Hans Hyan-Krimis: Der Rächer, Das Rätsel von Ravensbrok & Mord im Bankhaus Lindström. Hans Hyan
wie 'n Tartarbiefstick mit Zwiebeln, und ick wurde soja uff Kosten von die Leite, die mir vahaun hatten, 'n paar Tage in der Heimat 28 verpflegt. Aber denn drehten die den Spieß um un vamasselten mir bei'n Staatsanwalt. Na un da gaben se det denn richtig so rausjedreht, det ick hochjing, wejen Raub! Jawoll, ausjerechnet! Weil ick se bei'n Schlung jefaßt hatte, die Olle!«
Der Schlüssel klapperte, alles war still.
»Behnke!«
»Jawoll, hier!«
Der Dicke verließ, affektiert gleichgültig mit den Armen schlenkernd, das Zimmer.
»Da kriecht a seine drei Jahre, det knallt man so!« sagte Aptekerjustav, mit einer Kopfbewegung hinter dem eben Gegangenen herdeutend.
»Wat jloben Sie denn, vaehrter Herr, det Se kriejen werden?« wandte er sich mit einer ironisch tiefen Verbeugung an Maaß.
Der wich unwillkürlich zurück, wobei er voll heimlicher Furcht sagte:
»Ich ... ich ... ich weiß nicht ... ich bin unschuldig!«
»Dat sind wa alle!« rief der andere laut auflachend und sämtliche Insassen des Zimmers stimmten in diese Heiterkeit ein.
»Oder jloben Se etwa ...«
Aber da rasselte wieder der Schlüssel und aus der eintretenden Stille heraus verließ wieder einer das Zimmer.
»Das wa 'n Erpresser,« meinte der alte Herr mit der Brille, »is schon dreimal verknaxt – macht fünf Jemmchen minimum!«
Maaß sah den Alten erstaunt an; woher wußte der alles das so genau? War es am Ende ein Beamter, der hier zwischen die Verbrecher gesteckt wurde, um aufzupassen?
Der Alte aber nahm das Anstarren des Jüngeren als eine Aufforderung, sich mit ihm zu unterhalten, näherte sich Maaß und sagte gedämpft:
»Na und Sie? ... woll wejen Schiebung, was? ... ich meine wegen Betrug?!« setzte er hinzu, da Maaß ihn so fremd ansah.
Alfred Maaß seufzte tief auf.
Sollte er sich diesem Menschen anvertrauen? Unter anderen Umständen hätte er es sicher nicht getan, aber hier, heute, in der schrecklichen Gemütsbewegung, die ihn ganz krank machte, in der Aufregung und qualvollen Erwartung dessen, was die nächste Stunde ihm bringen würde, konnte er sein Mitteilungsbedürfnis nicht zurückhalten.
»Wegen Mord«, sagte er leise.
»Das heißt, ich hab' es nicht getan,« sprudelte er, als er das Zurückweichen des Alten sah, sofort hervor, »ich bin absolut unschuldig! Die sind ja hier alle verrückt! Wie sollte ich denn dazu kommen?! ... Die Frau meines Kollegen! ... Weil ich sie früher mal gekannt hatte!«
Er brach in lautes Jammern aus und schlug die Hände vors Gesicht.
»Wejen Mord?« Der Alte wiegte den Kopf hin und her. »Det is woll der Fall in de Koloniestraße, wovon se jestern abend bei uns in Schlafsaal jeredet ham' ... na, heren Se mal, 'ne Frau, 'ne janz junge Frau!«
Der Sprecher zog sich zurück, und während Maaß weinend stehen blieb, sammelten sich die sämtlichen anderen in der Ecke beim Fenster und berieten miteinander. Offenbar waren ihre Meinungen geteilt, denn hin und wieder fielen lautere Worte, die wie Streit klangen.
Endlich sagte der Alte vortretend:
»Det vasteh ick nich, det se Ihn' iebahaupt hier rinjebracht ham ... sone janz schweren Sachen kommen doch for jewehnlich hier nich her ... det heest, es is ja mechlich, det Sie't nich waren, aber for jewehnlich ... na mit een Wort, wir beschweeren uns dadrieba! ... Mit 'n Raubmörder in eene Zelle, det brauchen wa uns nich zu jefallen lassen!«
Damit kehrte er sich ostentativ von Maaß ab, ging wieder zu den anderen, die die Unterhaltung, jetzt lauter und ohne auf den selbst hier Ausgestoßenen Rücksicht zu nehmen, fortsetzten.
