Speedy – Skizzen. Florian Havemann

Speedy – Skizzen - Florian Havemann


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du zufrieden damit?«

      Ich nickte, sie aber fragte, womit ich denn zufrieden sei, damit, daß sie mich nicht in Weiß heirate, stattdessen aber in diesen Knöpfstiefeln, oder aber damit, daß sie mit Masseck bis zum Tage unserer Hochzeit sexuell verkehren werde. Mit den Stiefeln, antwortete ich, in Weiß könne ich mir sie gar nicht vorstellen, und das Verhältnis mit Masseck, das liege allein in ihrer Entscheidung, und Speedy sagte: »Dann werden wir also heiraten.« Und als sie das gesagt hatte, setzte sie sich zu mir an den Rand meines Bettes, nahm meine Hand, legte sie auf den Schaft ihrer Stiefel und sah mich eindringlich an. Ich wich ihr nicht aus, ich liebte sie. Wir schwiegen, schwiegen lange.

      Speedy: »Du fragst gar nicht nach Masseck?«

      Ich: »Doch, ich frage dich nach ihm.«

      Speedy: »Eine Frage hast du frei, mehr nicht.«

      Ich: »Die Frage, die ich dir stellen will, ist die, ob du eigentlich mit Masseck geschlafen hast, bevor er dich dann in seiner Filmkritik der Erwähnung wert fand, oder danach, zum Dank sozusagen.«

      Erstaunlicherweise wich Speedy einer direkten Antwort aus, sie sagte nur, und sie sagte es schnippisch, auch ein solcher Dank könne ja karrierefördernd sein, denn schließlich folge auf einen Film ein anderer oder solle es zumindest, und da müsse sich ein kleines Filmmädchen schon bei denen Liebkind machen, auf die es ankäme. Das wäre doch alles Spekulation, und eine Erwähnung in der Kritik, das wäre schon mal eine ganz gute Aktie. Die müßtest du dann aber auch allen, auf die es ankommt, unter die Nase reiben, sagte sie, und diskret zu sein könne sich keine dabei leisten, aber, und plötzlich ernst werdend, das sei doch alles für sie vorbei, das mit diesen kleinen Rollen, die ganze Filmerei, sie wolle sie aufgeben, wo sie doch jetzt zur Künstlergattin werde – das mit der Künstlergattin, das hörte sich schon mal schrecklich an in seinem heiligen Ernst, denn was gibt es Schlimmeres als Künstlergattinnen, als diese Frauen, diese dann meist sehr schnell völlig reizlosen Frauen, die sich für das Werk, das dichterische, das malerische, das schriftstellerische, ihres Mannes aufopfern, die sich quasi durch ihren Mann zu verwirklichen suchen, um dann irgendwann Künstlerwitwe zu werden und damit den Höhepunkt an Verblendung zu erreichen, wenn sie nun über all das allein bestimmen können, was ihre Männer geschaffen haben. Aber ich wußte natürlich, daß das gar nicht der wahre Grund dafür war, daß Speedy mit der Filmerei Schluß machen wollte, und nahm das mit der Drohung, sie wolle nun Künstlergattin werden, deshalb auch nicht ganz so ernst. In dieser Rolle sah ich sie nicht, nicht aufgehen, Speedy doch nicht. Das war doch klar und auch Speedy klar, daß eine schauspielerisch mäßig begabte Dilettantin wie sie nur dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn sie nach ihrem Filmdebüt, nach einer ersten kleinen Nebenrolle, von einem Regisseur, einem Produzenten, einem Filmmogul entdeckt wird, als ein neues Gesicht für den deutschen Film, wie es dann in der Zeitung geheißen und so auch zuerst bei Masseck in der BZ am Mittag gestanden hätte, mit einem großen Foto von ihr. Schauspielunterricht, den kann so ein Sternchen ja dann immer noch nehmen. Ansonsten bleibt das doch ein Gastspiel in der Welt des Films, der Verbrauch an jungen Frauen mit einer hübschen Larve, der ist doch enorm in dieser Branche, und nur eine dumme Pute versteht nicht, was da gespielt wird, auch mit ihr gespielt wird, dumm aber, das ist Speedy nicht. Und dumm war sie auch damals schon nicht. Entdeckt, in diesem Sinne entdeckt, das hat sie doch keiner von diesen Filmgewaltigen aus Babelsberg bei Berlin, und deshalb blieb meine Frage danach, wann sie sich mit Masseck eingelassen hatte, bestehen, sie war nur noch durch die Frage nach dem Warum zu ergänzen, wo’s doch eigentlich schon zu spät für sie war und seine lobende Erwähnung eigentlich keinen großen Sinn mehr machte – von wegen karrierefördernd, eine Karriere hatte sie doch gar nicht mehr zu erwarten. Oder sollte Masseck so naiv gewesen sein anzunehmen, er könne seiner Speedy eine solche noch in der BZ am Mittag herbeischreiben?

