Unendlich funkenhell. Frau Michelle Schrenk

Unendlich funkenhell - Frau Michelle Schrenk


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»Also sollte man nie voreilige Schlüsse ziehen.«

      Nachdem wir das Gespräch beendet haben, klicke ich mich durch Netflix, ich starte einige Trailer, aber irgendwie hab ich auf nichts richtig Lust und nach einer Weile werden meine Augen schwer.

      Nachdem ich das Licht gelöscht habe, betrachte ich die vielen Leuchtsterne, die über meinem Kopf funkeln. Ich habe sie bei unserem Einzug zusammen mit Mum an die Decke geklebt. »Wenn du nicht schlafen kannst, dann zähle die Sterne, das beruhigt«, sagte sie mir damals. Schon oft hat mir das beim Einschlafen geholfen.

      Heute jedoch bringt es mir nichts. Obwohl ich so viel erlebt habe und mir vor Erschöpfung die Augen zufallen, geben meine Gedanken einfach keine Ruhe. Die beiden Jungs kommen also auf unsere Schule. Nathan und Louis. Nathan, der mir die Eintrittskarten fürs Closer gegeben hat, und Louis Lamen, der Junge, der mich so fasziniert hat.

      Mir fallen seine wasserblauen Augen ein, diese Funken zwischen uns, als sich unsere Finger berührten, und die Bilder von dem Liebespaar, das sich von der Brücke stürzte. Da war irgendwas, die Frage ist, was. Ist es am Ende doch Schicksal?

      Ich schüttle den Kopf. Ja genau, du wirst noch total paranoid, Amy.

      Kapitel 4

      Wider Erwarten gingen die ersten Unterrichtsstunden heute schnell vorüber. In der ersten Stunde hatten wir Mathematik, dann Englisch. Nachdem wir den Ausflug zur Tower Bridge noch mal aufgerollt hatten, überraschte Mrs Birmingham uns mit einem Test. Zu meinem Erstaunen hatte ich alles noch ziemlich gut im Gedächtnis – im Gegensatz zu Jill.

      »Echt bescheuert. Als ob ich mir merken kann, wie hoch wir da oben waren«, jammert sie, während wir uns auf den Weg zu unserem Geschichtskurs machen und die Stimmen der Schüler durch die Gänge des alten Schulgebäudes hallen.

      Jill stockt kurz, als Thomas an uns vorbeigeht. Er hebt die Hand und winkt uns zu, woraufhin ihr sofort die Röte ins Gesicht schießt.

      »Ach, er sieht so gut aus. Weißt du, Amy, ich kann es kaum erwarten, bis endlich Samstag ist. Ich hoffe so sehr, dass ich auf der Party ein bisschen Zeit mit ihm verbringen kann.« Sie beginnt zu grinsen. »Und wer weiß, was dich erwartet. Ich meine dieser Nathan war ja wohl offensichtlich interessiert und«, sie stockt, als wir uns Mary nähern, die umringt von ein paar anderen Mädels dasteht.

      »Die Neuen sind so was von sexy«, berichtet sie. »Und sie sind schon da. Beide haben echt schöne Augen. Aber … Psst, da kommt ja schon einer, nicht hinschauen!«

      Darauf hört natürlich niemand. Reflexartig drehen alle ihre Köpfe in die Richtung des Jungen, der gerade das Sekretariat schräg gegenüber verlässt. Über seiner Schulter trägt er die blaue Jacke, die zur Schuluniform gehört, das weiße Hemd spannt sich um seinen Oberkörper, und die schwarzen Haare schimmern im Sonnenlicht, das durch eines der Gangfenster dringt. Es ist Louis. Er ist es, ohne Zweifel. Sofort macht sich wieder dieses Prickeln in mir breit. Doch ehe er uns entdeckt, verschwindet er schon um die Ecke, und mir bleibt nichts als der Blick auf seinen Rücken.

      »Na, habe ich euch zu viel versprochen, Mädels?«, säuselt Mary, während Jill mir ihren Ellenbogen etwas zu stark in die Seite rammt.

      Nun verlassen zwei Männer das Sekretariat. Einer ist unser Direktor Mr Flatlin, der andere ist groß, blond, gut gekleidet und wirkt ziemlich genervt. »Ich bin damit absolut nicht einverstanden«, sagt er nicht gerade leise zu Mr Flatlin. Es scheint ihn nicht zu interessieren, dass alle Umstehenden seine Worte hören können. »Das hier war für mich immer eine gute Schule, in all den Jahren, aber …«

      »Bitte beruhigen Sie sich doch, Mr Kane«, meint Mr Flatlin beschwichtigend. »Ich denke, dass er eine Chance verdient hat.«

      Der Mann verzieht das Gesicht. »Das sehe ich anders. Sie wissen, was passiert ist, Sie kennen die Geschichte und …« Er sieht sich um, dann winkt er ab. »Lassen wir das. Ich habe es Ihnen bereits mehr als deutlich erklärt, aber das hat Ihnen ja nicht ausgereicht. Mal sehen, wie großzügig ich dann in Zukunft noch bin.«

