H. G. Wells – Gesammelte Werke. Herbert George Wells

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schi­en mit sich selbst zu spre­chen. Dann hör­te man den Lehn­stuhl kra­chen, als er sich wie­der nie­der­ließ.

      2. Kapitel – Mr. Teddy Henfreys erste Eindrücke

      Um 4 Uhr – es war schon ziem­lich dun­kel, und Mrs. Hall nahm eben ih­ren Mut zu­sam­men, um ins Gast­zim­mer zu ge­hen und den Frem­den zu fra­gen, ob er Tee wün­sche – kam Ted­dy Hen­frey, der Uhr­ma­cher, ins Wirts­haus.

      »Bei Gott, Mrs. Hall«, sag­te er, »ein bö­ses Wet­ter für dün­ne Stie­felsoh­len!«

      Der Schnee fiel drau­ßen im­mer dich­ter.

      Mrs. Hall war der­sel­ben An­sicht und be­merk­te dann, dass er sei­nen Werk­zeug­kas­ten bei sich hat­te. »Da Sie ein­mal da sind, Mr. Hen­frey«, mein­te sie, »wäre es mir lieb, wenn Sie sich die alte Uhr im Gast­zim­mer ein we­nig an­se­hen woll­ten. Sie geht zwar gut und schlägt auch laut und rich­tig, aber der Stun­den­zei­ger zeigt im­mer auf sechs.«

      Und sie ging vor­an zur Gast­zim­mer­tür, poch­te und trat ein.

      Als sie die Tür öff­ne­te, sah sie ih­ren Gast im Lehn­stuhl vor dem Feu­er sit­zen; den ver­bun­de­nen Kopf zur Sei­te ge­neigt, schi­en er zu schlum­mern. Das Licht im Zim­mer ging von der ro­ten Glut des Feu­ers aus. Al­les er­schi­en ihr röt­lich, schat­ten­haft und un­deut­lich, be­son­ders da sie kurz vor­her die Lam­pe in der Schank­stu­be an­ge­zün­det hat­te und ihre Au­gen noch ge­blen­det wa­ren. Aber eine Se­kun­de lang schi­en es ihr, als ob der Mann, den sie vor sich sah, einen un­ge­heu­ren, weit ge­öff­ne­ten Mund habe, einen un­glaub­lich großen Mund, der den gan­zen un­te­ren Teil sei­nes Ge­sichts weg­nahm. Es war der Ein­druck ei­nes Au­gen­blicks: der weiß­ver­bun­de­ne Kopf, die rie­si­ge Schutz­bril­le und die­se un­ge­heu­re, gäh­nen­de Lee­re dar­un­ter. Dann mach­te er eine Be­we­gung, fuhr von sei­nem Stuhl auf und hob die Hand em­por. Sie riss die Tür weit auf, so­dass das Licht von au­ßen ins Zim­mer drang und dann sah sie ihn deut­lich, mit dem Hals­tuch vor dem Ge­sicht, ge­ra­de wie er vor­her die Ser­vi­et­te ge­hal­ten hat­te. Sie dach­te, die Schat­ten müss­ten ihr Spiel mit ihr ge­trie­ben ha­ben.

      »Wäre es Ih­nen un­an­ge­nehm, mein Herr, wenn der Mann hier die Uhr an­se­hen wür­de?«, frag­te sie, sich von ih­rer au­gen­blick­li­chen Ver­wir­rung er­ho­lend.

      »Die Uhr an­se­hen?«, wie­der­hol­te er, ver­schla­fen um sich bli­ckend, hin­ter der Hand her­vor. Dann wur­de er vollends wach und sag­te: »Mei­net­hal­ben!«

      Mrs. Hall hol­te die Lam­pe und er stand auf und reck­te sich. Dann kam das Licht, Mr. Ted­dy Hen­frey trat ein und stand der ver­mumm­ten Ge­stalt ge­gen­über. Er war, wie er spä­ter sag­te, ganz be­trof­fen.

      »Gu­ten Abend!«, sag­te der Frem­de, in­dem er Mr. Hen­frey, wie die­ser in An­spie­lung auf die un­ge­heu­ren Bril­lenglä­ser an­gibt, »wie ein Hum­mer« anglotz­te.

      »Ich hof­fe, ich stö­re nicht«, sag­te Mr. Hen­frey.

      »Durchaus nicht«, ver­setz­te der Frem­de. »Ob­gleich ich an­neh­me«, fuhr er zu Mrs. Hall ge­wen­det fort, »dass die­ses Zim­mer aus­schließ­lich für mei­nen Pri­vat­ge­brauch be­stimmt ist.«

      »Ich dach­te, mein Herr«, ent­geg­ne­te Mrs. Hall, »es wür­de Ih­nen lie­ber sein, wenn die Uhr –«

      »Ge­wiss«, sag­te der Frem­de, »ganz ge­wiss. In der Re­gel zie­he ich es aber vor, al­lein und un­ge­stört zu sein.«

      Er lehn­te sich an den Ka­min und leg­te die Hän­de auf den Rücken. »Und dann, wenn die Uhr in Ord­nung ist, hät­te ich gern eine Tas­se Tee. Aber nicht frü­her.«

      Mrs. Hall woll­te hier­auf das Zim­mer ver­las­sen – dies­mal mach­te sie kei­nen Ver­such, ein Ge­spräch an­zu­knüp­fen, weil sie sich in Mr. Hen­freys Ge­gen­wart nicht ei­ner Ab­wei­sung aus­set­zen woll­te – als ihr Gast sie frag­te, ob sie we­gen sei­nes Ge­päcks in Bramb­le­hurst et­was ver­an­lasst hät­te. Sie er­wi­der­te, sie hät­te mit dem Post­meis­ter dar­über ge­spro­chen und der Fuhr­mann wür­de es am nächs­ten Mor­gen brin­gen.

