Mitten ins Herz. Marga Swoboda

Mitten ins Herz - Marga Swoboda


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das Haus. Früher Feiertagsmorgen, Fronleichnam. Um 7 Uhr 55 ist es passiert. Eine Explosion, so gewaltig, dass augenblicklich alles in Schutt und Flammen war. Die Fensterstöcke hat es aus Nachbarhäusern gerissen. Die Menschen im Haus der Katastrophe, die hatten keine Chance.

      Eine unterirdische Gasleitung könnte es zerrissen haben. Erste Spekulationen über die Ursache. Ein Unglück, das überall hätte passieren können. Der Zufall, der mörderische, hat diesen Ort ausgesucht. Und diese Menschen.

      7 Uhr 55 an diesem Regen-Feiertag. Ein bisschen länger schlafen als sonst. Nicht aus dem Haus gehen müssen. Aus dem Schlaf oder aus den ersten Morgen-Gedanken heraus in den Tod gerissen werden. Nichts, was man im ärgsten Albtraum für möglich halten würde.

      Und dann noch ein Zufall, der zumindest einem Menschen das Leben gerettet hat: Die Frau, die sich um ein Ehepaar in diesem Haus kümmerte. Seit Jahren verlässlich wie ein Uhrwerk. Seit Jahren in liebevoller Verbundenheit mit dem Opfer-Ehepaar.

      An diesem Regen-Feiertagsmorgen hat die Frau, die Helferin, verschlafen. An diesem Morgen kam sie zu spät. Zu spät, um zu sterben.

      Alles, alles ist Zufall. Das ganze Universum, die schlimmsten und die schönsten Sachen. Der höhere, der schönere Gedanke über den Worten Zufall und Schicksal heißt Gott. Wäre ich die Frau, die an diesem Regen-Feiertagsmorgen verschlafen hat und nicht sterben musste: Ich würde mich nicht beim Zufall bedanken, sondern bei Gott. Und ein Gebet für die Opfer sprechen! Auch wenn es Menschen gibt, die sagen, das nützt jetzt auch nichts mehr.

       4. Juni 2010

      Kann man beweisen, dass es Gott gibt?

      Ein ziemlich durchgeknallter Physiker hat zu erforschen und errechnen versucht, ob es Gott gibt oder nicht. Dann hat er die Weltöffentlichkeit mit folgendem Ergebnis beglückt: Gott gibt es zu 67 Prozent. Also mit einiger Wahrscheinlichkeit.

      Die These entstand aus einer Art Weltrechnung, wie viel Böses und Gutes auf dem Planeten schon passiert ist, ob also das Unheil stärker ist als das Heil. Wenn es einen Gott gibt, muss ja das Gute gewinnen, dachte der Physiker und rechnete und rechnete.

      Ein anderer Gottesbeweis geht so: Allein die Tatsache, dass Menschen sich überhaupt fragen, ob es Gott gibt, sei ein Gottesbeweis. In allen Religionen, auf der ganzen Welt. Albert Einstein wiederum, und das hat vermutlich nicht so sehr mit Physik zu tun, glaubte mehr und mehr an Gott, je näher es dem irdischen Ende zuging.

      Der starke alte Papst auf dem Kreuzweg am Karfreitag, wenn das kein Beweis war für göttliche Kraft. Wie er das Kreuz aus den Händen einer jungen Spanierin übernahm, einer Frau, die beim Anschlag von Madrid Angehörige, aber nicht den Glauben verloren hatte.

      Ostern in Rom, das schönste und schaurigste Fest seit Gedenken. Terrordrohungen und Terrorangst. Ein Papst, der die Kraft hat, der Welt zu zeigen: Glaube ist stärker als alle Angst.

      Angst ist die große Krankheit der Zeit. Angst macht Menschen so klein. Die Angst, die von außen kommt, als terroristische Bedrohung. Die Angst, die von innen eitert: Angst vor Misserfolg, vor Einsamkeit, vor Krankheit und sogar vor dem Älterwerden. Das traut sich doch kaum noch jemand, einfach nur älter zu werden.

      Glaube, Liebe und Hoffnung sind stärker als Hass, Angst und Tod. Wenn das keine göttliche Botschaft ist. Der Papst auf dem Kreuzweg. Das Kreuz, das er von dieser jungen Frau aus Madrid in seine Hände nahm. Es ist wieder leichter geworden, an Gott zu glauben. An Gott zu glauben ist das Gegenteil von Angst.

       11. April 2004

      Spenden statt Silvesterkrach

      Die Welt ist verwundet. Die Welt mit dem ganzen Reichtum, den Wolkenkratzern, der Gier, dem Glück. Auf der Welt kann man kein Haus bauen, das stark genug ist. Auf der Welt kann man kein Glück finden, das nicht gläsern ist. Tausende Kilometer von der Katastrophe entfernt, durch das Fernsehen mit dem Leid verbunden, erreicht die Katastrophe die innersten Gefühle und Ängste. Das verloren gegangene Bewusstsein: Nie wird der Mensch stärker sein als die Natur. Nie.

