Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg
Sophienlust loszueisen.
Andrea wurde rot. »Du schwindelst, Hans-Joachim.«
Das junge Ehepaar tauschte verliebte Blicke. Es war unschwer zu erraten, dass die bezaubernde Andrea ihrem Hans-Joachim nur zu gern in die Ehe gefolgt war.
Denise fragte nach Peterle, dem Nachwuchs der Familie. Die stolzen Eltern überboten sich in begeisterten Schilderungen über die unglaublichen Fortschritte des Kronprinzen. Man war sich darüber einig, dass Andrea’s Erstgeborener ein absolutes Wunderkind sei.
Hanna wurde ein wenig traurig. Der Verlust, den sie erlitten hatte, kam ihr wieder zum Bewusstsein. Wie hatten sie und ihr Mann sich auf das Baby gefreut.
Die feinfühlige Denise merkte, dass Antjes Mutter schwermütigen Gedanken nachhing, und lenkte rasch auf andere Themen über.
Gegen sechs Uhr erfolgte der allgemeine Aufbruch. Andrea musste zurück, um ihr Baby für die Nacht zu versorgen. Sie hatte Peterle in der Obhut ihres zuverlässigen Hausmädchens zurückgelassen. Sein Fläschchen aber sollte der Kleine von der Mutter erhalten.
Klaus Martell und Hanna mussten ebenfalls nach Hause. Sie wollten jedoch zuvor noch kurz nach Sophienlust, um sich von Antje zu verabschieden. Bereits am übernächsten Tag sollten sie in Genua an Bord des Schiffes gehen.
Hanna Martell verabschiedete sich mit ernstem, blassem Gesicht von Denise und Alexander von Schoenecker.
»Fällt ihr die Trennung von dem Kind so schwer?«, fragte Alexander, nachdem der Wagen des Professors abgefahren war.
Denise hob die Schultern. »Ich weiß nicht recht. Eher würde ich meinen, dass sie einen heimlichen Kummer mit sich herumträgt. Vielleicht ist es aber nur die Folge der Fehlgeburt. Hoffen wir, dass sie sich gut erholt und mit klaren, frohen Augen zurückkehrt, Alexander.«
»Der Professor liebt seine Frau«, setzte ihr Mann seine Betrachtungen fort. »Die Ehe ist in Ordnung, soweit man das beurteilen kann. Insofern hat unser lieber Nick mal wieder ein bisschen zu viel Fantasie investiert.«
»Du hast dich ausführlich mit Herrn Martell unterhalten. Ich hatte dazu nicht viel Gelegenheit. Er ist dir sympathisch?«
»Ja, durchaus. Sicher ist er ein ausgezeichneter Mediziner. Allerdings hat er einen etwas übertriebenen Ehrbegriff. Als ich zufällig erwähnte, dass dir die Herkunft der Sophienluster Kinder grundsätzlich gleichgültig sei, fand er das unverständlich. Er fragte sogar, ob zurzeit Kinder im Heim seien, die aus schlechten oder undurchsichtigen Verhältnissen stammen.«
»Meine Güte! Was soll denn das heißen?«, rief Denise leicht amüsiert aus. »Gerade solche Kinder brauchen Geborgenheit und Liebe.«
»Er meinte wohl nicht unbedingt asoziale Eltern. Ihm ging es darum, dass die Väter und Mütter nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten sein sollten. Nun, auch dafür kann man kaum die Hand ins Feuer legen. Trotzdem konnte ich ihm mit gutem Gewissen versichern, dass wir unsere Kinder nicht gerade aus den Gefängnissen holen. Das schien ihn zu beruhigen. Erstaunlich, dass ein moderner Mann, der durch seinen Arztberuf mitten im Leben stehen sollte, so starre Begriffe von Moral und Ehre hat.«
»Zu verurteilen ist er deshalb nicht. Allerdings besteht bei seinen Ansichten die Gefahr, dass er allzu schnell bereit ist, den Stab über andere zu brechen, wenn sie seinen hohen Anforderungen nicht genügen.«
»Da hast du wohl recht. Er verachtet die Leute, die sich etwas zuschulden kommen lassen. Er behauptet ja auch, dass an jeder Klatscherei und üblen Nachrede ein Körnchen Wahrheit sei.«
Denise schlug die Hände zusammen. »Ich halte den Professor für ein kleines bisschen überspannt. Möglich, dass ihm eines Tages eine Lehre erteilt wird. Menschen, die gar so sehr auf Ehre und Wahrhaftigkeit pochen, erleiden im allgemeinen irgendwann Schiffbruch.«
»Das wollen wir den Martells nicht gerade auf ihrer Kreuzfahrt wünschen«, scherzte Alexander »Da kommen die Jungen.«
Nick und Henrik stellten ihre Räder ein und stürmten ins Haus. Sie berichteten, dass Antje unter Nicks Anleitung ihren ersten Reitversuch unternommen und sich dabei sehr geschickt angestellt habe.
