Hans Hyan-Krimis: Der Rächer, Das Rätsel von Ravensbrok & Mord im Bankhaus Lindström. Hans Hyan

Hans Hyan-Krimis: Der Rächer,  Das Rätsel von Ravensbrok & Mord im Bankhaus Lindström - Hans Hyan


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die kurze Gefängniszeit hatte erschreckend abmagern und grau werden lassen ... Aber dann wollte er sich lieber aufhängen! ... Schlagen, nein, schlagen ließ er sich nicht!!

      Und dieser Entschluß gab ihm seinen Mut wieder. Er trat von dem grünüberzogenen Tisch, der voller Aktenstücke lag, mit festem Schritt zurück und sagte: »Mir ist der ganze Quatsch schon über! ... Ich antworte überhaupt nicht mehr!«

      Kommissar und Untersuchungsrichter sahen sich bedeutsam an; wenn ein Angeklagter erst einmal die Furcht vor dem Gericht und den Gerichtspersonen ganz überwunden hatte, dann war es sehr schwer, noch etwas aus ihm herauszubringen, das wußten sie aus Erfahrung.

      Da gab es nur zwei Wege, um das nicht eintreten zu lassen: entweder man zog die Zügel noch straffer an, oder man ließ ein wenig nach in der Strenge und versuchte es zwischendurch mal wieder mit guten Worten und freundlichem Zureden.

      Und weil Herr Dr. Birckner nicht genug Menschenkenntnis besaß und nicht sah, daß Alfred Maaß im Grunde seines Herzens zitterte, wählte er den Weg der Güte und ließ sich dadurch den Angeklagten ganz und gar entschlüpfen.

      »Na, daß Sie den Brief geschrieben haben an Ihre Mutter, das werden Sie doch nicht in Abrede stellen wollen?«

      Maaß antwortete nicht.

      Dr. Birckner nahm aus einem blauen Aktendeckel einen anderen Brief: »Vielleicht kennen Sie das hier auch?«

      Maaß sah erst gar nicht hin.

      »Das hier!!« Der Untersuchungsrichter hielt ihm den Brief direkt unter die Nase. »Das ist ein Stück von einem Brief an Frau Marquardt. Der ist nachträglich zufällig im Tischkasten zwischen altem Papier gefunden worden ... hören Sie, Maaß?« Maaß schien nicht zu hören.

      »Der Brief kann alt oder neu sein, das läßt sich, da das Datum fehlt, schwer feststellen ... sehen Sie sich den Brief doch mal an, Maaß! ... Es wäre ja möglich, daß irgend jemand den Brief geschrieben hätte, dessen Handschrift Sie kennen?!«

      Aber der Rothaarige ging dem Richter nicht in die allerdings recht plump gestellte Falle. Sein Gesicht hatte etwas unbeweglich Ehernes bekommen, und die ein wenig rissigen Lippen bleiben fest geschlossen.

      »Also schön, dann muß ich Ihnen sagen: Die Schreibsachverständigen begutachten, daß Ihre Handschrift, die hier,« Dr. Birckner tippte auf den Brief an die alte Frau Maaß, »und die in dem Brief an die Ermordete absolut identisch sind! ... Was sagen Sie dazu?«

      Maaß hob die Hand an den Mund und gähnte. Es war tatsächlich nur ein Symptom seiner nervösen Erschlaffung, aber es sah so aus, als sei ihm alles das, was der Untersuchungsrichter vorbrachte, bloß langweilig.

      Da erfaßte den Juristen ein heiliger Zorn:

      »Aufseher! Führen Sie ihn hinaus, diesen unverschämten Flegel!« donnerte er, »wer'n ihn schon kriegen! ... Jawohl! Den kriegen wir schon! Er wird gefesselt!«

      Aber Maaß wurde nicht gefesselt. Der Herr Untersuchungsrichter hatte sich diese durch nichts zu rechtfertigende Maßregel doch noch einmal überlegt und den Befehl zurückgenommen.

      Als der Amtsgerichtsrat mit dem Kommissar Hartmuth allein war, ging Dr. Birckner noch ein paarmal im Zimmer auf und nieder, dann blieb er plötzlich vor dem Kriminalisten stehen und sagte, noch immer sehr erregt:

      »Na, was sagen Sie nun zu diesem Menschen? ... Was?«

      Der Kommissar lächelte, er war innerlich von Schadenfreude erfüllt über das Abblitzen des Amtsgerichtsrats. Aber er beeilte sich doch, seine stille Heiterkeit zu erklären. Dr. Birckner schien ihm zu gefährlich, als daß er ihn das Geringste von seinen Absichten hätte merken lassen mögen.

      »Man kommt zu keinem rechten Abschluß,« meinte er, »zuerst war ich im Gegensatz zu meinem Kollegen Bendemann fest von Maaßens Schuld überzeugt, und jetzt, jetzt ...«

      »Na, Sie zweifeln doch nicht etwa daran, daß Maaß der Täter ist?« fiel Dr. Birckner ihm schnell ins Wort.

