Mitten ins Herz. Marga Swoboda

Mitten ins Herz - Marga Swoboda


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das himmlische Dach über der Erde ruinieren. Sehr schlau.

      Was interessiert es den Börsenhai auf seiner Luxusyacht, wie lange Himmel und Erde noch halten? Was interessiert es den Einzelnen, ob er am Desaster mitbeteiligt ist? Die Welt zumüllen, die Welt kaputtheizen. Eine ganze Menschheit ist dabei zu vermüllen. Auch in der Seele.

      Wenn ich meine Geräte nicht standby rennen lasse, helfe ich, die Welt zu retten. Bin ich dazu zu faul, zu blöd oder zu ignorant? Kommt es auf den einzelnen Lichtschalter und den persönlichen Müll an? Ja. Macht euch die Erde untertan!

      Zur Gattung Mensch hätte Gott diesen Satz nicht sagen sollen.

       11. Oktober 2005

      Einkaufen oder beten

      Wir haben das Thema alle Jahre, und wir haben es jedes Jahr noch schärfer: Der achte Dezember – soll man beten oder einkaufen? Kardinal Schönborn, der weise Mann, dessen Geist und Gefühl nicht nur in Gott, sondern auch in der himmelsnahen Seelen- und Berglandschaft des Montafons herangereift sind, hat sich gegen die Offenhaltung der Geschäfte an diesem Marien-Feiertag ausgesprochen. Man könne und solle nicht alles den Gesetzen der Marktwirtschaft unterwerfen, sagte er sinngemäß.

      Das würde ja eines Tages dazu führen, dass unsere Herzen restlos verloren gehen in den trügerisch belichteten Einkaufspalästen. Den Marien-Feiertag am achten Dezember, den haben die Österreicher ja zum Zeichen und Dank der Freiheit gewählt. Da wäre es ein bitterer Erfolg, diese Freiheit dem Kaufzwang, dem Kaufrausch zu opfern. Das hört man in den Geschäften nicht gerne. Gewiss, man schätzt Schönborn, den hohen Mann Gottes, sehr, man kämpft aber auch mit wachsender Verzweiflung gegen die sogenannte Kaufkraft-Abwanderung. Das sind die Karawanen, die im Stau und Winternebel über die Grenzen ziehen, der Seligkeit nach, die Sonderangebot und Konsumglück heißt. Man versteht die Geschäftsleute sehr, wenn sie also offenhalten wollen, auf dass die Schäfchen, um nicht zu sagen die Konsum-Lemminge, nicht verloren gehen. Wahrscheinlich versteht das sogar Gott, denn sicher weiß er, wie schwer es die Geschäftsleute haben.

      Es können also nur die Kunden, nicht der Kardinal und nicht die Händler, die richtige Entscheidung treffen. Sich die Freiheit nehmen, nicht zu kaufen an diesem heiligen Tag. Sich eine kleine Besinnlichkeit zum Geschenk machen. Das wäre doch schöner als diese kranke Einkaufsrallye, die nur Geld und Nerven kostet.

       23. September 1995

      Gute Nacht, schöne Welt

      Es scheint niemanden besonders aufzuregen. Den Wallstreet-Börsianer juckt es nicht. Dem Politiker ist es ein paar betroffene Satz-Schachteln wert. Der sogenannte Konsument wirft sein kleines schlechtes Gewissen weg und greift zum Sonderangebot. Alle werden so lange unschuldig und tatenlos und ein wenig beunruhigt sein, bis wirklich Grund zur Beunruhigung herrscht. Alarmstufe Rot ist aber jetzt schon. Wenn das stimmt:

      Bald ein Drittel aller von Menschen verursachten Treibhausgase stammt – aus der Landwirtschaft. Ab ins Museum mit den schönen Bildern vom braven Sämann und der Nahversorgung aus dem Bio-Garten. Ins Reservat mit den glücklichen Hühnern und Kühen, solange es noch ein paar davon gibt. Spätere Generationen werden staunen, wie sich die Menschheit einst ernährte. (Falls spätere Generationen noch überleben können auf diesem Planeten.)

      Die Böden sind überdüngt. Der Humus fehlt. Die Wälder werden gerodet, dass die Erde nur so raucht. Falls es Außerirdische gibt: Die werden sich wundern, was das für Wesen sind, die sich die eigene Überlebenswelt kaputt machen.

      Tiere mästen ohne Rücksicht auf Tierleid und die Folgen für den Menschen. Hauptsache, Schnitzel auf dem Tisch, so billig, dass irgendwann noch der letzte Bio-Bauer aufgeben muss.

