Wolfgang Amadeus Mozart. Hermann Abert

Wolfgang Amadeus Mozart - Hermann  Abert


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con sordini, zweite Geigen pizzicato und geteilte Bratschen) bemerkenswert ist. Die Melodik ist zwar mit ihrer süßen Wehmut und ihren kleinen chromatischen Schmerzen ein unverkennbarer Absenker Chr. Bachs, aber der Ausdruck ist natürlich und wahr, und in reizvoller Weise wird die Melodie des Vaters von der den Verlust des Geliebten beweinenden Tochter ausgeschmückt. In anderer Hinsicht ist die Arie des Hyacinthus (Nr. 2) wichtig. Sie bringt nicht allein schon im Ritornell drei gegensätzliche Themen, sondern geht auch nach dem Eintritt der Singstimme liebevoll auf allerhand Einzelheiten des Textes ein (vgl. das chromatisch aufsteigende "surgunt"). So entsteht eine lose Reihe kleiner, selbständiger Tongedanken, die den Eindruck zusammenhängender Melodik nur schwer aufkommen läßt. Wir werden dieser Art in den italienischen Jugendopern noch öfter begegnen. Sonst ist freilich gerade unsere Oper an Merkmalen, die auf den späteren Mozart hinweisen, ziemlich arm. In Frage käme hierfür der Trugschluß auf dem Sextakkord der Unterdominante, den Mozart bis in die Tage der Zauberflöte hinein liebt, bei der angelegentlichen Frage in Zephyrus' Arie Nr. 5:

      und die plötzliche, durch den Text nicht gerechtfertigte chromatische Trübung auf "beata" in Melias Arie Nr. 4 (G.-A. S. 34 unten).

      Auch die Rezitative stehen nicht auf der Höhe des Oratoriums. Neben flüchtigen, an die spätere Art gemahnenden Strecken stehen andere von großer Ausdruckskraft, wie zwischen Nr. 5 und 6 oder zu Beginn des zweiten "Chorus"40. Das Orchester ist, wie im Oratorium, mit ziemlicher Selbständigkeit und jener Schmiegsamkeit dem Text gegenüber behandelt, die wir, als ein Erbteil der Opera buffa, schon bei Chr. Bach und seinen italienischen Zeitgenossen finden. Die kurze, einsätzige Ouvertüre, hier Intrada genannt, folgt genau dem Muster der Ouvertüre zur "Schuldigkeit"; schon hier erscheinen die in diesen Werken besonders beliebten geteilten Bratschen. Die Schlußgruppe enthält ein Beispiel jener für Mozart charakteristischen, in großen Intervallen aufschlagenden Rhythmen, die den melodischen Faden plötzlich abreißen:

      Bis vor kurzem pflegte man dieser an und für sich schon staunenswert reichen kompositorischen Ernte noch die vier Klavierkonzerte in F-, B-, D- und G-Dur (K.-V. 37, 39, 40, 41, S. XVI. 1–4) hinzuzufügen, die teils von Mozart selbst, teils von seinem Vater unter dem April, Juni und Juli 1767 registriert werden. Dagegen mußte befremden, daß L. Mozart sie in seinem sonst sehr sorgfältigen Katalog von 1768 übergeht. Es ist das Verdienst von Wyzewa und Saint-Foix, nachgewiesen zu haben, daß es sich dabei nicht um Originalwerke, sondern um Bearbeitungen fremder Kompositionen handelt41. Der Zweck war, für die bevorstehende Reise nach Wien mit neuen und dankbaren Vortragsnummern versehen zu sein. Die Vorlagen waren:

      1. für K.-V. 37, 1. Satz das erste Allegro der 5. Sonate von Raupach42, für das Finale der 1. Satz der Sonate op. 1 Nr. 3 von L. Honauer43;

      2. für K.-V. 39, 1. und 3. Satz das erste Allegro und Finale der 1. Sonate von Raupach, für das Andante Joh. Schobert op. 17 Nr. 2, 1. Satz44;

      3. für K.-V. 40, 1. Satz L. Honauer op. 2 Nr. 1, Satz 1; für das Andante Eckardt, Sonate op. 1 Nr. 4;

      4. für K.-V. 41, 1. und 3. Satz L. Hanauer, op. 1 Nr. 1, Satz 1 und Finale; für das Andante Raupach, Sonate Nr. 1, Andantino.

