Der Onyxpalast 4: Schicksalszeit. Marie Brennan

Der Onyxpalast 4: Schicksalszeit - Marie  Brennan


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uralte Fluch Eisen zum Todfeind europäischer Fae machte oder wie es möglich war, dass ein Dschinn dem mohammedanischen Gott dienen konnte – aber der Präsentationssaal, der sich nun vor ihm erstreckte, gehörte den Erfindern.

      Wie bei der Weltausstellung reichte deren Arbeit vom Praktischen zum Unerklärlichen. Hodge war sehr froh über die ätherische Maschine, die ihnen den Bedarf erspart hatte, einen Riesen zu finden, der jedes Jahr die gewaltige Uhr im Kalenderraum aufziehen konnte, aber welchen Nutzen hatte ein Roboter, der Lieder sang wie ein Phonograf? Oder ein Springbrunnen, den man dazu bringen konnte, jede Art von Getränk auszuspucken? Oder die riesigen Papierflügel, die sich hoch über seinem Kopf ausbreiteten?

      In Wahrheit lag das Einzige, worum er sich in diesen Tagen wirklich scherte, am hinteren Ende des langen Saals und nahm jedes Mal, wenn er zu Besuch kam, mehr Raum ein.

      Seine Ankunft sorgte kaum für eine Störung im geschäftigen Treiben. Vorbeilaufende Fae zogen kurz den Hut – oder verbeugten sich, im Fall jener Ausländer, für die dies die übliche Respektsbezeugung war –, doch ansonsten gingen sie ihren Aufgaben nach. Hodge hätte sogar jene Unterbrechung abgeschafft, wenn er gekonnt hätte. Sein Vater war Maurer gewesen und hätte sich scheckig gelacht, wenn er gewusst hätte, dass sein Sohn ein Feenprinz geworden war. Reiner Zufall und nur wegen meiner Geburt, dachte er verschmitzt und nicht zum ersten Mal. Ich bin arm genug geboren, dass ich meinen Lebensanfang innerhalb der alten Mauern von London hatte – und genau das ist hier entscheidend, mehr als Blut oder Stand.

      Nicht, dass irgendjemand wusste, dass sein Vater Maurer gewesen war. Hodge hielt das aus einer seltsamen Form von Beschämung zurück: Er wollte nicht, dass irgendjemand erfuhr, dass sein Vater Mauern für genau das Ding gebaut hatte, das jetzt diesen Palast zerstörte. Und dann ertrunken war, als der Fluss Fleet aus seinem Kanal gebrochen war und die Bahnarbeiten überflutet hatte. Das Schicksal hatte einen gemeinen Humor, soweit Hodge das beurteilen konnte.

      Zwei gewaltige Maschinen standen am gegenüberliegenden Ende des Saals, an beiden Seiten der Tür zur Akademiebibliothek. Eine war ein Ding aus Zahnrädern und Hebeln und Kurbelwellen und Skalen, Letztere mit einer Reihe von alchemischen und anderen Symbolen markiert. Alles, was Hodge von dieser verstand, war, dass sie eine Art Rechenmaschine war. Die Symbole waren eine Sprache, die die Gelehrten entwickelt hatten, um das elementare Wesen und die Konfiguration von Feendingen zu beschreiben, und die Maschine half ihnen, vorauszusagen, wie solche Dinge interagieren würden.

      Ohne sie wären Geräte wie das auf der anderen Seite des Mittelgangs beinahe unmöglich zu bauen gewesen. Von jener Maschine verstand Hodge sogar noch weniger, außer dass sie nichts mehr ähnelte als einem wahnsinnigen Webstuhl – und dass die Akademiemagister wirklich sehr aufgeregt darüber waren.

      Praktisch jeder Einzelne von ihnen, Sterbliche und Fae gleichsam, war um die Maschine versammelt und diskutierte in mehreren unterschiedlichen Sprachen gleichzeitig. Lady Feidelm und Wrain, ein chinesischer Fae namens Ch’ien Mu, ein schwedischer Mathematiker namens Ulrik Segerstam, und Niklas vom Ticken hatte sogar seinen Bruder Wilhas vom Kalenderraum weggezerrt, wo er wie eine nervöse Glucke gesessen hatte. Der größte Fae, ein dunkelhäutiger Dschinn, bemerkte Hodge als Erster und verbeugte sich respektvoll vor ihm. »Lord Benjamin. Geht es Ihnen gut?«

      Hodge hatte versucht, Abd ar-Rashid zu erklären, dass die Verbeugungen und Titel und so weiter nicht notwendig waren. Die wenigen Höflinge, die er noch hatte, verbrachten ihre Zeit damit, in einem der verbliebenen Gärten des Palasts herumzulungern und seine Befehle zu ignorieren. Der Dschinn hatte als Scholarch oder oberster Magister der Akademie mehr Autorität und tat mehr, was wirklich nützlich war, als Hodge selbst. Aber Abd ar-Rashid schien zu glauben, dass die Höflichkeitsformen in diesen degenerierten Zeiten umso wichtiger waren, und handelte entsprechend.