Alfred Maaß hatte die Hände vom Gesicht genommen und eine Weile mit offenem Munde dem sich abwendenden Alten nachgestarrt.
Jetzt setzte er sich auf die nunmehr gänzlich freie Bank. Auf seinem Gesicht erschien allmählich wieder das Lächeln, mit dem er an jenem Nachmittag die von der wütenden Menge umlagerte Morgue verlassen hatte. Er hörte auf nichts mehr, was jene redeten. Seine Seele war blind und taub für alles, was um ihn her vorging, nur den Racheschrei seines Herzens vernahm er noch über die blöde Ungerechtigkeit des Schicksals und der Menschen, die sich alle, aber auch alle verschworen zu haben schienen, um ihn zu peinigen.
Als bald der Aufseher wieder hereintrat, umringten die anderen Gefangenen ihn sofort und forderten, alle durcheinanderschreiend, Maaßens Entfernung.
»Denn det haben wa doch nich vadient«, faßte der Alte ihr Lamento zusammen:
»Mit 'n Raubmörder in eene Zelle, nee, dazu hat det Jericht keen Recht! Dafor jibbt et besondre Zellen! Det wer ja noch scheener!«
Der Aufseher war offenbar selber bestürzt. Es lag ein Versehen vor; der Maaß hierher gebracht, hatte vergessen, ihm die nötigen Mitteilungen zu machen. Übrigens hatte er Maaß gerade eben holen wollen.
Auf dem Korridor, während der Angeschuldigte neben ihm herschritt, sagte der Aufseher stockend:
»'s is nich nötig, daß Se da was von sagen, vastehn Se! Se tun überhaupt gut, hier nich zuviel zu reden.«
Maaß sah den Mann ganz verständnislos an; was wollte denn der? Worüber sollte er nicht reden? Und eh' er sich noch klar wurde, was jener von ihm verlangte, stand er vor dem Zimmer des Untersuchungsrichters.
Der Beamte klopfte.
»Herein!«
Maaß sah, noch ehe die Tür sich öffnete, den Richter, dem er ja schon mehrfach gegenübergestanden hatte, deutlich vor sich, einen hageren, blassen Herrn, der die nervöse Angewohnheit hatte, beim Verhör mit den Oberzähnen an der Unterlippe zu kauen, oder die Enden seines dünnen blonden Schnurrbartes zusammenzunehmen und in den Mund zu stecken. Er hatte blutlose; knochige Hände, die er für gewöhnlich auf dem Rücken verschränkt hielt, wenn nicht bei einer besonders scharfen Frage die Linke plötzlich hervorschoß, um sich mit ausgestrecktem Zeigefinger dem Angeklagten gleichsam ins Gewissen zu bohren.
Außer dem Juristen befand sich in dem Zimmer der Protokollführer und der Kommissar Hartmuth.
Über dessen Vogelgesicht glitt ein interessierter Zug, wie er des kleinen rothaarigen Menschen ansichtig wurde.
»Sie sind also an dem bewußten Nachmittag kneipen gegangen?« fragte der Untersuchungsrichter, der selbst dem Fenster den Rücken zukehrte, während auf des Rothaarigen Angesicht das helle Tageslicht fiel.
Maaß nickte.
»Dann sind Sie nach Hause gegangen und haben sich schlafen gelegt?« fragte der Amtsgerichtsrat weiter.
»Ja.«
»Darf ich mal dem Angeklagten eine Frage vorlegen, Herr Amtsgerichtsrat?« warf der Kommissar ein.
Doktor Birckner machte nur ein zustimmendes Zeichen, im allgemeinen hielt er seine Autorität für ausreichend.
»Maaß«, sagte der Kommissar und seine Stimme bekam jenen eindringlichen, beinahe beschwörenden Ton, der den armen kleinen Kerl ganz rot werden ließ vor Ärger.
»Sagen Sie mal, besinnen Sie sich doch mal ganz genau darauf, wann sind Sie an dem Abend nach Hause gekommen?«
»Das weiß ich nicht!« erwiderte der Angeklagte trotzig.
»So, na anfänglich haben Sie doch aber gesagt, es wäre spätestens um zehn Uhr gewesen.«
Maaß zuckte die Achseln, innerlich erbost, daß er nicht sagen konnte, warum er damals gerade »zehn Uhr« angegeben hatte.
»Sie sind, wie Sie jetzt sagen, betrunken gewesen – es wäre also tatsächlich nicht gut möglich, sich noch heut so genau zu erinnern! – Und dabei wollen Sie sich die Nase gestoßen haben, davon