H. G. Wells – Gesammelte Werke. Herbert George Wells

H. G. Wells – Gesammelte Werke - Herbert George Wells


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da tra­ten die trei­ben­den Wol­ken des schwar­zen Rau­ches da­zwi­schen, und vom »Thun­der Child« konn­te nichts mehr ge­se­hen wer­den; auch der drit­te Mars­mann war ver­schwun­den. Aber die Pan­zer­schif­fe, die see­wärts la­ger­ten, wa­ren jetzt ganz nahe und stan­den ge­gen die Küs­te zu­ge­kehrt hin­ter dem Dampf­boot.

      Das klei­ne Fahr­zeug fuhr fort, sich sei­nen Weg see­wärts zu er­kämp­fen; die Pan­zer­schif­fe tra­ten lang­sam ge­gen die Küs­te zu­rück, die noch im­mer von der ge­fleck­ten Rauch­wand, halb Dampf, halb schwar­zem Gas, in den aben­teu­er­lichs­ten Ge­stal­ten auf- und nie­der­wal­lend, ein­gehüllt war. Die Flot­te der Flücht­lin­ge zer­streu­te sich nach Nord­os­ten; ei­ni­ge Fi­scher­bar­ken se­gel­ten zwi­schen den Pan­zer­schif­fen und dem Dampf­boot. Nach ei­ni­ger Zeit, be­vor sie den sin­ken­den Wol­ken­zug er­reich­ten, wand­ten sich die Kriegs­schif­fe nach Nor­den und mit ei­ner un­ver­mu­te­ten Schwen­kung ver­schwan­den sie in süd­li­cher Rich­tung, in dem sich im­mer mehr ver­dich­ten­den Abend­ne­bel. Die Küs­te ver­blass­te und ver­schwand end­lich völ­lig in den lan­gen Wol­ken­zü­gen, die sich um die sin­ken­de Son­ne la­ger­ten.

      Plötz­lich scholl aus dem gol­de­nen Ne­bel­schlei­er des Son­nen­un­ter­gangs das Ge­tö­se von Ge­schüt­zen; und schwar­ze Schat­ten tauch­ten auf und nie­der. Al­les stürz­te wie­der an das Ge­län­der des Damp­fers und späh­te nach dem blen­den­den Feu­er­herd des Wes­tens; aber es konn­te nichts deut­lich un­ter­schie­den wer­den. Eine Men­ge dich­ten Rau­ches stieg schräg auf und ver­barg das Ant­litz der Son­ne. Das Dampf­boot keuch­te sei­nen Weg wei­ter; und ban­ge Er­war­tung las­te­te auf al­len.

      Die Son­ne ver­sank in graue Wol­ken; der Him­mel zuck­te auf und ver­fins­ter­te sich wie­der, und oben zit­ter­te der Abends­tern. Es war schon dunkles Zwie­licht, als der Ka­pi­tän auf­schrie und nach auf­wärts deu­te­te. Mein Bru­der streng­te sei­ne Au­gen an. Aus dem Grau fuhr et­was hoch auf in die Luft, zuck­te in rei­ßen­der Schnel­lig­keit schief hin­über zu dem glän­zen­den Licht über den Wol­ken des west­li­chen Him­mels, ein fla­cher, brei­ter und sehr großer Kör­per; er ras­te in ei­ner un­ge­heu­ren krum­men Li­nie wei­ter, wur­de klei­ner, sank dann lang­sam und ver­schwand end­lich in dem grau­en Ge­heim­nis der Nacht. Und wäh­rend er so hin­flog, er­goss sich die Fins­ter­nis über das Land.

      En­de des ers­ten Bu­ches

      1 Wört­lich »Don­ner­kind«. Name ei­nes eng­li­schen Kriegs­schif­fes <<<

      2 Big Ben <<<

      3 Land­spit­ze in Es­sex <<<

      4 Seeun­ge­heu­er <<<

Zweites Buch – Das Land unter den Marsleuten

      I. Unterwegs

      Im ers­ten Buch schweif­te ich so weit von mei­nen ei­ge­nen Aben­teu­ern ab, um die Er­leb­nis­se mei­nes Bru­ders zu be­rich­ten; wäh­rend der Er­eig­nis­se der letz­ten bei­den Ab­schnit­te hiel­ten ich und der Ku­rat uns auf der Lau­er, in dem lee­ren Haus in Hal­li­ford ver­steckt, in das wir uns flüch­te­ten, um dem schwar­zen Rauch zu ent­rin­nen. Hier will ich den Fa­den der Er­zäh­lung wie­der auf­neh­men. Wir blie­ben wäh­rend der gan­zen Nacht des Sonn­tags und den gan­zen nächs­ten Tag — dem Tag der Lon­do­ner Pa­nik — in dem Haus, dem ein­zi­gen Ei­land voll Ta­ges­licht, durch den schwar­zen Rauch von der üb­ri­gen Welt ab­ge­schnit­ten. Wir konn­ten wäh­rend die­ser zwei trost­lo­sen Tage nichts tun, als in schmerz­li­cher Un­tä­tig­keit war­ten.

