Wyatt Earp Staffel 7 – Western. William Mark D.
spannte die kleinen Fäuste um das schwere Gewehr – und wußte plötzlich, daß er es nie richtig zum Schießen heben konnte.
Ja, damals auf dem Wagen hatte er es über den Kutschbock schieben und auflegen können.
Aber jetzt…!
Da, das Astloch! Es war groß genug für die Winchesterröhren – und sogar noch groß genug, daß Jim einen genauen Blick über Kimme und Korn auf die Straße hatte.
Kurz entschlossen führte er die Mündung zur Waffe durch das Loch im Bretterzaun.
Dann wartete er.
Als Brockton und der Mayor die Straßenmitte erreicht hatten, trat drüben aus dem Sheriff Office ein Mann.
Fast wäre dem Jungen drüben bei seinem Anblick die Büchse aus dem Loch gerutscht.
Der Mann war groß, breitschultrig, hatte ein dunkles Gesicht und stahlharte blaue Augen. Sein Hemd war weiß, und links auf seiner schwarzen Weste blinkte ein Sheriffstern.
In jeder Faust hielt er einen großen fünfundvierziger Revolver.
Wyatt Earp!
In Jimmys Brust brannte ein glühendes Feuer – und Tränen traten in seine Augen.
»Wyatt Earp!« kam es lautlos über seine bebenden Lippen. »Wyatt Earp ist da! Er ist gekommen! Ich träume es nicht. Er steht tatsächlich da drüben vorm Sheriffs-Office…«
Und wie er dastand!
Wie eine Statue aus Erz.
Brocktons Fuß stockte zuerst.
Dann blieb auch der Mayor stehen.
Die Banditen, die drüben, etwa neun Yard entfernt, standen, rührten sich nicht. Der Anblick des Mannes da oben schien ihnen den Atem verschlagen zu haben.
Brockton faßte sich zuerst. Mit hochgeworfenem Kopf brüllte er:
»Was soll das denn, Mann?«
Wyatt Earp blickte den Mayor an. »Wohin wollen Sie diesen Menschen da führen, Mister Brown?«
Der Bürgermeister schluckte und glaubte, daß die Menschen, die jetzt todsicher hinter den Gardinen lauerten, das Zittern seiner Knie durch die Hosenbeine sehen müßten.
Was hat er getan? Er hatte der drohenden Gefahr ausweichen wollen und war in eine viel größere gelau-fen.
Wie hatte er auch ahnen können, daß dieser britische Auswanderer noch Freunde hatte, dieser kränklich aussehende alte Mann!
Und nicht irgendwelche Freunde!
Er war ein Sheriff. Und die Manier, wie er aufgetaucht war, wie er dastand und wie er sprach, verfehlte ihren Eindruck auch nicht auf diesen einfältigen, viel zu weichlichen Mann.
Brockton spürte wohl auch, daß die Sache irgendwie nicht ganz glatt gehen würde und daß dieser Mann da mit den harten Augen und der metallenen, schneidenden Stimme keine Strohpuppe war, aber in diesem entscheidenden Augenblick seines Lebens versagte seine sonstige Vorsicht.
»He, Brother, was wollen Sie? Und vor allem, was fällt Ihnen ein, uns hier den Weg zu versperren! Wer sind Sie denn, Mann…?«
»Mein Name ist Wyatt Earp!«
In der Seele des kleinen Jimmy Hellmers brannte das Feuer noch lodernder.
Wie sie jetzt dastanden, die großmäuligen Burschen! Wehe, wenn einer von ihnen es gewagt hätte, heimlich zum Colt zu greifen, um einen unfairen Schuß anzubringen!
Jim hätte ihn angerufen und dann den Stecher durchgezogen!
Weil er ganz genau wußte, daß sein und vor allem seines Vaters Geschick einzig noch in den Händen des Marshals lag.
Glücklicherweise waren es starke Hände!
Und schnelle Hände! Die schnellsten, die Jim Hellmers jemals gesehen hatte!
Brockton, der in Kansas wegen Wyatt Earp geflohen war, glaubte nicht recht gehört zu haben.