      Nein, so naiv sei Masseck nicht – Speedy reagierte fast beleidigt, als ich das sagte. Der einzige, der hier naiv wäre, das sei ich, der ich von der Welt des Films nicht die blasseste Ahnung hätte. Ja, sie kenne Masseck, den Zeitungsschreiber Masseck, von Babelsberg her, und sie habe ihn dort auf einer dieser Partys dort kennengelernt. Und natürlich bevor er dann ihren Namen in seinem Boulevardblatt erwähnt habe, und das sei eine ganz persönliche Geschichte gewesen, seine Dankesbezeugung an sie, seine Art, ihr Komplimente zu machen, aber davon verstünde ich ja auch nichts – was stimmt, ich bin kein Mann für Komplimente, ich bin doch viel zu schüchtern dazu, viel zu verklemmt. Und damit ging es gleich weiter mit ihrem Geschimpfe: Das wären doch Geschäftsleute, die von der Filmindustrie, und natürlich würden sie versuchen, diejenigen, die ihre Produkte bewerten, die ganz brutal den Daumen nach unten senken könnten, an sich zu binden, sie zu beeinflussen. So Speedy. Und direkt auf ihren Liebhaber gemünzt: Die Filmgewaltigen wären doch schön dumm, würden sie einen Mann wie Masseck von der BZ am Mittag, und grad von diesem Käseblatt, das die Masse verschlingt, nicht für sich einzunehmen suchen. Aber direkte Korruption, Barzahlung? Nein, so dumm sei nun auch wieder keiner, ein Mann wie Masseck müsse sich schon noch der Illusion hingeben können, er wäre unabhängig und frei in seinen Urteilen. Ihn immer mal wieder auf eine solche Party einzuladen, wo sie ihn kennengelernt habe, das reiche aus und dürfte auch sehr viel weniger verfänglich sein. Da fühlt sich doch ein Masseck geschmeichelt, wenn er da mit soviel Filmprominenz sein Bier trinken kann. Und dann könne ich doch mal davon ausgehen, daß das die entsprechenden Leute ein paar von den Mädels schon stecken würden, daß sie sich mal ganz besonders um den gutaussehenden Mann kümmern sollten, den Masseck, den Zeitungsmann. Das könne durchaus karrierefördernd sein, würde dann gesagt, aber damit sei doch nicht das mit so einer Erwähnung in einer Kritik gemeint wie bei ihr dann, intern wird das geregelt, weil’s für die ganze Branche gut ist, wenn die Kritik zahm ist und nur nettes Zeug schreibt. Bei Erfolg wird das belohnt, mit einer nächsten Rolle im nächsten Film, so ein Annäherungsversuch, und wenn ein Mädel einem wie Masseck den Abend versüßt – ob ich’s denn noch immer nicht verstünde? Doch, doch, ich verstand schon, daß Speedy, als eine der intelligenteren von den Mädels, wie sie das nannte, mit zu denen gehört haben wird, die man auf einen Zeitungsschreiber wie Masseck ansetzt, ihm beizuwohnen, sich von ihm auch beschlafen, beischlafen zu lassen.

      »Wenn du’s unbedingt ganz genau wissen willst«, sagte Speedy, »die haben sehr große, sehr geräumige Villen dort in Babelsberg und oben, das Gästezimmer unterm Dach, es steht bereit, für dich und einen wie Masseck.«

      Kapitel 35: Sünden-Babelsberg

      Ein Abgrund tat sich für mich auf, ein Abgrund an Verworfenheit – was waren wir doch alle harmlos dagegen in unserer kleinen Tingeltangelwelt. Und bei unseren Ausstellungseröffnungen, wo nur die nach Ölfarbe stinkenden Malweiber rumhockten und gern abgeschleppt worden wären von unsereins, den Künstlern mit Namen. Ein Abgrund, ein sehr reizvoller Abgrund, das muß ich schon sagen, Babylon Babelsberg und Speedy mittendrin, die große Sünderin. Und sie sah es mir an, daß sie mir Eindruck machte mit ihrem Vorleben, ihrem bewegten Vorleben, und das löste ihre Zunge, das brachte sie zum Erzählen, und sie erzählte stundenlang – ich kann mich gar nicht mehr an alles erinnern, das verschwimmt bei mir im Gedächtnis zu einem großen Sittenbild der großen Sittenlosigkeit, faszinierend. Sie erzählte von mehreren Festen, zu denen sie eingeladen oder einfach direkt vom Dreh mitgenommen worden war, von Festen, auf denen es heiß herging, die schon mittags begannen und mitten in der Nacht erst endeten. Feste, bei denen nach und nach alle die Babelsberger Filmgrößen aufkreuzten, sich wenigstens mal für eine halbe Stunde blicken ließen, auch die von der jeweiligen Konkurrenz. Sie nannte keine Namen, und diese Namen, sie hätten mir auch nicht viel bedeutet, die Filmwelt, das war nicht meine. Und sie erzählte davon, daß man sie dorthin rudelweise einlud, die kleinen Filmsternchen, die Mädchen mit den Nebenrollen, die aus der zweiten, dritten Reihe, daß sie sozusagen dazu da waren, so ein Fest, so eine garden-party mit ihren weiblichen Reizen zu garnieren, mit Reizen, von denen man annahm, sie würden sie freizügig zur Schau stellen und spielen lassen – wer nicht mittat, der wurde dann nie wieder eingeladen, und dort eingeladen zu sein, das war ein Muß für die Mädels, wollten sie eine nächste Rolle ergattern, und Speedy tat mit, tat gern mit, wie sie sagte, im aufreizenden Geschnatter und Gekicher der Mädchen, wie sie in diesen Kreisen nur genannt wurden, und sie tat auch gern mit, wenn’s ans Ausziehen ging zum Baden im pool, wie die Babelsberger Schwimmbecken genannt wurden,


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