      Mein Ge­müt war von Sor­gen um mei­ne Frau er­füllt. Ich mal­te mir aus, wie sie voll Angst und in Ge­fahr in Lea­ther­head weil­te und mich be­reits als einen To­ten be­klag­te. Ich schritt in den Zim­mern auf und nie­der und wein­te laut bei dem Ge­dan­ken, durch wel­che Ab­grün­de ich von ihr ge­trennt war, wenn ich mir vor­stell­te, was ihr al­les wäh­rend mei­ner Ab­we­sen­heit zu­sto­ßen konn­te. Ich wuss­te, mein Vet­ter wür­de je­der ihr dro­hen­den Ge­fahr mu­tig ent­ge­gen­tre­ten, aber er ge­hör­te nicht zu je­ner Gat­tung von Män­nern, wel­che rasch eine Ge­fahr be­grei­fen und sich recht­zei­tig ge­gen sie schüt­zen. Was jetzt not­tat, war nicht Tap­fer­keit, son­dern Um­sicht. Mein ein­zi­ger Trost war die Ver­mu­tung, dass die Mars­leu­te ge­gen Lon­don vor­rück­ten, also fort von Lea­ther­head. Sol­che un­be­stimm­te Angst­ge­füh­le ma­chen die Ge­müts­ver­fas­sung ei­nes Men­schen reiz­bar und lei­dend. Bei den un­aus­ge­setz­ten Kla­ge­ru­fen des Ku­ra­ten wur­de ich är­ger­lich und ge­reizt, und der An­blick sei­ner selbst­süch­ti­gen Verzweif­lung er­mü­de­te mich. Nach ei­ni­gen wir­kungs­lo­sen Vor­stel­lun­gen hielt ich mich ab­seits von ihm, und zog mich in ein Zim­mer zu­rück, das Glo­ben, Schul­bü­cher und Hef­te ent­hielt, also of­fen­bar ein Klas­sen­zim­mer von Kin­dern war. Als er schließ­lich mir auch da­hin folg­te, floh ich in ein Kof­fer­zim­mer auf dem Bo­den des Hau­ses, in dem ich mich ein­schloss, um mit mei­nem na­gen­den Kum­mer al­lein zu sein.

      Wir wa­ren durch den schwar­zen Rauch den gan­zen Tag und den Mor­gen des nächs­ten hoff­nungs­los ein­ge­sperrt. Am Sonn­tag­abend wa­ren An­zei­chen wahr­zu­neh­men, dass im Nach­bar­haus noch Leu­te wa­ren — ein Ge­sicht am Fens­ter, hin- und her­fla­ckern­de Lich­ter, und spä­ter das Zu­schla­gen ei­ner Tür. Aber ich weiß nicht, wer die­se Leu­te wa­ren, noch was aus ih­nen wur­de. Am nächs­ten Tag er­blick­ten wir kei­ne Spur mehr von ih­nen. Der schwar­ze Rauch trieb lang­sam dem Fluss zu, den gan­zen Mon­tag­mor­gen hin­durch; er kroch nä­her und nä­her an uns her­an und wälz­te sich end­lich die Land­stra­ße ent­lang, au­ßer­halb des Hau­ses, das uns ver­barg.

      Ein Mars­mann kam ge­gen Mit­tag über die Fel­der ge­fah­ren, und ver­nich­te­te den Rauch durch einen Strahl über­hitz­ten Damp­fes, der ge­gen die Mau­ern zisch­te, alle Fens­ter, die er traf, zer­schmet­ter­te, und die Hand des Ku­ra­ten ver­brüh­te, als er sich aus dem Stra­ßen­zim­mer flüch­te­te. Als wir uns end­lich durch die durch­näss­ten Zim­mer schli­chen und hin­aus­blick­ten, sah das ge­gen Nor­den zu ge­le­ge­ne Land aus, als wäre ein schwar­zer Schnee­sturm dar­über hin­ge­braust. Und als wir ge­gen den Fluss hin­blick­ten, wa­ren wir nicht we­nig er­staunt, wie dort eine un­er­klär­li­che Röte sich mit dem Schwarz der ver­seng­ten Wie­sen ver­meng­te.

      Eine Zeit lang er­fass­ten wir nicht, ob die­se Ver­än­de­rung un­se­re Lage güns­ti­ger ge­stal­ten wür­de, wir sa­hen nur, dass wir von un­se­rer Furcht vor dem schwar­zen Rauch er­löst wa­ren. Aber spä­ter be­griff ich, dass wir nicht mehr auf­ge­hal­ten sei­en, und dass wir un­sern Weg wei­ter ver­fol­gen könn­ten. So­bald ich mir klar wur­de, dass der Weg zur Flucht of­fen stand, kehr­te mei­ne Fä­hig­keit, zu han­deln, wie­der zu­rück. Aber der Ku­rat war wie in ei­ner Er­star­rung und kei­nen Ver­nunfts­grün­den zu­gäng­lich.

      »Wir sind hier ja si­cher«, rief er un­auf­hör­lich, »ganz si­cher.«

      Ich be­schloss, ihn zu las­sen, wo er war. Hät­te ich es nur ge­tan! Durch die Leh­ren des Ar­til­le­ris­ten klü­ger ge­macht, such­te ich jetzt nach Spei­se und Trank. Ich hat­te Öl und Lin­nen für mei­ne Brand­wun­den ge­fun­den; auch nahm ich einen Hut und ein


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