10 SHERLOCK HOLMES – Die neuen Fälle Box 4. divers

10 SHERLOCK HOLMES – Die neuen Fälle Box 4 - divers


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wandte sich zu uns um. »Und was tut Mister Moore? Sagt, er brauche einen Mann mit Sachverstand für die Tiere! Um den Stall könne sich auch ein Bursche kümmern. Ja, ein feiner Mann, der Mister Moore. Und er hat ein paar feine Pferde! Noch ein, zwei Jahre und sie laufen bei den großen Rennen!«

      »Weder Mister noch Mrs Moore sagten etwas von Pferden«, sagte ich leise zu meinem Freund. »Es war nur vom Schreiben die Rede!«

      »Es mag nichts mit der Sache zu tun haben«, erwiderte Holmes, ehe er sich wieder an den Kutscher wandte. »Sie haben gehört, weswegen wir kommen?«

      »Wegen der weißen Dame! Mister Moore sagte seiner Frau, er habe alles arrangiert! Seither ist sie sehr viel ruhiger.«

      »Was halten Sie von der Sache?«, wollte mein Freund wissen.

      »Hab nie einen Geist gesehen. Im Stall jedenfalls war die weiße Dame nie.« Er lachte leise. »Ich hab vor ein paar Jahren aus Versehen Medizin für ein Pferd getrunken. Anschließend habe ich auch Geister gesehen!«

      Holmes hob eine Braue. »So?«

      »Der Doc war da und wollte eine Entzündung am Huf auskratzen. Mir sagte keiner, dass in dem Wasser schon ein Beruhigungsmittel war. Erst, als ich einen Schluck genommen hatte, sprang ein Bursche herbei. Da war es zu spät! Machte mich eine Woche zum Gespött des Gestüts!« Er grinste schwach.

      Holmes erwiderte nichts, aber ich sah, dass er sich diese Information merken würde. Ob sie am Ende zu einem Ergebnis führen würde, vermochte er jedoch wahrscheinlich nicht zu sagen.

      *

      Mister und Mrs Moore begrüßten uns, kaum dass die Kutsche das Rondell vor dem Eingang erreicht hatte.

      Unwillkürlich schauten wir an dem Haus empor. Eine große Gaube erhob sich in der Mitte des Dachs. Das Fenster reichte fast bis zum Boden, undeutlich konnten wir die Umrisse einer Lampe erkennen, die von der Decke baumelte. Ob sie mit Gas betrieben wurde oder ob Kerzen in den Haltern steckten, vermochten wir jedoch nicht zu sagen, dazu war der Winkel zu schlecht.

      »Ja, das ist der Dachboden. Dort oben habe ich die Frau gesehen«, sagte Mrs Moore, der unsere Blicke aufgefallen waren.

      »Mister Holmes – dies ist meine wunderbare Frau Emilia!«

      »Erfreut!« Holmes küsste die Hand der Dame und tat, als habe er sie noch nie zuvor gesehen.

      Auch ich fiel in diese Scharade ein, was Mrs Moore mit einem zufriedenen Blick zur Kenntnis nahm.

      »Wo sind die Kinder?«, erkundigte sich mein Freund. »Im Haus?«

      »Bei ihrer Großmutter«, erwiderte Mrs Moore. »Es erschien mir sinnvoll, sie nicht zu ängstigen. Wir werden über Dinge sprechen, die sie nicht verstehen.«

      Holmes nickte verständnisvoll.

      »Sie sind sicherlich müde von der Reise«, sagte der Hausherr jovial. »Ich habe zwei Zimmer bereiten lassen. Wie wäre es, wenn wir uns in einer Stunde zum Tee treffen?«

      »Wir hatten bequeme Sitze!«, erwiderte mein Freund. »Ich würde gerne sofort zur Tat schreiten, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«

      »Aber nicht im Geringsten! Wir zeigen Ihnen das Haus, dann können Sie sich frei bewegen!«

      Und so geschah es. Conway, der Butler, kümmerte sich um unser Gepäck, während uns Mister und Mrs Moore durch das Haus führten. Vom Keller bis hinauf zum ominösen Dachboden ging die Tour, und hier nun trat Holmes in Aktion.

      Er schaute sich sehr genau um, öffnete die Truhen und Schränke, untersuchte sie auf versteckte Türen, klopfte die Wände ab und schaute sogar in den Kamin – was ihm einige schwarze Flecken im Gesicht einbrachte.

      »Ich denke«, sagte er mit so viel Würde, wie er in diesem Moment aufbringen konnte, »nun wäre eine gute Gelegenheit, sich frisch zu machen!«

      »Gewiss!«, erwiderte Mister Moore schmunzelnd.

