Hans Hyan-Krimis: Der Rächer, Das Rätsel von Ravensbrok & Mord im Bankhaus Lindström. Hans Hyan

Hans Hyan-Krimis: Der Rächer,  Das Rätsel von Ravensbrok & Mord im Bankhaus Lindström - Hans Hyan


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die kenn' ich! ... Sie hat da im Hause gewohnt und mir in der Nacht den Weg zum Arzt gezeigt.«

      Er hielt inne, seine Seele trauerte wieder um den unersetzlichen Verlust, den er da erlitten hatte.

      »Na, und was will sie jetzt von Ihnen?«

      Marquardt zuckte die Achseln.

      »Was weiß ich! ... Sie hat mich später immer wieder zu sprechen gesucht und mir eines Tages ganz unglaubliche Geschichten erzählt von einem Menschen, mit dem meine arme Trude vor unserer Ehe ein Verhältnis gehabt haben soll, und lauter solchen Blödsinn!«

      »Wie?« fragte der Polizeileutnant, »Ihre Gattin? ... Mit wem denn?«

      »Na, das is ja eben das Tollste! ... Mit einem notorischen Verbrecher, einem Zuhälter, der befreundet war mit dem Geliebten, den sie, die Augst, selbst früher gehabt hat ...«

      »Ach, dann ist das wohl die, die auf dem Kirchhof die große Schauerszene gemimt hat?«

      Marquardt nickte halblachend.

      »Ja, die! ... Wenn das nicht voraufgegangen wäre, das mit meiner Frau und dem angeblichen Verhältnis, dann hätt' ich natürlich auch daran geglaubt ... aber so ... Das ist einfach 'ne hysterische Person.«

      Indem hörte er raschere Schritte hinter sich, blickte sich um und sah, schon ganz in der Nähe, Ernestine Augst, die ihm zurief:

      »Herr Marquardt! ... Ach bitte, ein'n Augenblick!«

      Heinz Marquardt ging ruhig weiter.

      Aber Leutnant Runkel redete ihm zu:

      »Man soll in solchem Falle nichts ganz von der Hand weisen! ... Sie können ja gar nicht wissen, vielleicht hat sie Ihnen doch was zu sagen, was wichtig für Sie ist ... warten Sie doch mal, schaden kann es doch auf keinen Fall!«

      »Ach!« machte Marquardt, aber er blieb stehen.

      »Was denn?« fragte er nun das herantretende Mädchen.

      Die sah auf den Polizeileutnant, aber Heinz meinte:

      »Sie können ruhig sprechen, vor dem Herrn hab' ich keine Geheimnisse!«

      »Nein?« ... Sie holte tief Atem. »Na meinswegen! ... Sie haben doch eben, wie Sie da drieben vor dies Haus jestanden haben, mit eenen gesprochen, wissen Sie, wer dis war?«

      Marquardt antwortete nicht. Er lächelte nur verächtlich. Das kränkte die Augst.

      »Na, mir kann's ja ejal sein! ... Aber wenn Se schon mal den Menschen nachloofen, der Ihre arme Frau dodjemacht hat, denn müßten Se doch allens tun, wat Se können, damit Se 'n kriegen! ... Un denn müssen Se ooch heeren, wenn Ihn' eena wat sagt!«

      Ihre Stimme wurde ganz weinerlich.

      »Das Fräulein hat gar nicht so unrecht!« unterbrach der Leutnant jetzt den Redestrom der Aufgeregten.

      »Woll, woll.« Ernestine schien sehr erfreut, in dem Leutnant jemand gefunden zu haben, der, was sie sagte, ernst nahm.

      Aber Marquardt schwieg still.

      »Un wenn er's ooch zehnmal nich jlaubt, darum is et doch wa': Der, mit den Sie da eben jesprochen ham, det wa' der! ... Der frühere Bräut'jam von Frau Marquardt!«

      Heinz tippte sich mit drei Fingern an die Stirn.

      Der Leutnant aber nickte zustimmend. Dann redete er abermals leise mit Heinz Marquardt:

      »Ich weiß nicht, warum Sie sich dagegen so sträuben, lieber Freund?! ... Das alles läßt doch nicht den geringsten Vorwurf für Ihre Frau zu! ... Was wollen Sie denn? ... Sie werden doch hoffentlich nicht zu den Dummköpfen von Männern gehören, die von ihren Frauen verlangen, daß diese armen Geschöpfe vor ihrer Ehe keinen Mann angesehen, geschweige denn gar irgendeinem mal 'n Kuß gegeben haben sollen! Die Hauptsache ist doch, daß eine Frau in ihrer Ehe treu ist, na, und daran zweifelt doch in Ihrem Falle kein Mensch!«

      »Wie soll denn der Kerl dann zu ihr reingekommen sein?« fragte Marquardt mit dumpfer Stimme, in der Schmerz und Zorn klangen.