»Wyatt Earp?« krächzte er. »Mann – Sie erlauben sich da einen ziemlich üblen Scherz!«
Frank O’Connor war blaß geworden, als er den Namen des Mannes da oben gehört hatte.
Er ist meinethalben hier! schoß es durch den Schädel des Verbrechers.
Groß genug war schließlich das Schuldkonto, das er bisher allerdings ohne jede Reue mit sich herumgetragen hatte.
Er ist nur meinetwegen hier! Die fünfhundert Bucks will er sich verdienen, die auf meinen Kopf ausgesetzt sind.
Der Bandit Frank Joshua O’Connor dachte jedoch nicht daran, hier in Black Rock seine Freiheit oder gar sein Leben zu verlieren.
Eher würde dieser höllische Earp da sterben!
Nicht zu rasch handeln! sagte er sich. Nicht unruhig werden! Gegen einen solchen Mann muß man eiskalt bleiben, wenn man nicht todsicher untergehen wollte.
Man mußte abwarten können. Den richtigen Augenblick abpassen, um dann blitzschnell zuzuschlagen.
Frank O’Connor hätte sich wahrscheinlich sehr gewundert, wenn ihm jetzt einer gesagt hätte, daß der Marshal Earp ihn nicht kannte. Daß er nie von ihm gehört hatte und also auch nichts von seinem Steckbrief wuß-
te.
Auch ein Gesetzesmann wie Wyatt Earp konnte nicht jeden Banditen und jeden Steckbrief kennen.
O’Connor hielt sich bereit. Vielleicht war er nie in seinem Leben so eiskalt und ruhig gewesen.
Ich treffe ihn! Ich treffe ihn tödlich! Mit dem ersten Schuß!
Nur diese Gedanken waren in seinem Hirn.
Noch aber war Brockton an der Reihe. So sehr der rücksichtslose Bandit seit Jahren gefürchtet hatte, einmal dem berühmten Marshal zu begegnen – jetzt war er unbesonnener, als es selbst seine Männer begriffen.
»Selbst wenn Sie Wyatt Earp wären, Mann – was haben Sie sich hier einzumischen? Verschwinden Sie! – Es muß vor allem erst bewiesen werden, daß Sie wirklich Wyatt Earp sind!«
Welch ein Irrsinn! dachte Newton, der in sicherer Deckung stand, die Tür bereits lautlos hinter sich geöffnet hatte, um notalls im Bruchteil einer Sekunde verschwunden zu sein.
Der untersetzte Montana Man Bred Barring hatte ähnliche Gedanken wie sein Kumpan O’Connor: Er ist meinetwegen hier! Er ist hinter die Sache in Silverstone gekommen!
In der Grenzstadt Silverstone hatte der Verbrecher Bredley Jammeson Barring vor einem Dreivierteljahr am Spieltisch in der verräucherten Schenke des Holländers Frederic van Rijn den kleinen Cowboy Mort Atray erschossen.
Ohne Anruf!
Es war ein Mord gewesen.
Barring hatte sich aus der Stadt retten können und war immer weiter südlich geflohen, später südöstlich, bis er in Kansas City auf Brockton stieß.
Barring war kein so schneller Schütze wie Frank O’Connor, und dennoch nahm er sich vor, zu kämpfen. Er würde sich diesem höllischen Sternträger nicht kampflos ergeben.
Er mußte den schnellsten Schuß seines Leben abfeuern!
Aber wie gesagt: Zuerst war Brockton dran, und er machte seine Sache schlechter, als der schlechteste seiner Männer sie gemacht hätte.
Er brüllte, er schimpfte, er reizte den Marshal und war tatsächlich einfältig genug, jetzt auch noch zu prahlen:
»Wir sind schon mit ganz anderen Burschen fertig geworden! Frank! He, Frank! Was hältst du davon?«
Frank O’Connor war unansprechbar. Er hatte gar nicht gehört, daß er überhaupt gerufen worden war. Er konzentrierte sich nur auf den einen Punkt: Ich muß schneller sein und ihn mit dem ersten Schuß töten!
»Frank!«