      Hartmuth zuckte leicht die Achseln.

      »Wie? ... Sie zweifeln in der Tat? ... Aber ich bitte Sie, wer soll es denn sonst gewesen sein?! ... Sie denken doch nicht etwa an die Kirchhofszene mit dem hysterischen Frauenzimmer? Ich sollte doch meinen, wir haben wahrhaftig alles getan, was in unseren Kräften stand! ... Nicht allein, daß ich diese Frauensperson – Notabene eine Prostituierte übelster Sorte, und mithin das Gegenteil von einer klassischen Zeugin! –, daß ich sie wiederholt vernommen habe, nein, ich habe mir sogar den Geistlichen kommen lassen! ... Na, und Sie haben ja jedenfalls das Protokoll gelesen, Herr Hartmuth! ... Sie hat einen Mann gesehen in Gesellschaft ihres sogenannten Bräutigams ...«

      »... gewesenen Bräutigams!« warf der Kommissar ein.

      »Ganz recht! ... Dieser Mensch hat früher schon mit dem Heiland, einem der berüchtigsten Zuhälter, verkehrt ... behauptet sie ... Da spitzte ich natürlich sofort beide Ohren! Aber was stellt sich heraus, wie wir den Heiland vorladen, gegen den zurzeit übrigens nicht das Geringste vorliegt: Der Mann hat keine Ahnung! Und ich sage Ihnen, lieber Kommissar, ich versteh' mich auf so was! ... Was wahre und gemachte Verwunderung ist, das weiß ich wohl zu unterscheiden ... Da verlassen Sie sich darauf!«

      Der Kommissar nickte zustimmend mit dem Kopf.

      Bei sich aber dachte er: »Das glaub' ich noch lange nicht, daß du das weißt! ... Wie ich denn überhaupt nicht allzuviel von deinen Fähigkeiten halte! ... Du bist ein Streber, mein Junge, und weiter gar nichts!«

      Der Untersuchungsrichter fuhr fort:

      »Daß er bei der Beerdigung auf dem Kirchhof war, gibt Heiland ja ohne weiteres zu ... Er hält es auch für möglich, daß zufällig ein Mann neben ihm gestanden haben kann, der, ebenso wie er, einen hellbraunen Filzhut getragen hätte. Aber im übrigen sei er absolut für sich allein gewesen ... er hat mir dann auch den Freund, von dem die Augst sprach, vorgestellt. Der Mann war aber nachweislich zur Zeit des Mordes in Breslau. Und daß die Augst sagt, das wäre gar nicht der Freund von Heiland, den sie gemeint hätte, das will bei dieser absolut unzurechnungsfähigen Person, die nebenbei einen großen Haß auf ihren ehemaligen Bräutigam zu haben scheint, doch auch nicht viel bedeuten! ... Nee, wahrhaftig! Da bieten sich keinerlei Anhaltspunkte, die Sache ist für mich wenigstens glatt erledigt!«

      Der Kommissar sagte gar nichts. In dienstlicher Haltung wartete er, ob der Jurist ihm noch etwas mitzuteilen habe.

      Dr. Birckner aber, der seiner Sache innerlich doch wohl noch nicht so recht sicher sein mochte, betrachtete den andern, scheinbar zum Fenster hinaussehend, lauernd von der Seite. Dann entließ er ihn mit einer halbvertraulichen Handbewegung.

      Doch als Hartmuth schon an der Tür war, bat er ihn noch einmal zurück:

      »Es ist immer schwierig,« sagte er, jedes Wort abwägend, mit scharfer Akzentuierung, »in einer solchen ernsten Sache ein abschließendes Urteil zu fällen. Aber das tun wir ja auch gar nicht, das ist ja durchaus nicht unseres Amtes! ... Was wir zu tun haben, ist weiter nichts, als alles erreichbare Material zur Anklage zur Stelle schaffen, es sichten und das unserer Ansicht nach Falsche vom Wahren sondern.«

      Er machte eine kleine Pause, dann fuhr er wie in Gedanken fort:

      »Genau dasselbe, dessen erinnere ich mich jetzt, habe ich vor einiger Zeit auch dem Herrn Staatsanwalt v. Marzahn gesagt ... aber dieser Kollege war, wenn ich nicht irre, ganz der entgegengesetzten Ansicht ... sowie er denn auch von der Unschuld dieses Maaß fest überzeugt zu sein schien ...«

      Er pausierte wieder, um dann ganz gleichgültig und nebensächlich die Worte hinzuwerfen:

      »Der Herr Staatsanwalt hat, wie Sie inzwischen vielleicht auch schon erfahren haben, seinen Abschied genommen ...«

      Der Kommissar begriff. Er nickte sehr ernst, wiederholt mit dem Kopfe. Dann sagte er, voller Überzeugung:

      »Wir von der Kriminalpolizei, Herr Amtsgerichtsrat, wir sind eben in vielen Fällen zu gewissenhaft! Und selbst wenn wir den Mörder schon gefunden haben, sehen wir uns doch noch nach allen Seiten um und verfolgen


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