      Unser Direktor steht sichtlich unter Druck. Er zieht ein kariertes Taschentuch aus seiner Hose und wischt sich damit über die Stirn. »Ich werde mich an die Abmachung halten. Eine Sache, nur eine winzig kleine, dann wird er von der Schule verwiesen. Aber bis dahin sollten wir alle das Beste hoffen. Meinen Sie nicht auch?«

      Der Mann bedenkt ihn mit einem finsteren Blick. Offensichtlich ist er es nicht wirklich gewohnt, dass man ihm einen Gefallen verweigert – den er offensichtlich von Mr Flatlin erwartet hat. »Was auch immer das Beste ist«, gibt er ziemlich barsch zurück, dann wendet er sich abrupt ab und geht in Richtung Ausgang.

      Unzählige Blicken folgen ihm, was auch Mr Flatlin nicht entgeht. »Ihr solltet euch lieber auf den Weg zum Unterricht machen«, ruft er in unsere Richtung, tupft sich nochmals mit seinem Taschentuch den Schweiß aus dem Gesicht und verschwindet dann mit hastigen Schritten zurück in sein Büro.

      »Das gibt’s nicht!«, sagt Jill an mich gewandt. »Das war Charles Kane, Nathans Vater.«

      »Ja, das war er. Unverkennbar«, antwortet Mary an meiner Stelle ganz aufgeregt. »Und ich habe so das Gefühl, als ob es dabei um diesen Louis ging. Also, ich werde auf alle Fälle mehr über die beiden in Erfahrung bringen, denn das scheint mir spannend zu sein.«

      Jill nickt. »Ich denke auch, das wird interessant. Jetzt aber schnell, wir haben doch Geschichte. Mit dem Finigan ist nicht zu spaßen.«

      Und so löst sich unsere Gruppe auf. Gerade noch rechtzeitig vor dem Klingeln schlüpfen wir ins Klassenzimmer. Ich bin noch immer in Gedanken und versuche, das Gefühl, das Louis gerade in mir ausgelöst hat, einzuordnen. Natürlich frage ich mich auch, was das Problem ist und warum Nathans Vater anscheinend nicht will, dass Louis in unsere Schule geht.

      Doch dann werde ich abrupt abgelenkt, denn in der dritten Reihe sitzt kein Geringerer als Nathan. Als er mich entdeckt, verzieht er seine Lippen zu einem Lächeln und hebt die Hand.

      Erst Louis, jetzt Nathan. Das verursacht Chaos in meinem Bauch.

      Jill, die natürlich sofort bemerkt hat, was Sache ist, lächelt in seine Richtung, dann geht sie zu unserem Platz, während ich noch wie angewurzelt dastehe. Beruhige dich, Amy, sage ich zu mir selbst, bevor ich mich schließlich auch in Bewegung setze.

      Um zu meinem Platz zu gelangen, muss ich an Nathan vorbei.

      »Hey, so sieht man sich wieder«, sagt er, als ich kurz vor ihm stehen bleibe.

      »Ja, was für eine Überraschung. Als ob du das gestern nicht schon wusstest«, bemerke ich und er lacht. »Kann schon sein.«

      In diesem Moment betritt unser Geschichtslehrer den Raum, und ich setze mich rasch neben Jill auf meinen Platz.

      »Guten Morgen, alle zusammen.« Mr Finigan legt seine braune Ledertasche ab und lehnt sich lässig ans Lehrerpult. Sein Blick streift durch den Raum und bleibt schließlich an Nathan hängen. »Ah, du bist einer der beiden Neuen. Nach deinem Namen muss ich ja nicht fragen, Nathan Kane.«

      Nathan nickt mit sichtlich stolzgeschwellter Brust.

      »Schön, dich hier zu haben, Junge. Ich kenne deinen Vater aus der Zeit, als ich selbst hier noch Schüler war. Er war ein paar Klassen unter mir«, erklärt Mr Finigan und will wohl noch etwas hinzufügen, doch in diesem Moment geht die Tür auf, und Louis kommt herein.

      »Findet hier der Geschichtskurs statt?«, fragt er und streicht sich eine seiner schwarzen Haarsträhnen aus der Stirn. Bei seinem Anblick breitet sich erneut ein Kribbeln in jedem Winkel meines Körpers aus.

      Mr Finigan wendet sich ihm zu. »Ah, du bist dieser Louis Lamen, nicht wahr?«

      »Ja, der bin ich«, antwortet Louis knapp und sichtlich genervt.

      Mr Finigan hat etwas in seinem Blick, das beinahe schon ablehnend wirkt. Er hebt eine Augenbraue und verschränkt die Arme vor der Brust. »Du bist zu spät. Ist dir das klar?«

      »Ja, sorry.


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