      Die Besorgnis in seinem tiefgründigen Blick ließ Hodge nach oben greifen, um sein eigenes Gesicht zu betasten. Seine Finger kamen mit Blutflecken zurück. An einer Wange waren zwei Kratzer: Erinnerungen an jenen Schwarzen Hund, der ihn angefallen hatte. Hodge zog in Betracht, genau das zu sagen, erinnerte sich jedoch, dass überall um sie herum Fae und Sterbliche standen. Er mochte sich zwar nichts aus Höflichkeitsfloskeln machen, aber einzugestehen, dass ihn einer seiner eigenen angeblichen Untertanen in Blackfriars niedergeschlagen hatte, war ein wenig zu viel. »Hab mich beim Rasieren geschnitten«, sagte Hodge ungerührt und deutete auf den Webstuhl. »Ihr Leute seht aufgeregt aus. Sagt mir, dass ihr gute Neuigkeiten habt.«

      »Haben wir. Oder eher, Ch’ien Mu hat welche.« Abd ar-Rashid winkte den chinesischen Fae herbei.

      Als Ch’ien Mu neu in den Onyxpalast gekommen war, war die bestickte Seidenkleidung, die er getragen hatte, prächtig gewesen, mit Drachen, die sich sehnig um seine Schultern und Arme rankten, doch wenn man kein Philosoph und ständig in der Bibliothek war, war die Galenische Akademie kein guter Ort für Kleidung. Die Seide war oft geflickt worden, und die Drachen starrten mürrisch die Barrieren aus Fäden an, die ihre Bewegung einschränkten.

      Sie lenkten Hodge immer noch schrecklich ab, aber Ch’ien Mus Gedanken galten eindeutig anderen Themen. Er schlurfte einige Schritte näher und verbeugte sich, aber statt seine Hände in seinen Ärmeln zu falten – seine gewöhnliche Haltung, während er etwas erklärte –, rieb er sie buchstäblich vor Aufregung aneinander, während er sprach. »Die Fäden brechen nicht mehr! Es ist, wie ich vermute, eine Sache von Konfiguration – obwohl meine Annahme, dass die Spiralform die stabilste ist, sich als sehr falsch erweist. Wir versuchen sowohl solare als auch lunare Konfigurationen, aber …«

      »Magister Ch’ien Mu.« Hodge zwickte ihn in den Nasenansatz, weil er wusste, dass der Fae eine halbe Stunde weiterreden würde, wenn er ihn nicht unterbrach. »Ich kann lesen, und damit hört es ungefähr auf. Sagt mir einfach, was ihr habt

      Das schien eine schwierigere Bitte zu sein, als er gedacht hatte. Der Fae machte mehrere Male den Mund auf und zu, als würde er versuchen und daran scheitern, Worte für das zu finden, was in seinem Kopf los war. Hodge bezweifelte, dass es ein Problem mit seinem Englisch war. Wahrscheinlicher hatte der Kerl Schwierigkeiten damit, seine Gedanken aus den luftigen Höhen der Theorie in die simple Realität herunterzubringen. Es war ein Problem, das viele der Akademiemagister teilten. Am Ende gab der Gelehrte auf und deutete auf Niklas.

      Der rotbärtige Zwerg grinste und drehte an einem winzigen Rad. Die kleine ätherische Maschine zu seinen Füßen erwachte summend zum Leben. Dann nahmen Ch’ien Mu und er an einer Reihe von Rohren und Gefäßen, die an der Unterseite des Webstuhls saßen, unverständliche Anpassungen vor. Jene erkannte Hodge. Sie waren eine Art alchemische Retorte, die benutzt wurde, um reine Formen der Feenelemente zu destillieren, Feuer und Wasser und Erde und Luft. Nach einem Augenblick begannen glänzende Fäden von etwas, das nicht ganz Licht war, sich durch den Webstuhl zu schlängeln und bildeten das, was, wie Hodge mit seinem extrem begrenzten Wissen über das Weben wusste, die Webkette war: die Längsfäden, die die Basis von Webstoffen darstellten.

      Außer dass das, was dieser Webstuhl wob, nicht direkt Stoff war. Ch’ien Mu gab ein Ende einer verbundenen Kette aus Kristallplättchen in eine Aufbaute an der Seite des Webstuhls, und dann drückte Niklas einen Hebel mit einem schweren Wumms nach unten. Von der ätherischen Maschine angetrieben setzte sich der Webstuhl in Bewegung.

      Die Fäden der Webkette hoben und senkten sich, und der Schützen, der den Schussfaden hielt, flog zwischen ihnen vor und zurück. Es gab eine allgemeine Stampede zur gegenüberliegenden Seite des Webstuhls, der Hodge sich anschloss, und dort bezeugte er ein Wunder.

      In der Luft auf der anderen Seite der Maschine wuchs ein Zauber. Vier isolierte Flecken Gold – goldener Pelz –, vier Pfoten, das war es, und als die Beine darüber länger wurden, vermutete Hodge, dass es ein Löwe war. Er hatte schon beeindruckendere Illusionen gesehen. Die Fae konnten fantastische Dinge vollbringen, wenn sie sich darauf konzentrierten. Aber hier war keine Konzentration beteiligt: Der Webstuhl machte die Arbeit. Jacquard hatte vor Jahren etwas Ähnliches erfunden, um Brokatstoffe schneller und akkurater zu weben, als es sich jeglicher menschliche Weber je erhoffen konnte. Ch’ien Mu und die anderen hatten einen Weg gefunden, um dies mit einem Zauber zu tun.

      »Verdammte Scheiße«, flüsterte


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