»Hat es einen Abschied mit Tränen gegeben, als ihre Eltern wegfuhren?«, erkundigte sich Denise.
Nick schüttelte den Kopf. »Antje hat ihnen nachgerufen, sie können so lange verreisen, wie sie wollten. Ist doch klar, dass es ihr in Sophienlust gefällt.«
»Wo sie sogar in meine Klasse kommt«, fügte Henrik hinzu.
Seine Eltern lachten.
»An Minderwertigkeitskomplexen leidet unser Henrik nicht«, stellte Alexander fest und fuhr seinem Jüngsten über das stets wuschelige Haar.
»Was ist das? Eine Krankheit?«, fragte Henrik misstrauisch.
»So etwas Ähnliches«, ließ sich Nick vernehmen. »Es ist das Gegenteil von Größenwahn.«
»Du spinnst«, beschwerte sich Henrik und wollte auf seinen großen Bruder losgehen.
Nick hielt Henriks geballte Fäuste fest. »Reg dich nicht auf, Kleiner. Du bist schon in Ordnung. Antje freut sich nämlich wirklich, dass sie in deine Klasse kommt.«
Da war der streitlustige Bub schon wieder versöhnt und erkundigte sich, was es zum Abendessen gebe.
*
»Ich glaube, ich finde mich nie auf diesem Schiff zurecht, Klaus. Vorhin musste mir ein Steward den Weg zum Schwimmbad zeigen. Ich hatte schon Angst, dass du dich sorgen würdest.«
Klaus Martell lag in der Sonne und lachte seiner Frau entgegen. Seine Haut war bereits dunkel gebräunt. Auch Hanna, die sich eben ihren Badeanzug geholt hatte, wirkte frisch und hatte gesunde Farbe bekommen. Das Wetter meinte es so gut, wie der Prospekt versprochen hatte.
Hanna ließ sich an der Seite ihres Mannes nieder. »Du verwöhnst mich wie eine Fürstin, Klaus. Ich hätte nie geglaubt, dass eine Schiffsreise so luxuriös ist. Heute Abend ist wieder eine Festveranstaltung. Ein Glück, dass du mich noch zum Kauf der beiden neuen Gesellschaftskleider überredet hast. Ich hatte mir eingebildet, dass ich sie gar nicht brauchen würde.«
»Macht es dir wenigstens Spaß?« Klaus strich seiner Frau zärtlich über den Oberarm. »Ich muss gestehen, dass ich jede Minute dieser Seereise genieße. Schon die absolute Gewissheit, dass ich telefonisch für die Klinik nicht erreichbar bin, macht mich glücklich.«
»Du brauchst dir ja auch keine Sorgen zu machen. Dein Vertreter ist zuverlässig, und Schwester Inge sorgt dafür, dass alles wie am Schnürchen funktioniert.«
»Ja, Hanna. Ich habe in den letzten Jahren nie richtig ausgespannt. Das merkt man erst, wenn man mal zur Ruhe kommt. Wollen wir schwimmen?«
Hanna war sofort einverstanden. Klaus Martell und seine Frau fühlten sich unbeschwert und jung. Sie tobten im Schwimmbecken herum wie Schulkinder, veranstalteten ein Wettschwimmen und lachten so herzlich, dass man sie für ein Paar auf der Hochzeitsreise hätte halten können.
Tatsächlich bildete sich auch bei einigen Mitreisenden diese Überzeugung. Das Ehepaar Thomas und Michaela Wolfsen aus Lüneburg, vor genau einer Woche getraut, nahm es mit Bestimmtheit an. Nachdem Klaus und Hanna sich abgetrocknet hatten und wieder faul und zufrieden in der Sonne schmorten, lagen die Wolfsens neben ihnen.
Michaela blinzelte Hanna wie einer Verschworenen zu.
»Wann haben Sie geheiratet, Frau Martell?«, fragte sie.
Hanna war verblüfft. »Vor mehr als sieben Jahren. Warum wollen Sie das unbedingt wissen?«
Die Wolfsens lachten laut. »Wir dachten, Sie kämen gerade vom Standesamt, wie wir.«
»Nehmen Sie sich ein Beispiel an uns«, mischte sich Klaus Martell in bester Laune ein. »Wir sind nach sieben Jahren noch so verliebt wie in den Flitterwochen. Viel Glück übrigens.«
Nachdem das Gespräch einmal in Gang gekommen war, plauderte man weiter miteinander, bis es Zeit wurde, sich zum Lunch