Speedy – Skizzen. Florian Havemann
du auf die eine schon eine schallende Backpfeife bekommen hast – ich meine: wer macht das schon, wer ist dazu fähig? Wir doch nicht, denn wir sind ja auch des Teufels Kreaturen, und damit wir nicht auf falsche Gedanken kommen der Liebe, der Nachsicht, des großen Verzeihens, der noch größeren Vergebung, hat er sich dann seines Werkzeuges Paulus bedient, des ehemaligen Verfolgers der wenigen Christen, und hat da eine Kirche auf ihn gebaut, eine Institution und damit dann das Gesetz, die Inquisition und das Segnen der Waffen – nun gut, ob das jetzt noch dieser Marcion ist oder schon meine eigene Sekte, ich weiß es nicht.
Kapitel 17: Schöpfer unter sich
Gott mischt sich nicht ein, Gott hält sich fein raus und meditiert irgendwo im wirklichen Jenseits vor sich hin, er ist ja viel zu klug, sich die Hände mit der Welt schmutzig zu machen, und daß die Macher meist nicht nur Teufelskerle, sondern auch des Teufels sind, das wissen wir ja nun zur Genüge, und spätestens seit der Leibhaftige durchs Brandenburger Tor marschiert ist mit seiner kotbesudelten Truppe unterm Fackelschein, dessen Feuer natürlich direkt von den Kesseln in der Hölle kam. Und auch er wollte ja gleich mal eine Autobahn bauen und irgendwas schaffen in der Welt, der Mann ist ein verhinderter Architekt, und siehe da: es war gut – irgendwo muß das doch herkommen, daß die anderen Völkerschaften da in Asien und Afrika so unglaublich faul sind, denn sie haben ja den Schöpfer nicht, den wir haben, und das Schaffe, schaffe, Häusle baue meiner ehrenwerten früheren schwäbischen Landsleute, es ist nicht eigentlich christlich zwar, aber dafür alttestamentarisch – denn christlich ist ja sowieso nichts, außer es ist nicht von dieser Welt. Was aber, und damit verlasse ich Marcion und meine eigene abstruse Religio, wenn wir uns den Macher-Gott nicht als Arbeiter, nicht als einen Ingenieur wie Henry Ford vorstellen, sondern eher als Künstler, dann klärt sich doch vieles auf, denn auch mir will es ja oft so scheinen, wenn ich ein Bild fertig habe, es sei perfekt, und mit dem unerbittlichen Abstand der Zeit merke ich dann, es wimmelt nur so von Fehlern, und trotzdem habe ich dann etwas gemacht und bin der Allmächtige, meiner Kunst jedenfalls. Jeder formt sich seinen Gott nach seinem Bilde, und genau darin liegt der Hund begraben und kläfft scheintot immerfort, denn wer sagt denn, daß wir mit unserem menschlichen Vergleich mehr können als alle Vergleiche, nur hinken und in die Irre laufen, denn wahrscheinlich ist sie das gar nicht, die Welt, schlecht gemacht, weil nämlich überhaupt nicht gemacht, sondern nur so irgendwie entstanden, und wir können’s uns nur nicht vorstellen.
Kapitel 18: Fragen, Antworten und wieder Fragen
Frage: »In welchem Verhältnis stehen Sie zur katholischen Kirche?«
Antwort: »Eigentlich in gar keinem.«
Frage: »Glauben Sie an Gott?«
Antwort: »Das eigentlich nicht. An einen Schöpfergott vielleicht, aber nicht im Sinne der Kirche.«
Mein Zugeständnis an den Zeitgeist – ich bin ein schwacher Mensch.
Frage: »Auf Vorhalt, immer wieder in der katholischen Kirche St. Marien gesehen worden zu sein – geben Sie häufige Kirchenbesuche zu?«
Daß sie dort ihre Spitzel haben, davon war ja eigentlich auszugehen gewesen.
Antwort: »Meine Frau Elfriede Elisabeth, geborene Koehler, Schweizer Staatsbürgerin, ist praktizierende Katholikin. Ich begleite sie regelmäßig zur Messe.«
Frage: »Sind Sie und Ihre Frau kirchlich getraut?«
Antwort: »Ja, das sind wir.«
Frage: »Warum haben Sie sich kirchlich trauen lassen, wenn Sie doch vorgeben, nicht an Gott im Sinne der katholischen Kirche zu glauben?«
Antwort: »Weil für meine Frau die Ehe nur nach einer kirchlichen Trauung als geschlossen gilt.«
Frage: »Auf Vorhalt, beim Empfang der Kommunion gesehen worden zu sein – erklären Sie diesen Widerspruch.«
Diese Vorhalte, die mag er besonders gern, sollen sie mir doch demonstrieren, sie wüßten alles.
