Wolfgang Amadeus Mozart. Hermann Abert

Wolfgang Amadeus Mozart - Hermann  Abert


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ihm noch allerhand Kunststücke, wie das Spiel mit einem Finger, auf verdeckten Tasten u. dgl. Aber der kleine Mann pochte dabei doch auch schon stark auf sein Recht als Künstler. Nicht zufrieden mit seinen vornehmen Hörern allein, verlangte er nach dem berühmten Pianisten Georg Christoph Wagenseil (1715–1777), dem Lehrer Maria Theresias und ihrer Kinder8: "der soll herkommen, der versteht es." Und dann sagte er zu diesem: "Ich spiele ein Konzert von Ihnen; Sie müssen mir umwenden." Noch wohltuender aber wirkt sein echt kindliches, unbefangenes Benehmen. Die Erzherzogin Marie Antoinette, die spätere Königin von Frankreich, hatte er bald besonders in sein Herz geschlossen, da sie ihn freundlich aufhob, als er einmal auf dem glatten Fußboden hingefallen war. "Sie sind brav", sprach er, "ich will Sie heiraten". Als Grund gab er an: "Aus Dankbarkeit, sie war gut gegen mich, während ihre Schwester sich um nichts bekümmerte9." Aber auch der Kaiserin sprang er auf den Schoß und küßte sie herzhaft ab, und der Kaiser, der mit Wagenseil Violine spielte, bekam aus dem Vorzimmer seine Kritik in Form drastischer Zurufe wie pfui! das war falsch! oder bravo! zu hören10. Natürlich ließ es der Hof außer dem eigentlichen Honorar auch an Geschenken aller Art nicht fehlen. Nannerl erhielt ein Hofkleid einer Erzherzogin, Wolfgang ein für den Erzherzog Maximilian bestimmtes lilafarbenes Kleid mit breiten Goldborten, in dem er später auch gemalt wurde11. Nicht minder als bei Hofe wurden die Kinder auch vom Adel gefeiert. Der Fürst von Hildburghausen, der Reichsvizekanzler Graf Colloredo, der Bischof Esterhazy luden sie ein, überallhin wurden sie im Wagen abgeholt und glänzend belohnt. In Wolfgang waren natürlich bald alle Damen verliebt. Da machte ein heftiger Anfall von Scharlach, der ihn Ende Oktober für vierzehn Tage ans Bett fesselte, dem frohen Treiben ein jähes Ende. Zwar war die allgemeine Teilnahme für ihn groß, nicht minder aber auch die Furcht vor der Ansteckung, unter der er auch nach seiner Genesung noch zu leiden hatte. Eine Einladung ungarischer Edelleute nach Preßburg kam daher L. Mozart sehr gelegen. Er reiste, obgleich sein Urlaub abgelaufen war, am 11. Dezember trotz schlechten Wetters und fast lebensgefährlicher Wegeverhältnisse dorthin ab. Nach der Rückkehr nach Wien nahm die Familie noch an einem Feste teil, das die Gräfin Kinsky dem Feldmarschall Daun zu Ehren gab. Dann aber reisten sie in den ersten Tagen des Jahres 1763 nach Salzburg zurück.

      Mozarts Hauptinstrument war in dieser Zeit noch das Klavier, auf dem er es bereits zu einer erstaunlichen Fertigkeit gebracht hatte12, daneben aber wandte er sich mehr und mehr der Violine und Orgel zu13. Dagegen befand sich seine theoretische Ausbildung noch durchaus im Fluß; hier blieb dem Vater noch viel zu tun übrig. Die Einflüsse, die er dem Sohne vermittelte, kennen wir bereits; in Wien trat ein neuer hinzu, der der Wiener Klaviermusik mit ihrem Führer Wagenseil an der Spitze.

      So weit war die Ausbildung des Knaben gediehen, als der Vater mit ihm und der Schwester nach kurzer Ruhezeit in Salzburg eine zweite, größere Reise antrat, deren Hauptziel Paris war; dabei sollten auch die am Wege liegenden deutschen Fürstenhöfe besucht werden, die ja in damaliger Zeit noch die Hauptpflegestätten der Tonkunst in Deutschland waren. Überhaupt hebt L. Mozart mit Stolz hervor, daß sie auf ihrer Reise nur mit dem Adel und Standespersonen Umgang pflegten und auch ihrer Gesundheit wegen und "zu ihres Hofes Reputation noblement reisen müßten". Der Sommerszeit halber mußten übrigens die Fürstlichkeiten zumeist auf ihren sommerlichen Lustschlössern aufgesucht werden.

      Die am 9. Juni begonnene Reise14 fing nicht günstig an; in Wasserburg zerbrach der Wagen, dessen Herstellung sie zwang, dort einen Tag liegenzubleiben. "Das Neueste ist", schreibt der Vater, "daß, um uns zu unterhalten, wir auf die Orgl gegangen und ich dem Wolferl das Pedal erklärt habe. Davon er dann gleich stante pede Probe abgeleget, den Schemel hinweggerückt und stehend präambuliert und das Pedal dazu getreten, und zwar so, als wenn er es schon viele Monate geübt hätte. Alles geriet in Erstaunen, und [es] ist eine neue Gnade Gottes, die mancher nach vieler Mühe erst erhält". Während der ganzen Reise ließ der Knabe sich häufig auf der Orgel hören und wurde meistens, wie der Vater wiederholt berichtet, seines Orgelspiels wegen noch mehr bewundert denn als Klavierspieler.