      Eine Greenpeace-Studie, die aufhorchen lassen müsste. Alles schwarz auf weiß im Weltklima-Bericht. Die Lebensmittel schamlos versaut mit Chemikalien. Geht übrigens nicht nur der Boden kaputt davon, sondern auch der Bauch. Wurscht. Die Welt hat eben andere Sorgen als das Überleben des Planeten und der Kindeskinder. Zum Beispiel, ob Nicole Kidman schwanger ist und ob Boris Becker wieder eine neue Alte hat. Unsere Sorgen möchte man haben. Gute Nacht, schöne Welt.

       9. Jänner 2008

      Wertes und unwertes Leben

      Das Gespräch mit Kardinal Schönborn, sein Entsetzen darüber, dass Abtreibung zum Kaufhaus-Angebot wird. Man muss kein besonders katholischer Mensch sein, um das Entsetzen zu teilen.

      Schrecklich schöne neue Konsumwelt. Du kannst alles haben, und du kannst alles entsorgen. Du kannst dir jede Sorte Glück kaufen, legal oder illegal. Hoffnung, Liebe, Anerkennung, alles den Marketing-Mechanismen unterworfen. Nie sagt jemand in der Werbung: Das Leben kann ziemlich traurig, ziemlich gemein, ziemlich hart sein. Generalbotschaft: Glaub nicht an das Glück im Himmel, glaub nur an deine Kreditkarte. Es ist nicht Gott, der den Takt des Lebens vorgibt, es ist der Mastermind der Industrie. Was sollen einen ethische Fragen noch scheren. Abtreibung, so unkompliziert wie möglich, so schonend wie möglich. Und bitte preiswert. Das entsorgte Kind – schon gesehen, ab wie viel Euro? Es muss jemand nicht unbedingt an die zehn Gebote glauben. Es kann jemand den Sinn dahinter auch ohne Frömmelei erkennen: Regeln, die das Zusammenleben unter Menschen verbessern sollen. Die Menschen schützen sollen. Das Leben schützen sollen. Auch das ungeborene.

      Und das Unwerte. Es ist inzwischen leicht, ein möglicherweise behindertes Kind auszusortieren. Welche Kriterien sind die nächsten, um wertes von unwertem Leben zu unterscheiden? Zu wenig schön/nützlich/angepasst, um auf dieser Welt zu leben? Zu alt, zu schwierig, zu langsam?

      Vielleicht gibt es eines Tages nicht nur Abtreibung im Kaufhaus, sondern man kann dort gleich unnütz gewordene Angehörige loswerden. Apropos Abtreibung: Es gibt eine ziemlich gute Alternative. Adoption statt Abtreibung. Es muss ein gutes Gefühl sein, sein Kind leben zu lassen.

       5. Februar 2007

      Als würde eine neue Welt nachwachsen

      Mit dem ewigen Eis ist es jetzt auch nichts mehr. Das hatte schon einen schönen tröstlichen Klang. Ewiges Eis. Kann also passieren, was will auf der Welt. Das Eis hält. Ewig.

      Oder doch nicht, leider. Das Eis am Nordpol schmilzt dahin, und zwar rassig. Dreimal so schnell wie auf dem Computer errechnet. Den hatte man mit den bösen Umweltsünden und Klimadaten gefüttert. Aber die Umweltsünden sind offenbar noch viel böser und viel schneller wirksam als erwartet.

      Der Internationale Klimarat ist auch auf die falschen Berechnungen hereingefallen. Die Wirklichkeit, nämlich die sommerliche Schmelzquote in der Arktis, ist dem Computer um dreißig Jahre voraus. Es schaut dort also jetzt schon so aus, wie es erst etwa 2040 ausschauen dürfte.

      Aufgrund der von der Wirklichkeit überholten Prognosen wurden nun neue Prognosen aufgestellt. Schon ab 2050 könnte man live dabei sein beim eisfreien Sommer am Nordpol. Vielleicht schon früher, falls diese Hochrechnungen auch wieder zu optimistisch waren.

      Und was dann 2100 alles sein wird! Man möchte es vielleicht gar nicht so genau wissen, und man wird es eh nicht erleben müssen. Wer jetzt kein Kind mehr ist, hat die besten Chancen, allen weiteren denkbaren Klimakatastrophen auf natürlichem Weg zu entgehen.

      So gesehen geht’s einen eigentlich eh nichts an, ob am Nordpol die Sahara ausbricht oder sonst was. Aber die Kinder, die eigenen und die fremden, dürfen einem schon leidtun. Wie diese Welt herabgewirtschaftet wird. Als würde eine neue nachwachsen.

       3. Mai 2007

      2 | Helden & Verlierer

       »Und wie still und leise so ein Sieg sein kann … Demut und Dankbarkeit statt Gebrüll und Überschwang.«

      Nerven habt ihr! Danke.

      Das


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