      »Ist es be­stimmt frü­her nicht mög­lich?«, sag­te er.

      Es sei un­mög­lich, lau­te­te die küh­le Ant­wort.

      »Ich muss Ih­nen noch et­was mit­tei­len«, füg­te er hin­zu, »frü­her war ich zu durch­käl­tet und zu müde dazu: ich be­schäf­ti­ge mich mit wis­sen­schaft­li­chen Ex­pe­ri­men­ten.«

      »Wirk­lich, mein Herr!«, sag­te Mrs. Hall sehr ge­spannt.

      »Und mein Ge­päck ent­hält die er­for­der­li­chen Ap­pa­ra­te und Hilfs­mit­tel.«

      »Ge­wiss sehr nütz­li­che Din­ge«, mein­te Mrs. Hall.

      »Es liegt mir na­tür­lich dar­an, in mei­nen For­schun­gen fort­zu­fah­ren.«

      »Na­tür­lich, mein Herr.«

      »Der Grund mei­ner Rei­se nach Iping«, fuhr er mit ei­ner ge­wis­sen Über­le­gung fort, »war – der Wunsch nach Ein­sam­keit. Ich wün­sche nicht in mei­ner Ar­beit ge­stört zu wer­den. Au­ßer die­sen Ar­bei­ten zwingt mich ein Un­fall –«

      »Ich dach­te es mir gleich«, sprach Mrs. Hall zu sich selbst.

      »Zu­rück­ge­zo­gen zu le­ben. Ich habe ziem­lich schwa­che Au­gen, die mir oft so star­ke Schmer­zen ver­ur­sa­chen, dass ich mich für Stun­den bei ge­schlos­se­nen Tü­ren im Dun­keln ein­schlie­ßen muss. Hie und da, nicht jetzt ge­ra­de. Zu sol­chen Zei­ten ist mir die lei­ses­te Stö­rung, der Ein­tritt ei­nes Frem­den, eine au­ßer­or­dent­li­che Qual. Ich möch­te, dass wir uns ein für al­le­mal ver­ste­hen.«

      »Ge­wiss, mein Herr«, er­wi­der­te Mrs. Hall. »Nur wenn ich mir die Frei­heit neh­men dürf­te, zu fra­gen –«

      »Das ist al­les, glau­be ich«, sag­te der Frem­de in je­ner ru­hig ab­wei­sen­den Art, der man nichts ent­ge­gen­set­zen, und die er nach Be­lie­ben an­neh­men konn­te. Mrs. Hall spar­te also ihre teil­neh­men­den Fra­gen für eine bes­se­re Ge­le­gen­heit auf.

      Nach­dem sie das Zim­mer ver­las­sen hat­te, blieb der Frem­de vor dem Feu­er ste­hen, um, wie Mr. Hen­frey be­haup­tet, ihn bei sei­ner Ar­beit an­zu­star­ren. Mr. Hen­frey hat­te die Lam­pe dicht ne­ben sich ste­hen und der grü­ne Schirm warf, wäh­rend er ar­bei­te­te, ein blen­den­des Licht auf das Ge­häu­se und die Rä­der der Uhr. Sonst blieb das Zim­mer im Schat­ten. Wenn er auf­blick­te, flim­mer­te es ihm vor den Au­gen. Er war von Na­tur aus neu­gie­rig, und so hat­te er ganz un­nö­ti­ger­wei­se das Werk aus­ein­an­der ge­nom­men, in der Ab­sicht, sein Fort­ge­hen da­durch hin­aus­zu­schie­ben und viel­leicht mit dem Frem­den ein Ge­spräch an­zu­knüp­fen. Aber die­ser stand un­be­weg­lich und still auf sei­nem Platz, so still, dass es Hen­frey ner­vös mach­te. Er hat­te das Ge­fühl, al­lein im Zim­mer zu sein, und blick­te auf. In schat­ten­haf­ten Um­ris­sen, wie durch einen grü­nen Ne­bel­schlei­er, sah er den weiß­ver­bun­de­nen Kopf und die rie­si­gen, dun­keln, starr auf sich ge­hef­te­ten Glä­ser. Es war Hen­frey so un­heim­lich, dass er den an­de­ren eine Mi­nu­te lang wort­los an­blick­te. Dann sah er wie­der auf sei­ne Ar­beit. Eine un­ge­müt­li­che Lage! Wenn er we­nigs­tens ein paar Wor­te hät­te spre­chen kön­nen! Vi­el­leicht, dass das Wet­ter für die­se Jah­res­zeit sehr kalt sei?

      Er


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