Speedy – Skizzen. Florian Havemann

Speedy – Skizzen - Florian Havemann


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Teil unseres Grundstückes auf.«

      Frage: »Hat Ihre Frau ihre intimen Kontakte mit den Herren Müller und Schmidt auf die Zeit am Tage beschränkt?«

      Antwort: »Das weiß ich nicht. Ich arbeite oft auch bis spät in die Nacht hinein.«

      Frage: »Haben Sie ein gemeinsames, eheliches Schlafzimmer mit Ihrer Frau?«

      Antwort: »Nein. Ich schnarche.«

      Eine maßlose Übertreibung.

      Frage: »Gibt es eine Verbindung zwischen dem Schlafzimmer Ihrer Frau und den an die Herren Müller und Schmidt vermieteten Räumen?«

      Antwort: »Nicht direkt, aber das von uns bewohnte Haus ist klein.«

      Frage: »Auf Vorhalt, Ihre Frau sei mit den beiden Untermietern zusammen im Bad gesehen worden – nehmen Sie dazu Stellung?«

      Antwort: »Ich kann dies nicht bestätigen. Kann dies aber auch nicht ausschließen. Meine Frau verschließt aufgrund einer frühkindlichen Phobie gegenüber verschlossenen Räumen das Badezimmer nicht. Es könnte auf diese Weise zu Zufallsbegegnungen zwischen meiner Frau und den beiden Herren im Bad gekommen sein.«

      Frage: »Ihre Frau ist dabei beobachtet worden, wie sie in unbekleidetem Zustand im Haus herumgelaufen ist, während die Herren Müller und Schmidt anwesend waren.«

      Hier hatte er seinen Vorhalt vergessen.

      Antwort: »Ich bin Maler, und meine Frau stellt sich mir dankenswerterweise des öfteren als Aktmodell zur Verfügung.«

      Frage: »Ihre Frau ist aber nicht in Ihrem Atelier in unbekleidetem Zustand beobachtet worden, sondern im vorderen, von der Straße einsehbaren Teil Ihres Hauses.«

      Schweine, Spanner, Voyeuristen.

      Antwort: »Meine Frau ist FKK-Anhängerin.«

      Eine glatte Lüge.

      Kapitel 19: Unnötige Nachbemerkung

      Manchmal hilft nur eine glatte Lüge, auch wenn das natürlich gefährlich ist, denn Speedy würde dies, auf Nachfrage bei ihr, ja so niemals bestätigen. Und in diesem Stil geht das seitenweise in den Protokollen der Vernehmung, und ich muß das alles mit meiner Unterschrift bestätigen. Auf jeder Seite unten, denn in Deutschland ist die Ordnung groß. Früher war meine Unterschrift, meine Signatur mal Geld wert, ein Druck, wenn er denn unterschrieben, signiert ist, kostet ja gleich was mehr. Ich hab noch nie so oft meinen Kaiser-Wilhelm gepinselt wie in diesen Tagen – nein, ich will ihn nicht wiederhaben und sein Kaiserreich, bloß nicht. Hitler soll ja als Boheme nicht so ein Aktenfresser sein, und vielleicht findet er’s auch besser, wenn’s nichts Schriftliches von ihm unterschrieben gibt, als Nachweis für spätere Zeiten, wenn seine Tausend Jahre mal um sind.

      Kapitel 20: Alle Zeit der Welt

      Das dauert und dauert, diese Tortur der Vernehmung, des Verhörs, und du hast das Gefühl, das höret nimmer auf. Aber wenn es dann ums Protokoll geht, dann kannst du das umdrehen und als machtlos untersuchter Untersuchungshäftling so eine korrekte deutsche Beamtenseele ein bißchen quälen, denn so ein Protokoll, das muß ja korrekt sein. Aber erst mal sitzt du da wie ein Dummdödel und vertrödelst deine Zeit mit Warten, während er nun am Schreiben ist und all den Quatsch aufschreibt, den du ihm in den Stunden zuvor erzählt hast, und du starrst Löcher in die Luft und kennst bald jede Maserung auf dem Tisch vor dir, dann aber, wenn’s endlich fertig ist, das Protokoll, dann kommt dein Moment, und wenn du kannst, machst du daraus eine Stunde, ziehst du es in die Länge – auch er will ja mal nach Haus und Feierabend haben und seine Alte bumsen. Aber du hältst ihn fest, denn du hast natürlich dies oder das oder jenes doch anders ausgedrückt oder gemeint oder eigentlich ausdrücken gewollt, und bliebe es so nun stehen, es wäre falsch, und das muß dann ja alles ordentlich korrigiert werden, so lange, bis sich die Seiten ins reinste Chaos verwandeln und dein Schreibknecht stöhnt und ihm genervt die Lust auf seine Olle vergeht, und dir gefällt’s, und vielleicht liest das dann ja auch niemand noch einmal, wo’s so durcheinander ist und recht arg deshalb mühsam, mühevoll, qualvoll sein dürfte, und so erfüllt dann das, was für deine Gefangenenpsyche gut ist, möglicherweise auch noch einen segensreichen Zweck.

