Speedy – Skizzen. Florian Havemann

Speedy – Skizzen - Florian Havemann


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daß er zu gut aussah, um nicht auch bei Speedy vielleicht Eindruck zu machen. Da hätte ich doch nichts dagegen gehabt – überhaupt nicht und umgekehrt wird da schon eher ein Schlechter’scher Knöpfschuh draus: daß nicht nur Speedy auf den Maler, der sie malen sollte, ihr Portrait und hoffentlich ein bißchen mehr von ihr, Eindruck mache, sondern dieser Maler, vor dessen Staffelei ich sie setzen wollte, dessen Pinsel ich sie ausliefern wollte, auch auf meine Frau einen gewissen Eindruck mache, darum ging es mir ja grad über das Resultat hinaus, über das Bild, das dabei entstehen sollte, und ich will mal gar nicht so tun, als wäre es mir dabei nur darum gegangen, daß meine Speedy dann sicher sehr viel freizügiger als Modell gewesen wäre und deshalb dann das Bild von ihr auch besser, wenn ihr dieser Maler, der sie malt, einen solchen Eindruck macht, daß auch sie ihm Eindruck machen will, ihm Eindruck zu machen versucht, ich will da gar nicht drum herumreden, daß meine Intentionen bei dem ganzen Manöver noch etwas weitergingen und ich darauf aus war, meine Speedy einem andern Mann, einem Malerkollegen quasi, ins Bett zu legen. Daß er sie malt, das sollte sozusagen nur die Vorstufe sein, die Vorbedingung des eigentlichen, daß er sie beschläft, sie zu seiner Maitresse macht, eine Affaire mit ihr anfängt, und das Problem mit Schad war, daß er, der Schönling, der vielfach Umschwärmte, der Liebling vieler Frauen, daraus sexuell nichts für sich machen konnte. Schad, der so viele Liebschaften hätte haben können, hatte keine, das war stadtbekannt in Berlin. Schad konnte die schönen Frauen nur malen, und dann wischte er seine Pinsel ab und machte seine Palette sauber und biß wahrscheinlich in der Nacht dann vor Wut ins Kissen wegen seiner Unfähigkeit, die Weiber umzulegen, die sich ihm liebend gern hingegeben, von ihm nur zu gern hätten umlegen lassen. Das Problem mit Schad war, daß er ein Problem hatte, ein sexuelles, ein psychologisches, und das machte ihn mir zwar sympathisch, der ich noch ein paar mehr Probleme hatte und immer noch habe, Probleme ebenso sexueller, psychologischer Natur, und gehemmt sind wir doch beide, aber deshalb fiel er natürlich aus und konnte für meine Pläne nicht der geeignete Kandidat sein – interessant ist ja auch, was aus Schad wurde, als unsere Freunde, die Nazis, die Macht an sich rissen: Schad hätte doch glattweg nach Paris ausweichen und dort mit seinen so bewundernswert glatten Oberflächen ein großer Modemaler werden können, ein größerer vielleicht sogar als Pascin zu seiner Zeit, oder wenigstens zurück in sein Italien gehen können, zu seinen Faschisten, die es doch mit der modernen Kunst nicht so genau nehmen und bierernst wie ihre deutschen Nachahmer. Aber nein, Schad blieb im Lande, und er hörte auf zu malen, stellte seine künstlerische Tätigkeit gänzlich ein und wurde stattdessen Kaufmann und wohl nach allem, was ich gerüchteweise so höre, ein gar nicht wenig erfolgreicher Kaufmann, ein Zwischenhändler für Ich-weiß-nicht-was. Das hat schon Konsequenz, das muß man dem Mann lassen. Eine entschlossenere Schlußfolgerung aus der Erkenntnis, in welch kunstfeindlichen Zeiten wir leben, dürfte schwer vorstellbar sein, aber ich erkläre das natürlich auch psychologisch und denunziere es vielleicht damit: er wird seines Erfolges nicht froh geworden sein, der arme, einsame Mann, der so viele Frauen hätte haben können, die ganze Kunst auf Dauer ein Greuel für ihn, und außerdem würde ich sagen, daß sich seine Methode wahrscheinlich doch rasch erschöpft hätte, die Glätte an und für sich, das ist es doch nicht, und ich will ihm das mal zugute halten, daß er so klug und sensibel war zu erkennen und zu ahnen auch, daß er da bald, sehr bald keine guten Bilder mehr damit würde malen können, daß seine bewundernswerte Glätte zur bloßen Manier und Manie hätte verkommen müssen, zu seinem todsicheren Erfolgsrezept, zum Tod also seiner Kunst – also war er klüger als ich, klüger und sensibler auch als ich, der ich dann diese Idiotie besaß, gerade auf seine Glätte in der Oberflächenbehandlung einzuschwenken. Aber das läßt man natürlich nicht gern auf sich sitzen, der dümmere und rohere Geselle zu sein im Vergleich mit einem Zeitgenossen, zumal, wenn der einem dann auch noch persönlich bekannt ist, und deshalb höre ich also mit einer gewissen Genugtuung, daß Schad drauf und dran sein soll, rückfällig zu werden. Er verhandele, so geht das Gerücht, was man so aus Künstlerkreisen zu hören bekommt, selbst dann, wenn man nicht mehr richtig dazugehört, mit der Stadt Aschaffenburg darüber, daß er für sie eine Kopie der Stuppacher Madonna von Grünewald anfertige, die sie dort in Aschaffenburg bei sich im Rathaus zu hängen haben und die natürlich in ein Museum gehört – die Verhandlungen ziehen sich hin, und Schad soll richtig Geld dafür verlangen, und ein paar Jährchen Arbeit dürfte das auch bedeuten. Und auch sein totales Ende als Künstler, und ob ich ihm das nun wünschen soll, ich weiß es nicht. Einer weniger – schade drum, Herr Schad. Oder doch nicht schade drum?

