Der neue Sonnenwinkel Staffel 2 – Familienroman. Michaela Dornberg
Knöpfen. Sie sah schön und adrett aus, und so liebten die Gäste die freundliche Frau des Besitzers des Seeblicks.
Seit Susanne mit Roberto verheiratet war, schien sie noch schöner geworden zu sein. Sie sah sehr glücklich und ausgeglichen aus.
»Frau Doktor Steinfeld, wie schön, dass Sie uns mal wieder besuchen«, wurde sie von Susanne herzlich begrüßt und auch gleich zu einem sehr netten kleinen Tisch geführt, von dem man aus einen Großteils des Restaurants überblicken konnte, und wenn es hell war, dann konnte man auf den Sternsee blicken, der unterhalb des Seeblicks zu sehen war. Das war ein grandioser Ausblick, und der Seeblick trug seinen Namen nicht umsonst. Der Blick auf den See war atemberaubend, und im Sommer kamen auch viele Ausflügler her, Leute mit Fahrrädern, die sich auf die Terrasse setzten, um den Blick zu genießen, und nicht nur das, dann wurden tagsüber auch kleine Köstlichkeiten serviert, die nicht viel teurer waren als Pommes mit Majo und Currywurst.
»Ich habe frei, meine Haushälterin ist mit ihrem Gospelchor nach Irland gefahren, und ich nutze die Zeit, mich hier bei Ihnen verwöhnen zu lassen.«
Das freute Susanne sehr, sie fand die Ärztin großartig, und sie rechnete es ihr hoch an, dass sie sich ihr gegenüber so nett verhielt. Immerhin war die allerbeste Freundin von ihr ihre Vorgängerin gewesen.
Susanne wollte ihr die Speisekarte bringen, doch Roberta winkte ab.
»Ich glaube, ich weiß schon, was ich haben möchte. Ich hätte Lust auf eine Pasta, und da möchte ich mich auch nicht festlegen, sondern lasse mich überraschen.«
Susanne nickte, versprach, es an die Küche weiterzugeben.
Roberta wollte gerade ein Glas Rotwein bestellen und ein Mineralwasser, als sie sich erkundigte: »Oder gibt es etwas Besonderes, was Sie mir heute anbieten können?«
Susanne nickte.
»Mein Mann hat heute Morgen vom Großmarkt ganz frische Seezunge mitgebracht, die servieren wir mit …«
Roberta winkte ab.
»Ich nehme die Seezunge, die habe ich schon lange nicht gegessen, und verraten Sie mir bitte nicht die Beilagen, da lasse ich mich überraschen, die sind bei Ihnen immer ganz köstlich.«
Susanne freute sich, und Roberta bestellte statt des Rotweins nun einen Weißwein und das Mineralwasser.
Welch ein Glück, dass sie sich erkundigt hatte. Auf eine Seezunge hatte sie jetzt richtig Lust, auch wenn die Pasta im Seeblick köstlich war. Aber die konnte sie auch morgen Abend essen.
Susanne Andoni war gerade weg, als Roberto zu ihr an den Tisch kam, um sie zu begrüßen. Zum Glück hatte die Trennung von ihm und Nicki das gute Einvernehmen zwischen ihnen nicht getrübt.
Er setzte sich mit zwei Champagnergläsern an ihren Tisch.
»Roberta, stoßen Sie bitte mit mir auf ein ganz großartiges Ereignis an?«
Er war aufgeregt, und Roberta dachte, dass er nun doch die Erlaubnis der Denkmalsschutzbehörde bekommen hatte, um die er, seit er den Seeblick gekauft hatte, kämpfte.
»Gern«, sagte sie, »aber wenn es etwas zu feiern gibt, sollte Ihre Frau dann nicht dabei sein?«
»Das geht nicht«, sagte er, und das klang ein wenig geheimnisvoll.
Roberta blickte ihn ein wenig irritiert an, das merkte er, deswegen fügte er hinzu: »Susanne ist schwanger, und da darf sie natürlich keinen Alkohol trinken …, ach, Roberta, sie macht mich zum glücklichsten Menschen der Welt. Ich werde eine Familie haben, nun können die Schatten der Vergangenheit alle weichen.«
Roberta gratulierte ihm, sie freute sich wirklich für ihn und Susanne. Und ehe sie ihn fragen konnte, sagte er: »Wir haben es uns gewünscht, aber nicht damit gerechnet, dass es so schnell klappen würde. Auch das gibt eine Veränderung. Susanne kann sich dann nicht mehr um die Gastronomie kümmern, das Kind hat Vorrang. Aber hier im Restaurant mitzuarbeiten, das war ihre eigene Entscheidung. Das hätte sie nie gemusst. Dann wird eben Personal eingestellt.«
Und Nicki hatte daraus einen Film gedreht, hatte alles abgelehnt. Dabei hätte sie im Haus, das groß genug war, ohne Weiteres ihrer Arbeit als Dolmetscherin und Übersetzerin nachgehen können. Nicki hatte sich durch ihre Voreingenommenheit um alles gebracht. Hoffentlich würde sie das niemals bereuen!