      Kapitel 21: Weiter mit dem Messer

      Und während er sich nun mit dem Protokoll abmüht, mache ich geruhsam etwas Nützliches: ich spitze meine Bleistifte an – wie das nun? Ganz einfach: Ordnung muß natürlich Ordnung bleiben, aber die Vorschriften, die strikten, die, die angeblich keine Abweichung erlauben, sind immer nur das eine, und der, der sie durchsetzen muß, der ist immer auch noch ein Mensch, und das sogar als Deutscher und als Beamter, und wenn sie klug sind, die deutschen Ordnungsgeber, die obersten Behördenbestimmer, dann geben sie so einem kleinen, subalternen Beamten auch ein bißchen was an Spielraum der eigenen Entscheidung, auf daß er dann Willkür walten lassen kann und seine Macht spüren als Vertreter des Staates – anders ausgedrückt: man muß nur lange genug jammern und bitten und betteln und dies vielleicht mit dem weiblich anmutenden devoten Eifer tun, wie ich es wegen dieses blöden Anspitzers getan habe, von dem ich Blasen an den Fingern kriege beim vielen Anspitzen, das auch für das Schreiben nötig ist und, meiner bisherigen Erfahrung nach, sogar mehr notwendig ist denn beim Zeichnen – aber ich habe ja nicht den Vergleich, habe so ein kleines Fummelding früher nie benutzt. Doch das Klagen, Jammern und Bitten, mich von dieser praktischen Errungenschaft zugunsten meines altertümlichen Messers zu erlösen, das wird nicht ausgereicht haben, auch wenn er das vielleicht gerne hatte, der Vernehmer, der Mann, mich so weibisch winseln zu hören, hinzukommen mußte das rationale Argument, und das erst, als es mir endlich eingefallen war, ergab die Wendung: ich habe meinen Kriminaloberst also darauf aufmerksam gemacht, daß es sich bei diesem Bleistiftanspitzer um eine Waffe handle, und da hat er mich dann schon etwas verdutzt angestarrt, wo er sich doch in dem sicheren Glauben wähnte, er wäre der große Bescheidwisser, was Waffen betrifft. Ja, sagte ich, eine Waffe, denn in diesem Bleistiftanspitzer gebe es doch so ein kleines Messerchen, und dieses Messerchen, es sei doch, wenn auch sicher mit einer gewissen Mühe, aber Gefangene sind ja erfinderisch in ihrer Not, aus seiner Verschraubung zu lösen, und hat man es erst mal in der Hand, dann dürfte doch dieses Messerchen, so klein es ist, dazu durchaus ausreichen, sich mal eben, mir nichts, dir nichts, die Pulsaderchen aufzuschneiden. Oder man verschlucke es, und es tue dann inwendig seine Wirkung. Das ergibt sicher schon eine tödlich wirkende Dosis an hart gehärtetem Stahl – deutsche Wertarbeit, eine gute Klinge, richtig schön scharf. Und da schaute er doch etwas bedripst aus der Wäsche, aus seinem Uniformkragen, der fesche deutsche Beamte: daß er daran nicht gedacht hatte. Und das war natürlich gut, daß er vorher daran nicht gedacht und in diesem Moment seines Schocks dann nur das Nichts eines Verordnungsnirwanas im leeren Kopf hatte, denn so konnte ich doch gleich mit meinem Vorschlag kommen, wie unser Problem zu lösen sei – ich sagte unser, und auch er sagte dann unser, und unser ist gut, denn wäre es mein Problem allein, es fände sich dafür in geordneten, anders geordneten Verhältnissen garantiert keine Lösung, und mein Vorschlag, er lautete ganz simpel, er möge mir doch gestatten, meine Bleistifte hier während der Vernehmungen und damit unter seiner Aufsicht anzuspitzen. Und dieser Vorschlag, er war so gut, so einleuchtend, daß er auch in sein deutsches Beamtengehirn Einlass fand und von ihm als eigentlich ganz logisch bewertet werden konnte, als die Lösung unseres Problems – Heureka, das war’s schon, und also erlaubte es mir mein guter Vernehmer dann freundlicherweise, daß ich mir meine Stifte zu den Vernehmungen mitbringen darf, um sie während dieser sonst sich so mühselig dahinschleppenden Zeit mit dem Messer, meinem altgewohnten Anspitzmesser, dem guten, das mir schon so viele gute Dienste erwiesen hat, anzuspitzen, sie in meiner gewohnten Manier schön spitz zu schnitzen – da geht dann auch die Zeit schneller rum, ich habe was zu tun, während er sich mit dem Protokoll abquält. Heute zum ersten Mal hatte ich sie mit, den ganzen Packen stumpf gewordener Stifte, und er, er hatte das Messer schon aus der Effektenkammer holen lassen, und das gab dann ein freudiges Wiedersehen – wie sehr man doch von solchen Gegenständen emotional abhängig ist, wie viel an Vertrautheit von ihnen ausgehen kann,


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