Umweg über das Standesamt zu machen, wenn ich dich ganz für mich behalten will.« Er setzte sich und sah sie an. »Eigentlich muss eine Ehe mit dir recht lustig sein. Du bist meist fröhlich und nimmst alles so, wie es kommt. Stimmt das?«
»Es stimmt.« Lucy öffnete den Eisschrank. Dann machte sie Sandwiches zurecht. Denn auch sie hatte plötzlich Hunger.
»Dann mache ich dir offiziell einen Heiratsantrag, Lucy.«
»Den ich mit Freuden annehme.«
»Da habe ich Pech gehabt.« Wieder seufzte er laut auf. Dann aber wurde er ernst. »Lucy, ich liebe dich«, gestand er. »Glaub mir, ich habe versucht, Linda nicht im Stich zu lassen. Aber sie wollte nicht mehr bei mir bleiben.«
»Ich weiß das, Tonio. An deiner Stelle würde ich mir nicht mehr allzu große Gedanken über sie machen. Denn ich glaube, ihr Schicksal ist besiegelt.«
»Du sprichst in Rätseln, Lucy.« Er rührte den Zucker in der Kaffeetasse um.
»Wenn ich mich nicht täusche, sind Linda und Peter um diese Zeit auch beisammen.«
»Linda und Peter haben sich wieder ausgesöhnt?«
»Ich hoffe es. Morgen früh rufe ich gleich in Sophienlust an und frage Frau von Schoenecker danach.« Sie erzählte ihm nun alles Wissenswerte.
»Mir fällt ein Stein vom Herzen, Lucy. Eines tut mir nur leid, dass ich die Freundschaft der beiden verloren habe. Peter ist ein wundervoller Mensch.«
»Das ist er«, bestätigte sie aus tiefster Überzeugung. »Sag, Tonio, warum hat er dich damals verteidigt?«, fragte sie.
»Bitte, Lucy, muss ich das sagen?«
»Du musst nicht, Tonio, aber es interessiert mich brennend.«
Er erhob sich und zog hinter einem Stapel Bilder, die an der Wand lehnten, ein Gemälde hervor.
Überrascht sah sie ihn an. »Das ist ja ein echter Goya!«, rief sie. »Wie kommst du zu dem Bild? Zuletzt habe ich es in einer Londoner Ausstellung gesehen.«
»Dieses Bild bestimmt nicht, Lucy.«
»Soll das heißen, dass du es kopiert hast?«
»Ganz recht, Lucy.« Er blinzelte sie schuldbewusst an.
»Ich verstehe. Du hast der Versuchung nicht widerstehen können, es zu verkaufen – als echten Goya. Habe ich es erraten?«
»Das hast du, Lucy.«
»Mein Gott, Tonio, du bist ein Esel!«, rief sie. »Bald ist ein echter Bertoldi mehr wert als ein Goya.«
»Lucy, du bist eine wunderbare Frau.« In seinen Augen stand echte Bewunderung. »Jede andere Frau wäre entsetzt gewesen. Aber du erklärst, dass ich mehr kann als Goya.«
»So ist es, Tonio. Du bist in gewisser Weise ein Genie. Genies sind nun mal nicht mit dem Maßstab des alltäglichen Lebens zu messen. Trotzdem würde es mich kränken, wenn du noch einmal so etwas tun würdest.«
»Lucy, glaubst du das wirklich von mir?«
»Eigentlich nicht. So, nun iss erst einmal etwas. Auch ich tu mir nun keinen Zwang mehr an.« Sie setzte sich neben ihn auf die Couch. »Nach unserer Hochzeit fliegen wir nach Virginia«, sagte sie vergnügt. »Meine Eltern werden aus allen Wolken fallen, wenn ich sie vor die vollendete Tatsache stelle. Besonders meine Mutter, die mich vor dir gewarnt hat.«
»Wie konnte sie das? Sie kennt mich doch gar nicht.«
»Ich habe ihr viel von dir erzählt. Schließlich wollte ich dich schon damals heiraten, Tonio.« Sie schmiegte sich an ihn. Sie war plötzlich unverschämt glücklich.
»Lucy, ich liebe dich, ich liebe dich«, flüsterte er und zog sie an sich. Die Sandwiches wurden erst sehr viel später aufgegessen.
*
Nina schlug die Augen auf. Hell flutete die Sonne durch das offenstehende Fenster. Verwundert setzte sie sich auf. Dann stand sie schnell auf und lief ins Nebenzimmer. Aber Pünktchen war schon aufgestanden.
»Es ist ja schon zehn«, flüsterte Nina nach einem Blick auf die Uhr überrascht. Längst hätte sie in der Schule sein müssen.
Dann fiel ihr alles wieder ein. Sie war von Sophienlust fortgelaufen, und Vati hatte sie gefunden. Aber Mutti war nicht dabeigewesen.
»Mutti! Mutti!«, rief sie plötzlich. Im Schlafanzug stürmte sie aus dem Zimmer und lief dem Hausmädchen Ulla in die Arme. »Ulla, ist Mutti noch da?«, fragte sie aufgeregt.
»Ja, Nina, deine Mutti ist noch da. Auch dein Vater ist hiergeblieben.«
»Oh«, staunte das Kind. »Dann hat er doch Zeit für uns.«
»Ja, Nina. Zieh dich erst einmal an. Ich sage inzwischen deiner Mutti Bescheid, dass du aufgewacht bist.«
»Vielen Dank, Ulla. Sind denn die anderen Kinder