Der neue Sonnenwinkel Staffel 2 – Familienroman. Michaela Dornberg
Es stimmte, und jetzt war Ricky eigentlich auch wieder beruhigt.
»Wir verkaufen«, sagte sie, »so, wie besprochen. Und ich mache jetzt noch einen kurzen Abstecher zu meinen Eltern, und dann fahre ich direkt zur Uni. Oma Holper ist da, du musst nur noch die Hausaufgaben unserer kleinen Lieblinge durchsehen. «
Fabian versprach es, und Ricky wusste, dass auf ihn Verlass war, und die Oma Holper, die war in Gold nicht aufzuwiegen. Es war eine verwitwete, alleinstehende Nachbarin, die ihre Nachbarskinder liebte, wie man eigene Kinder nicht mehr lieben konnte, die ihr leider verwehrt geblieben waren. Ihre lieben Gören nannten sie nicht umsonst Oma Holper, sie war wie eine Oma.
»Tut mir leid, dass ich für einen Moment verunsichert war. Aber jetzt ist wieder alles okay. Entschuldige bitte die Störung.«
»Du störst nie, und ich möchte, dass in dir nicht der allerkleinste Zweifel bleibt. Wenn du den hast, dann sagen wir dem Makler ab. Das Haus steht jetzt schon eine ganze Weile leer, weil deine Mutter nicht in die Puschen kam. Auf einen Tag, eine Woche oder einen Monat mehr kommt es wahrhaftig jetzt nicht an.«
Ricky war überwältigt!
So war ihr Fabian, ihr Mann. Am liebsten hätte sie ihn jetzt umarmt, doch weil das nicht möglich war, sagte sie: »Du weißt überhaupt nicht, wie sehr ich dich liebe.«
Er antwortete nicht sofort, doch dann sagte er ganz ernsthaft: »Doch, ich weiß es, und dafür danke ich dem Schicksal jeden Tag aufs Neue. Durch dich hat mein Leben einen Sinn bekommen.«
Ricky hörte, wie jemand in sein Zimmer kam, er musste sich schnell verabschieden, und sie blieb überwältigt zurück.
Die Sonne schien in das große Wohnzimmer, und das war ein gutes, nein, es war ein fantastisches Zeichen!
Ricky steckte ihr Handy weg, dann verließ sie das Haus. Fabian sagte immer, dass alles seine Zeit hatte. Es stimmte, hier lebten nur noch schöne Erinnerungen.
*
Ricky erschrak, als sie ihre Mutter sah, sie war blass, übermüdet, abgemagert. Was war nur aus ihr geworden?
Normalerweise freute Inge Auerbach sich immer, wenn eines ihrer Kinder vorbeikam und war dann so richtig überschwänglich.
Jetzt brachte sie gerade einmal ein müdes: »Schön, dass du da bist, Kind«, hervor.
»Ich kann nicht lange bleiben, gerade mal auf einen Kaffee, denn ich muss noch zur Uni.«
»Und weswegen bist du gekommen, wenn du nicht mehr als für einen Kaffee Zeit hast?«
»Weil ich mich mit einem Makler getroffen habe, der unser Haus verkaufen soll.«
Sofort bekam Inge ein schlechtes Gewissen.
Das Haus!
Das hatte sie vollkommen vergessen, dabei hatte sie sich doch beinahe aufgedrängt, sich darum zu kümmern. Bei ihr war wirklich alles aus dem Ruder gelaufen.
»Wieso verkaufen?«, erkundigte sie sich alarmiert. »Es sollte doch wieder vermietet werden.«
Ricky nickte.
»Das stimmt, Mama«, sie machte sich an der Kaffeemaschine zu schaffen, weil es nicht so aussah, als würde ihre Mutter die Energie dazu aufbringen, einen Kaffee zu kochen, und sie musste wirklich weg. »Und vielleicht ist es ganz gut so, dass eine Vermietung noch nicht erfolgt ist. Fabian und ich haben uns entschlossen, zu verkaufen. Wir werden niemals mehr in den Sonnenwinkel zurückkehren, wir lösen die Hypotheken von unserem Haus ab, und das wird dann schuldenfrei sein. Und ich muss dir nicht sagen, was Kinder kosten. Das weißt du aus eigener Erfahrung. Unsere Kinder sollen alle Möglichkeiten haben, ihren Neigungen nachzugehen, und Bildung, Wissen und Entwicklung der eigenen Persönlichkeit ist mehr wert als alles Geld auf der Welt.«
Inge schaute ihre Tochter unsicher an.
»Und es ist nicht, weil ich die Vermietung vergessen habe, und nun seid ihr sauer und macht Nägel mit Köpfen.«
Ricky schüttelte den Kopf.