      Das Christentum, die Weltreligionen versuchen es den Menschen begreiflich zu machen. Wie klein und arm das ist, dieses Erdendasein. Ständig übertönt von Eitelkeit und trügerischer Sicherheit. Von einer Sehnsucht nach Glück, die so leicht zu zertrümmern ist.

      Auf den Weltkarten die Eintragungen, wo die Welt am gefährlichsten ist, wo die Erdplatten zu bersten drohen, wo die Berge explodieren könnten. Ein seltsames Gefühl, sich an einem eher sicheren Ort zu befinden. Sicherheit; immer wieder liefert die Natur den Beweis, dass Sicherheit nichts als eine arrogante Einbildung ist. Wir sind nur Gast.

      Alles dort, so weit weg, ist zerstört. Alles? Es wird Liebe überleben. Es wird Erinnerung überleben. Ganz vage nur, aber doch macht die große Flut auf der ganzen Welt etwas begreiflich. Dass nur Gefühle, nur die Liebe nicht zerstörbar sind.

      Es ist nur eine Welt. Es ist immer nur ein einziges, kleines Leben. Es zahlt sich nicht aus, für falsche Gefühle zu leben. Es lohnt sich nicht, dem falschen Glück nachzurennen. Der Boden unter den Füßen ist überall unsicher. Sicher ist, dass jetzt statt glotzendem Mitleid stille Hilfe fällig wäre. Spenden statt Silvesterkrach.

       30. Dezember 2004

      Beten und beten lassen

      Das Geheimnis des Glaubens, beinahe geknackt. Wissenschafter gingen der Frage nach, ob Beten wirklich hilft. Sie fanden heraus: Ja, es hilft.

      Ein Versuch mit knapp vierhundert Herzpatienten: Für die Hälfte von ihnen ließen die Ärzte beten. Innig, aber auf Kommando. Das Ergebnis, angeblich erzielt in einem Krankenhaus von San Francisco: viel weniger Komplikationen und Beschwerden bei den Menschen mit der frommen Fernmagie. Der Glaube, sagen die Ärzte nun, ist wie ein Antibiotikum.

      In der Stunde des Todes lässt ein Gebet die Hirnstrahlung ins Euphorische hinaufschnellen. In den Stunden der Dunkelheit ein Licht aus dem Glauben. Sagen nicht nur die Pfarrer, das sagen jetzt auch Mediziner, die Depressionen behandeln.

      Beten und bitten soll man wie ein Kind. Darf man Gott um einen Lotto-Sechser bitten oder wenigstens um einen kleinen Fünfer? Darf man. Wie ein Kind. Nur, man kann halt nicht alles haben. Und: Man darf Gott nie böse sein. Gott weiß schon, wofür es gut ist, keinen Lotto-Sechser zu haben.

      Der Glaube kann Berge versetzen. Alter Spruch, aber gut. Beten ist reden mit einem, den man nicht kennt, an den man nur glaubt. Seine Antworten sind stark und klug. Aber nur dann zu hören, wenn einer ganz tief in sich selber hineinhört. Dort, wo Gott wohnt. Hört Gott immer zu? So viele beten zurzeit um ihr Leben und um das von anderen; zu welchem Gott auch immer. Wenn Gott sie alle hört, warum hilft er dann nicht allen?

      Das weiß kein Mensch, auch kein Wissenschafter. Das allerletzte Geheimnis werden wir wohl nie knacken. Aber dieser Glaube an die Auferstehung, der hält ein bisschen aufrecht. Der nackte Tod allein, der ist doch überhaupt nicht zu verkraften.

       3. April 1999

      Macht euch die Erde untertan!

      Tsunami, Hurrikans, Erdbeben. 330 000 Menschenleben ausgelöscht. Es werden noch größere Katastrophen kommen, sagen die Klima- und Umweltforscher.

      Jahrhunderthochwasser heißen dann nicht mehr so. Weil sie jedes Jahr kommen. Die Sommer werden nicht mehr schön sein, sondern dürr und glühend. 40 Grad, wie Fieber.

      Das Erdbeben von Pakistan wäre nicht zu verhindern gewesen. Klar. So stark ist der Mensch nicht, dass er sich die Erde wirklich untertan machen kann. Stark genug aber, um den Klimakollaps aufzuhalten. Nicht länger alles hemmungslos in den Himmel feuern. Treibhausgase um achtzig Prozent reduzieren. Mindestens. Ölverbrauch drastisch senken, umsteigen auf die Kraft des Wassers, des Windes und der Sonne. Sofortige Notbremsung im Energiesystem.

      Dann könnte die Erde noch ziemlich lange unsere Mutter


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