      Kapitel 39: Also Pascin, also Paris

      Pascin war häßlich genug, und Pascin war ein Säufer – was ich aber nicht wußte. Auch Pascin hatte also ein Problem, ein Alkoholproblem. Er trank ein bißchen zuviel, und er fing gleich am Vormittag mit dem ersten Glas Rotwein an. Zum Glück, kann ich nur sagen, bin ich davon verschont geblieben, mich dem Alkohol zu ergeben – eine Zeitlang, während meines Studiums und als ich noch überhaupt nicht wußte, wo ich künstlerisch hin will, sah es so aus, als hätte es mich auch erwischt, doch dann kam die Revolution, und zumindest mich hat sie also von etwas befreit, von den Schnapsbuddeln. Daß eine Frau wie Rosa Luxemburg dafür ihr Leben lassen mußte, das ist natürlich schade, aber mit Opfern ist halt immer zu rechnen, Opfer sind unvermeidlich. Auch der Dadaismus war so eine Schnapsidee, ohne daß wir was intus hatten, ging’s nicht ab, aber dann kamen ja die Anfragen, von der Roten Fahne, vom Gegner, was für eine Zeitschrift ja schon mal ein ernstzunehmender Name ist, und der einstmals alkoholisierte Schlechter wurde ganz nüchtern, auch in seiner Kunst. Aber ewig hat das natürlich nicht vorgehalten, und es meldeten sich die Süchte zurück, nur waren es andere: die sexuellen, die perversen, und die halten mich bis zum heutigen Tage gefangen – besser als der Schnaps und von Wein gar nicht zu reden, den Pascin sich leisten konnte und der mich nach dem Zeitenwechsel vollends ruiniert hätte, finanziell. Ich muß das ohne den Alkoholpegel durchhalten, der es sicher leichter machen würde, diese Gegenwart zu ertragen. Zur Flasche greifen und mal nachspülen, um den blöden Geschmack wieder loszuwerden, bei all dem, was man zu schlucken kriegt – manchmal würd ich’s schon gern, besonders jetzt, und ich kann nur froh sein, daß ich davon nicht abhängig bin. Pascin war es offensichtlich, und er ist ja daran auch zugrunde gegangen – erst künstlerisch, denn die Bilder, die er zustande brachte, die wurden ja immer fragmentarischer und blieben eigentlich unfertig, unvollendet, und da half auch nicht, daß er das zu seinem Stil erklärte, und später dann auch als Mann und damit als Mensch, denn für ihn war das ja doch wohl gleichbedeutend. Er war schon auf der Kippe, als Speedy und ich ihn in Paris sahen, diese Geschichte, die ihm dann den Garaus machte, die hatte ihn da schon im Griff, und auch wenn das dann ein Schock war, als ich hörte, er habe sich umgebracht, erstaunt hat es mich eigentlich nicht. Es waren die kleinen Mädchen, die allzu jungen Dinger, die es ihm zu sehr, allzu sehr angetan hatten, und das ist wirklich gefährlich mit denen, nicht nur, weil du mit einem Bein immer im Knast stehst, und das auch, ohne daß von dir eine nationalsozialistische Lebensweise gefordert ist, das rein bürgerliche Heldenleben, das reicht, das Bürgerliche Gesetzbuch bietet Handhabe genug, es sind die Mädchen selber, die blutjungen Dinger, die so unberechenbar sind, die einen Mann zum Wahnsinn treiben können, und auch da kann ich nur sagen: zum Glück gehen meine Leidenschaften nicht in diese unschuldige Richtung, sondern in andere, wo sich das Prinzip der Freiwilligkeit durchhalten läßt unter Volljährigen und der Mißbrauch ein anderer ist. Und das Fatale für Pascin war ja, daß ihm die Mädchen als Töchter von ihren wohlmeinenden Müttern geradezu ins Bett gelegt und jedenfalls als lockendes Frischfleisch vor die Staffelei gestellt wurden – er wähnte sich sicher und war es wegen dieser mütterlichen Oberaufsicht wahrscheinlich auch, vor der Polizei jedenfalls, nur nicht vor den Launen seiner Modelle, die mal wollten, mal nicht wollten, die auch stolz waren, von einem so berühmt-berüchtigten Modekünstler wie Pascin flachgelegt, gepudert und ihrer Jungfernschaft beraubt zu werden, dann aber plötzlich mit einem jungen Bubifax, einem Gleichaltrigen, ankamen und es pubertär und romantisch mit einem mal viel aufregender fanden. Zum Durchdrehen, zum schier Wahnsinnigwerden, und er war davon nicht nur völlig in seinen Leidenschaften okkupiert, sein ganzer Kopf war es, seine Emotionen, sein Denken und auch sein künstlerisches Wollen, und eigentlich war es vollkommen falsch, ihn Speedy malen zu lassen, und das besonders mit diesen Weiterungen, die ich dabei beabsichtigte. Speedy war zu alt für ihn. Sie hatte für seinen Geschmack zuviel Brust, und das, obwohl sie doch wahrlich eher kleine Titten hat – das mit


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