      Wir folgten den Gastgebern die Stufen hinab in den ersten Stock des Hauses und dort zu unseren Zimmern.

      Auf einen Wink meines Freundes folgte ich ihm in sein Zimmer und schloss die Tür.

      »Ich war überzeugt, recht schnell eine verborgene Tür zu finden!«, gestand er mir, während er Wasser in eine Schale gab, um sich zu reinigen. »Aber auf Anhieb gelang mir dies nicht. Ich fürchte, wir werden zu anderen Mitteln greifen müssen!«

      »Und welche?«

      »Mehl!«

      »Mehl?«, wunderte ich mich.

      Er bestätigte dies und führte aus, dass es meine Aufgabe sei, am Abend, wenn alle zu Bett gegangen seien, Mehl aus der Küche zu entwenden. Anschließend würden wir uns hinauf auf den Dachboden schleichen und etwas davon auf dem Boden verteilen. Sollte sich eine weiße Dame zeigen, so würde sie unweigerlich Abdrücke hinterlassen. Mehr noch – die Spuren würden zu jenem geheimen Gang führen, den Holmes nicht zu finden in der Lage gewesen war.

      Die Idee erschien mir außerordentlich gerissen und so machte ich mich daran, die Gegebenheiten in der Küche auszukundschaften.

      Wie beiläufig stattete ich der Köchin einen Besuch ab, schaute ihr bei der Zubereitung des Dinners zu und stellte einige belanglose Fragen. Dabei behielt ich die Schränke im Blick und fand sehr schnell heraus, wo sich das Mehl befand.

      Dem abendlichen Abenteuer stand nichts mehr im Wege!

      *

      Das Frühstück am folgenden Morgen verlief in größtmöglicher Stille. Holmes schien frisch und ausgeruht, ich hingegen musste mehrfach gähnen, denn das nächtliche Abenteuer hing mir noch etwas nach.

      Die Moores waren erst gegen Mitternacht zu Bett gegangen; zuvor hatten wir beisammengesessen und den Abend genossen. Dabei war die weiße Dame, wie die Erscheinung nun wohl offiziell genannt wurde, nicht zur Sprache gekommen. Stattdessen sprachen wir über Mister Moores schriftstellerische Tätigkeiten. Er fragte nach einigen Tipps; schließlich hätte ich schon sehr viele Abhandlungen zu Holmes’ Fällen veröffentlicht.

      Auch Holmes beteiligte sich an dem Gespräch, war jedoch die meiste Zeit damit beschäftigt, den Hausherren und seine Gemahlin zu beobachten.

      Auch ich ließ beide nicht aus dem Blick, konnte aber keinen Hinweis darauf finden, dass uns Mister Moore eine Komödie vorspielte. Er war seiner Frau herzlich zugetan; zu diesem Schluss kam zumindest ich.

      Nach dem Frühstück machten wir einen ausgedehnten Spaziergang über Land, ehe uns Mister Moore fragte, ob wir nicht mit ihm nach Leicaster kommen wollten. Er müsse mit seinem Verleger sprechen, anschließend könnten wir jedoch in einem Pub speisen und uns die Stadt ansehen.

      Holmes bat mich, der Einladung zu folgen, während er bei Mrs Moore bleiben wollte – es war nicht auszuschließen, dass die weiße Dame erneut die Abwesenheit des Hausherrn ausnutzen würde.

      So kam es, dass ich mich in dem mir bereits bekannten Landaulet wiederfand, diesmal an der Seite des Hausherrn.

      Schon nach wenigen Minuten brachte er die Sprache auf den Fall. Er fragte, was ich von seiner Frau hielte und ich antwortete ihm ehrlich, dass ich bisher keine Anzeichen für eine Krankheit habe erkennen können.

      Mister Moore nickte und er schien durchaus erleichtert, dies zu hören.

      Wir sprachen noch kurz über die Sache, dann aber begann Mister Moore, mir einige landschaftliche Besonderheiten zu zeigen.

      In Leicaster angekommen betraten wir sofort den Golden Goose, denn es war Zeit für einen kleinen Lunch.

      Kaum saßen wir, als uns ein älterer Mann von der Theke her zunickte. »Und, wie lebt es sich auf Everton House?«, rief er hinüber.

      »Gut!«, erwiderte Moore, ohne den Mann anzuschauen. Sein Gesicht spiegelte Abneigung wider.

      »Wer ist das?«, wollte ich wissen, während ich gleichzeitig einen Blick in die Speisekarte warf.

      »Mister


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