      Von wenigen Ausnahmen abgesehen, zeigt diese Auswahl, daß Mozart mehr auf äußeren Glanz und Dankbarkeit gesehen hat als auf inneren Gehalt. Die Vorlagen selbst läßt er unangetastet, ein längeres Tutti wird dem Beginn des Sonatensatzes vorangeschickt, ein zweites, kürzeres, dem Schlusse angehängt, ein drittes wird zwischen Themengruppe und Durchführung eingefügt. Im übrigen verhält sich das Orchester lediglich stützend und begleitend; die freie Kadenz wird meistens vom Solo mit Unterstützung des Orchesters, seltener vom Tutti eingeführt. In einzelnen Sätzen erscheint aber noch ein viertes Tutti, und zwar in der Regel unmittelbar vor der Reprise. Die breit ausgesponnenen Anfangstutti der ersten und teilweise auch der letzten Sätze bestreiten ihren thematischen Stoff zunächst aus dem Hauptgedanken des Sonatensatzes, stellen ihm aber dann in der Regel nach Chr. Bachs Vorbild ein gegensätzliches zweites Thema gegenüber. Dazu nimmt Mozart aber bezeichnenderweise mit einer Ausnahme (K.-V. 37, 1) nicht das Seitenthema seiner Vorlage, sondern deren Schlußgruppe, oder wie in K.-V. 37, 3 eine spätere Episode des Rondos.

      Aber Mozart hat seine Vorlagen nicht bloß rein mechanisch zu Konzerten umgeschaffen, sondern ihnen in seiner Bearbeitung oft genug den Stempel seines Geistes aufgedrückt. So holt er gleich am Anfang von K.-V. 37 aus dem Raupachschen Satze die charakteristischen, erregten Synkopen heraus, und im dritten Tutti von K.-V. 39, 1 nimmt das Orchester dem Solisten seine spielerische Figur aus der Hand und taucht sie in düsteres Moll, aus dem der Solist dann nur mit Mühe den Ausweg findet. Am freiesten ist in demselben Konzert das Schobertsche Andante behandelt: das pochende Baßmotiv, das bei Schobert erst im zweiten Teil auftaucht, ist nicht allein in den ersten übergeführt, sondern obendrein für sich allein noch in mächtigem Unisono des Orchesters an die Spitze des ganzen Satzes gestellt, wodurch dessen schweres Pathos geradeswegs ins Finstere gesteigert wird. Auch K.-V. 41 enthält solche Proben von Mozarts Selbständigkeit, besonders in den eigenen Gedanken, die er den ersten Tutti aller drei Sätze eingefügt hat45. So deutliche Spuren Chr. Bach mit dem Themengegensatz, der Vorliebe für äußeren Glanz und der Vernachlässigung des eigentlichen "Konzertierens" zugunsten des Solisten in diesen Werken hinterlassen hat, so ist natürlich ein Vergleich mit dessen eigenen Klavierkonzerten ausgeschlossen46. Die Bearbeitung dreier Sonaten aus Chr. Bachs op. 5 ist offenbar als eine frühere Studienarbeit dieser Art zu betrachten (K.-V. 107)47.

      Sonst sind aus dieser Salzburger Zeit keine datierten Kompositionen erhalten. Die neueste Forschung48 ist jedoch geneigt, noch eine Anzahl von Werken in diese Zeit zu setzen, so namentlich die undatierte F-Dur-Sinfonie (K.-V. 76, S. XXIV, 3). Ihrem ganzen Stil und vor allem dem Bau ihres ersten Satzes nach gehört sie unter die Jugendwerke, auch deutet der offenkundige Anklang an Rameau49 im Thema des letzten Satzes auf die zeitliche Nähe der Pariser Reise hin. Andererseits weist die Einfügung des Menuetts nach Süddeutschland. So liegt die Annahme nahe, daß das Werk entweder schon in Salzburg oder doch unmittelbar darauf in Wien entstanden ist50.

      Fußnoten

      1 Vgl. Histor. moral. Belustigungen des Geistes, Hambg. 1765. VII. Stück. Aristide ou le citoyen, XVIe discours du 11 oct. 1766 (Lausanne), Hiller, Wöchentl. Nachr. 1766, I 174.

      2 Marianne bei Nottebohm, Mozartiana S. 137.

      3 B IV 260 f.

      4 S.o. Schachtner S. 23 und B I 13 und 15, wo sich Wolfgang sein Rechenbuch von der Schwester erbittet.

      5 Kürtziste Universal Historie, Nach der Geographia Auf der Land-Karte zu erlernen, Von der studierenden Jugend des Bischöfflichen Lycei zu Freysing. Geschrieben von P. Anselmo Desing, Ord. S. Bened. Ensdorf Cum facultate Superiorum et Priv. Spec. Sac. Caes. Maj. Im Verlag Johann Gastl zu München und Stadt am Hof nächst Regensp. 1756. Vielleicht gehört auch der "Atlas des enfants" (1760) aus seinem eigenen Nachlaß hierher, vgl. Engl MJB 1894, S. 36 f.

      6 Mozart 3. A. 1844.

      7 Vgl. oben S. 27.

      8 Eine photographische Wiedergabe besitzt der Herausgeber. Vgl. S.J. Tanejew, Der Inhalt des Arbeitsheftes von W.A. Mozart MJB XXIII 1913.

      9 Das ganze Heft wurde später von Nissen mit Bleistift durchpaginiert.

      10 J I4 59.

      11 S.o.S. 52.

      12 Hierher gehört auch ein Blatt von Mozarts Hand im Brit. Museum, von Vincent Novello geschenkt, der es 1829 von Mozarts Witwe erhalten


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