      Der Leutnant zuckte die Achseln:

      »Dafür gibt es tausend Erklärungen! ... Wissen Sie denn nicht, wie dieser Mensch heißt?« wandte er sich an das Mädchen, das, während die beiden Männer miteinander sprachen, kein Auge von Heinz Marquardt gelassen hatte.

      »Nee,« das Mädchen starrte vor sich auf den Lichtschein der Laterne, »nich mal uff den Spitznamen kann ick mir besinnen, un den hab' ick doch so ofte jeheert! ... Mit 'n Vornamen hieß er Erwin, det weeß ick ... aba wie weiter? ... Hm, ick besinne mir immerzu ...«

      Von den drei Menschen, die da im Schein einer Straßenlaterne in der schweigsamen Nacht auf der Straße standen, war der eine zusammengezuckt bei der Nennung dieses Namens, als habe er einen starken elektrischen Schlag erhalten. Aber er faßte sich sofort wieder: weder das Mädchen noch der Leutnant sollten merken, was jetzt in ihm vorging!

      In seinem Geiste war plötzlich ein Lichtstrahl aufgeflammt, ein Lichtstrahl, den er den Worten dieses einfachen Geschöpfes verdankte, das ihn liebte, ohne es vielleicht zu wissen, und das, um ihm zu helfen, seine Existenz und vielleicht sein Leben aufs Spiel setzte.

      Aber in Heinz Marquardts Herzen gab es nichts von Dankbarkeit. Der Egoismus seiner Rache kannte keine Grenzen! Er, er ganz allein wollte den Mörder finden! ...

      So verabschiedete er das Mädchen mit den Worten:

      »Ich hab's ja gleich gesagt, daß das alles Unsinn ist. Meiner Ansicht nach ist der Mörder an einer ganz anderen Stelle zu suchen! ... Und da wer' ich'n auch finden, ohne daß mir andere Leute fortwährend ihre Hilfe aufdrängen!«

      Der Leutnant bezog den letzten Satz auch auf sich. Und mit einer rein menschlichen Höflichkeit, die ihm gut stand, wandte er sich an die Ausgestoßene und sagte:

      »Ich glaube, mein Fräulein, Sie bemühen sich umsonst! Herr Marquardt hat offenbar andere Ideen und ist nicht zu überzeugen. Sie haben jedenfalls Ihre Pflicht und mehr als Ihre Pflicht getan ... adieu!«

      Er reichte ihr die im weißen Lederhandschuh steckende Rechte und zauberte damit ein Lächeln der Freude auf das verschminkte Gesicht.

      Alsdann wandte er sich an Marquardt:

      »Sie erlauben wohl, daß ich mich jetzt nach Hause begebe ... Ich habe morgen früh Dienst und bin recht müde!«

      Marquardt aber gab er nicht die Hand, er verbeugte sich nur leicht und ging mit schnellen Schritten davon.

      Das hatte Heinz doch nicht gewollt! Einen Augenblick war er willens, dem Leutnant nachzugehen, ihn zurückzurufen und sich bei ihm zu entschuldigen ... Aber dann hätte er ihm auch sagen müssen, was ihm selber jetzt auf einmal ganz klar geworden war ... nein, nein, allein, ganz ohne jede Beihilfe wollte er den Mörder fangen! ... Mochten sie von ihm denken, was sie wollten!

      So ging er ganz langsam mit kleinen Schritten in derselben Richtung wie Leutnant Runkel, indes Ernestine Augst sich nach der anderen Seite entfernte.

      An der nächsten Querstraße bog Heinz Marquardt um die Ecke, und nun rannte er, wie gesagt, auf Umwegen zurück nach der Maaßenstraße 87.

      Aber die Fenster im Hochparterre waren alle dunkel ...

      Und jetzt, wie er darüber nachdachte, ward es ihm auch klar, daß es gar keinen Zweck haben würde, da noch einmal hinaufzugehen ... Wenn wirklich alles stimmte, und wenn seine Vermutungen sich als zutreffend erwiesen, so würde er da oben am wenigsten ihre Bestätigung erhalten!

      Er ging vor dem Hause auf und nieder, warten wollte er jedenfalls! Es konnte ja doch sein, daß dieser Mensch hinaufgegangen wäre und wieder herunterkäme. –

      Alfred Maaß saß noch immer in seiner Zelle. Allmählich hatte sich seiner eine dumpfe Verzweiflung bemächtigt. Und mehr und mehr erkannte er die Gefahr, in der er schwebte.

      Er kam sich vor wie ein Schachspieler, der durch irgendeinen unglücklichen


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