Antwort: »Ich nehme die Kommunion nur meiner Frau zuliebe in Empfang.«
Frage: »Sind Sie getauft?«
Antwort: »Natürlich.«
Frage: »Sind Sie offiziell aus der Kirche ausgetreten?«
Völlig überflüssige Frage, denn seit dem Konkordat zahle ich doch die Kirchensteuer über das Finanzamt.
Antwort: »Nein, ich bin nicht aus der Kirche ausgetreten.«
Frage: »Wegen Ihrer Frau.«
Antwort: »Ja, wegen meiner Frau.«
Frage: »Wo haben Sie die beiden Herren, Herrn Karl Müller und Herrn Wilfried Schmidt kennengelernt?«
Antwort: »In der Kirche St. Marien, nach einer Messe.«
Frage: »Wie ergab sich der Kontakt zu beiden? Sind Sie einander vorgestellt worden?«
Antwort: »Der Kontakt ergab sich zufällig und aufgrund der schwäbischen Mundart der beiden Herren. Auch ich komme aus Schwaben. Wie sich herausstellte, waren die beiden Herren neu in Berlin und auf der Suche nach einer Unterkunft für die Zeit ihres Studiums der Theologie.«
Frage: »Wer von Ihnen hat den Herren Müller und Schmidt ein Untermietsverhältnis in Ihrem Hause angeboten, waren Sie das oder war das Ihre Frau?«
Antwort: »Daran kann ich mich nicht genau erinnern, aber wahrscheinlich war ich das. Ich führe die Haushaltskasse, und wir brauchten dringend Einkünfte, wie sie aus einem solchen Untermietsverhältnis zu erzielen sind.«
Frage: »Sie haben also keine sonstigen Einkünfte?«
Antwort: »Nicht ganz, denn ab und an verkaufe ich schon noch etwas, und ich bekomme doch auch von meinem Bruder, der in Berlin ein Lokal besitzt, regelmäßig eine kleine Unterstützung.«
Frage: »In welcher Höhe?«
Antwort: »Monatlich 75 Mark.«
Frage: »Was natürlich zum Leben nicht ausreichen dürfte.«
Antwort: »Mir aber doch sehr beim Kauf der nötigen Malmaterialien hilft.« Groß zu interessieren aber schien ihn das mit meinem Bruder nicht – an so einer brüderlichen Unterstützung dürfte ja schließlich auch nichts Unnationalsozialistisches dran sein. Er sagte nur, daß sich diese meine Angaben ja sicher überprüfen ließen, und mir blieb nur, eifrig zu nicken. Was ihn natürlich viel mehr und allein nur interessierte, das waren diese beiden vermaledeiten Untermieter, das katholische Pack. Das mit Schwanz dran.
Frage: »In welchem zeitlichen Abstand sind die Herren Müller und Schmidt bei Ihnen im Hause als Untermieter eingezogen?«
Antwort: »Das ist mir nicht genau erinnerlich, ich nehme aber an, ungefähr eine Woche später.«
Frage: »Hatten Sie zwischenzeitlich noch Kontakt mit den beiden Herren?«
Antwort: »Ja, telephonisch, um mit Ihnen die Einzelheiten zu besprechen.«
Frage: »Hatte Ihre Frau vor dem Einzug bei Ihnen Kontakt zu den beiden Herren?«
Antwort: »Das ist mir nicht bekannt.«
Frage: »Seit wann hatte Ihre Frau dann ein intimes Verhältnis mit Herrn Müller und Herrn Schmidt?«
Antwort: »Auch das ist mir nicht genau bekannt.«
Frage: »Wollen Sie damit sagen, daß Sie dies nicht bemerkt haben?«
Antwort: »Meine Frau hat mich davon nicht in Kenntnis gesetzt, und auch die Herren Müller und Schmidt haben nie mit mir darüber gesprochen.«
Frage: »Sie leben in einem kleinen Haus – wie wollen Sie erklären, daß Sie davon nichts mitbekommen haben wollen, daß Ihre Frau mit den beiden Herren intim verkehrte?«
Antwort: »Ich kann mir dies nur so erklären, daß ich vollkommen die Augen vor dieser Möglichkeit