Roberta hob ihr Glas.
»Dann trinken wir auf Sie, auf Ihre Frau und vor allem auf Ihr Baby«, sagte sie.
Hell klangen die Gläser aneinander.
Susanne kam mit dem Weißwein und dem Mineralwasser und strahlte über das ganze Gesicht.
»Roberto hat es Ihnen erzählt, Frau Doktor, nicht wahr. Ist es nicht großartig?«
Dem stimmte Roberta zu und gratulierte auch ihr.
»Kinder sind etwas ganz Wunderbares, und hier oben aufzuwachsen garantiert eine schöne Kindheit.«
Susanne nickte heftig.
»Mein Leben hier mit Roberto und bald mit einem Kind, das ist ein Traum. Manchmal würde ich mich gern in den Arm kneifen, um mich davon zu überzeugen, dass alles wunderbare Wirklichkeit ist.«
Roberto und Susanne tauschten Blicke miteinander, die viel von dem verrieten, was sie füreinander empfanden.
Susanne wurde abgerufen, und auch Roberto hatte sich um andere Gäste, vor allem darum zu kümmern, dass es in der Küche rund lief.
Susanne unterhielt sich mit zwei Gästen einige Tische weiter, sie lachten miteinander. Ja, sie war wirklich eine sehr patente Frau.
Und Roberto verschwand, nachdem er hier und da ein paar freundliche Worte mit den Gästen gewechselt hatte, in seiner Küche.
Der Seeblick war zu neuem Leben erwacht. Alles war so ganz anders als früher. Das kannte Roberta ja auch noch.
Hier und da sah sie Patienten von sich. Man wechselte ein paar Worte miteinander, und als Magnus und Teresa von Roth das Restaurant betraten, wechselte Roberta sogar den Tisch. Die von Roths hatten sie gebeten, sich zu ihnen zu setzen, und das tat Roberta von Herzen gern.
Sie würde niemals vergessen, dass diese beiden es gewesen waren, die zuerst ihre Praxis betreten hatten, ohne dass ihnen etwas fehlte. Sie hatten Roberta aufmuntern wollen, weil niemand bei ihrer Eröffnung gekommen war, und sie voller Selbstzweifel gewesen war, ob es richtig gewesen war, die Praxis von ihrem alten Studienfreund Enno Riedel zu übernehmen, der nach Amerika gegangen war.
Am liebsten hätte Roberta jetzt angefangen zu lachen. Wie lange lag das nun alles zurück, und was war nicht alles passiert. Die Praxis brummte, sie war beliebt und anerkannt, sie hatte sich integriert, und sie war glücklich. Jetzt war sie es wieder, nachdem sie ihre unglückliche Liebe zu dem Aussteiger Kay Hall überwunden hatte. Es war unglaublich schön gewesen, beinahe magisch. Aber vielleicht lag das auch daran, dass sie keinen zermürbenden Alltag miteinander hatten.
Kay, der etablierte Aussteiger, und sie, die etablierte Ärztin, die sich nicht vorstellen konnte, ihren geliebten Beruf aufzugeben.
Sie war mit Kay auf Wolke Sieben gewesen, und den Abstieg hatte sie selbst vorgenommen, weil es zwischen einfach keine Gemeinsamkeiten gab. Ihre Lebensziele waren zu unterschiedlich. Kay hatte den Sonnenwinkel verlassen, und sie war von Schuldgefühlen niedergedrückt gewesen, weil sie sich Vorwürfe gemacht hatte, dieser Liebe keine Chance gegeben zu haben. Ihr Verstand hatte gesiegt, und letztlich war das auch gut so. Partnerschaften fanden schließlich auf Erden statt, und das war leider nicht immer magisch.
Komisch, dass sie gerade jetzt an Kay denken musste.
Sie wollte das, was sie mit ihm erlebt hatte, nicht missen. Durch ihn hatte sie nach ihrer unerfreulichen Scheidung von ihrem Exmann Max das Lachen wieder gelernt, und an seiner Seite hatte sie die Leichtigkeit des Seins verspürt, wie sie es noch nie zuvor gehabt hatte, auch nicht in ihren scheinbar glücklichen Zeiten.
»Frau Doktor, wie kommt es, dass Sie heute hier sind«, erkundigte Magnus