»Nein, Mama, wir sind nicht sauer. Aber unabhängig von dem Haus musst du dich von deinen Schuldgefühlen befreien. Du musst loslassen. Rückgängig machen lässt sich überhaupt nichts. Papa und du, ihr habt einen Fehler gemacht, Pam nicht zu sagen, dass sie adoptiert ist, und …«
Inge unterbrach ihre Tochter.
»Jetzt sagst du zu ihr auch schon Pam«, klagte sie. Was sollte das denn jetzt?
»Mama, sie heißt Pamela, will Pam genannt werden. Das ist eine schöne, moderne Abkürzung des Namens. Sie hätte, auch wenn es nicht so gekommen wäre, nicht auf ewig Bambi bleiben können. Das ist niedlich für ein kleines Mädchen, für eine Erwachsene ist es nur peinlich, so genannt zu werden.«
Der Kaffee war fertig, Ricky stellte die Tassen auf den Tisch, dazu Milch und Kaffeesahne, dann holte sie den Kaffee und schenkte ein.
Ricky war ernsthaft besorgt. Dieser Zwischenfall hatte sie vollkommen verändert. Sie war wirklich nicht mehr sie selbst.
»Wo ist Papa?«, erkundigte sie sich.
Inge zuckte die Achseln.
»Ich weiß nicht, er hat es zwar gesagt, doch ich habe es vergessen. Er kommt auf jeden Fall heute Abend wieder nach Hause …, glaube ich.«
Ricky hatte jetzt keine Angst, ihre Mutter könnte geistig verwirrt sein. Doch ihr Zustand verriet ihr, wie es um sie bestellt war.
»Mama, ich will jetzt nicht lehrerhaft wirken, was du mir ja manchmal vorwirfst, aber du solltest dir professionelle Hilfe holen. Allein kommst du aus diesem Loch nicht mehr heraus. Dafür hast du dich viel zu tief darin verstrickt.«
Inge wusste, dass Ricky es nur gut meinte. Aber sie befand sich in einer Verfassung, in der sie eine Fliege an der Wand störte.
»Willst du damit sagen, dass ich verrückt bin, Ricky?«, blaffte Inge Auerbach ihre Tochter an.
Ricky behielt die Nerven, normalerweise wäre es jetzt nur so aus ihr herausgeplatzt. Doch sie hatte von Fabian gelernt, sich nicht provozieren und auch nicht in ausweglose Situationen bringen zu lassen und sich nicht sinnlos zu ereifern.
Ricky blieb ganz ruhig!
»Mama, davon spricht keiner. Und das weißt du auch. Ich möchte es deswegen jetzt auch nicht diskutieren. Wenn du dir keine professionelle Hilfe suchen möchtest, was in Amerika übrigens so selbstverständlich ist wie ein Zahnarztbesuch, dann gehe wenigstens zu Frau Doktor Steinfeld. Die kann dir etwas verschreiben, was dich zur Ruhe kommen lässt. Du kennst sie, du vertraust ihr, und Frau Doktor Steinfeld ist in die ganze Geschichte involviert. Sie hat Pamela schließlich nachts aufgegriffen, und bei ihr war sie, bis sie mit unserem Hannes nach Australien gefahren ist.«
Inge sagte nichts, aber Ricky ließ sich davon nicht ins Bockshorn jagen. Sie kannte ihre Mutter, wusste, wie sie normalerweise drauf war. Es war ganz schrecklich, mit ansehen zu müssen, wie sie sich selbst zerfleischte.
Ricky begann von ihren Kindern zu erzählen. Sie wusste, wie sehr ihre Mutter ihre Enkel mochte. Sie wollte sie einfach von ihren trüben Gedanken ein wenig ablenken, und das gelang ihr sogar ein bisschen. Inge musste sogar lachen, als Ricky ihr erzählte, was sie alles so angestellt hatten.
»Und wenn du wieder besser drauf bist, dann bringen wir euch die Kinder zu einem Wochenendbesuch vorbei.«
Sofort bekam Inge Auerbach glänzende Augen, weil sie ihre Enkelkinder über alles liebte.
»Aber dem steht doch überhaupt nichts im Wege. Ich bin schließlich nicht krank.«
»Mama, so wie du jetzt drauf bist, kannst du unsere Lieben nicht bändigen«, sagte Ricky sofort.
Sie trank schnell ihren Kaffee aus, ein Blick auf ihre Armbanduhr zeigte ihr, dass sie wirklich schon sehr spät dran war.
»Lass uns telefonieren, Mama. Ich muss jetzt los, laufe aber rasch noch einmal ganz kurz nach