      Am 12. Juni 1763 in München angelangt, begaben sie sich gleich nach Nymphenburg. Durch den Prinzen von Zweibrücken, der sie von Wien her kannte, dem Kurfürsten angemeldet, wurden sie gnädig aufgenommen und mußten vor diesem und dem Herzog Clemens sich wiederholt hören lassen, und zwar Wolfgang auch auf der Violine; er spielte ein Konzert und "präambulierte zwischen den Kadenzen aus dem Kopf". Hier begegneten ihnen zwei sächsische Reisende, Baron Hopfgarten und Bose, mit denen sie wiederholt zusammentrafen und eine nähere Freundschaft schlossen, die namentlich durch den längeren Aufenthalt in Paris befestigt wurde. In Augsburg hielten sie sich 15 Tage bis zum 6. Juli auf, sie wohnten dort im Gasthofe zu den 3 Mohren15 und gaben drei Konzerte (28., 30. Juni, 4. Juli)16, die fast durchaus von den Lutheranern besucht wurden. Die "Europäische Zeitung" von Salzburg (19. Juli 1763) berichtete darüber aus Augsburg vom 9. Juli:

       Vorgestern ist der Salzburgische Vice-Kapellmeister Hr. L. Mozart mit seinen zwei bewunderungswerten Kindern von hier nach Stuttgart abgereist, um seine Reise über die größten Höfe Deutschlands nach Frankreich und England fortzusetzen. Er hat den Inwohnern seiner Vaterstadt das Vergnügen gemacht, die Wirkung der ganz außerordentlichen Gaben mit anzuhören, die der große Gott diesen zwei lieben Kleinen in so großem Maße mitgeteilt und deren Herr Capellmeister sich mit so unermüdetem Fleiße als ein wahrer Vater bedient hat, um ein Mägdlein von eilf und, was unglaublich ist, einen Knaben von sieben Jahren als ein Wunder unser und voriger Zeiten auf dem Claveßin der musikalischen Welt darzustellen. Alle Kenner haben dasjenige, was ein Freund von Wien ehedem von diesen berühmten Kindern geschrieben und in den allhiesigen Intelligenz-Zettel ist eingerückt worden, so unglaublich es schien, nicht nur wahr, sondern noch weit bewunderungswerter gefunden.

      Nach Ludwigsburg, der zweiten Residenz des Herzogs Karl Eugen von Württemberg, brachten sie zwar vom Domherrn Grafen Wolfegg Empfehlungen an den Oberjägermeister Baron v. Pöllnitz und an den Oberkapellmeister Jommelli mit, allein es gelang ihnen nicht, beim Herzog zu Gehör zu kommen. Der stets mißtrauische Vater schob die Schuld auf Jommelli, der ein abgesagter Feind aller fremden Virtuosen sei und kraft seiner allmächtigen Stellung am Hofe die deutschen Künstler zugunsten der Italiener fast ganz verdrängt habe. Das ist indessen ebenso stark übertrieben, wie Mozarts Angaben über Jommellis Gehalt. Der italienische Meister war im Gegenteil eine durchaus liebenswürdige und entgegenkommende Natur und, wie die Tatsachen beweisen, weit davon entfernt, die deutschen Künstler am Hofe "ausrotten" zu wollen17. Auch den jungen Wolfgang hat er ohne weiteres bei sich vorgelassen und sich, wie Leopold berichtet18, über sein Spiel dahin geäußert, "daß es zu verwundern und kaum glaublich seye, daß ein Kind deutscher Geburt so ein Musikalisches genie und so viel Geist und Feuer haben könne". Aus diesen Worten spricht zwar das ganze Selbstgefühl des Italieners, sie beweisen aber doch, daß Jommelli das Talent des Knaben richtig erkannt hat. Der Grund des Fehlschlags am Ludwigsburger Hofe lag also nur in der sprunghaften Despotennatur des Herzogs, bei dem gerade damals die Leidenschaft für Theater und Künstlerinnen ihren Höhepunkt erreicht hatte. Trotzdem merkt man L. Mozarts Bericht deutlich die starken Eindrücke an, die er hier gewann. Dieser Hof, an dem unter einem schrankenlosen, aber musikalisch begabten und geschulten Fürsten mit Theater und Kunst ein unerhörter Luxus getrieben wurde, mag ihm später wie ein Vorgeschmack von Versailles erschienen sein; auch die unselige Soldatenwirtschaft des Herzogs ist seinem aufmerksamen Auge nicht entgangen. Über Jommelli selbst und Mozarts künstlerische Stellung zu ihm wird noch zu reden sein. Von den Virtuosen, die damals im Stuttgarter Orchester saßen, zeichnet L. Mozart nur den Schüler Tartinis, P. Nardini (1722–1793), aus mit der Bemerkung, "daß in der Schönheit, Reinigkeit, Gleichheit des Tones und im singbaren Geschmacke nichts Schöneres kann gehört werden. Er spielt aber nicht gar schwer".

      Von Ludwigsburg begab sich die Mozartsche Familie nach Schwetzingen, der Sommerresidenz des Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz, der sie am 18. Juli auf die Empfehlungen der Prinzen von Zweibrücken und Clemens von Bayern hin gnädig aufnahm. Am Hofe fand für sie eine große Akademie statt, die von 5 bis 9 Uhr währte; die Kinder setzten ganz Schwetzingen in Bewegung, und auch die kurfürstlichen Herrschaften kargten nicht mit ihrem Beifall. Das wichtigste


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