Der neue Sonnenwinkel Staffel 2 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 2 – Familienroman - Michaela Dornberg


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zu kommen und nicht wenigstens kurz bei ihren Großeltern vorbeizuschauen. Ricky hatte ein ganz besonders herzliches Verhältnis zu ihnen, und sie würde nie vergessen, wie sehr sie ihre Wünsche unterstützt hatten, als sie sich entschlossen hatte, zu studieren. Sie hatten ihr sogar ein kleines Auto gekauft, damit sie unabhängig war.

      »Das kannst du dir heute sparen, Ricky«, sagte Inge, »sie sind mit Luna zum Tierarzt gefahren.«

      Erschrocken erkundigte Ricky sich: »Was fehlt ihr denn, unserer kleinen Prinzessin?«

      Diese Frage erheiterte Inge. Jetzt musste sie wirklich lachen, denn mit dem Wort Prinzessin hatte ihre Tochter den Nagel auf den Kopf getroffen.

      Sie winkte ab.

      »Ach, es ist nichts Schlimmes. Luna hat sich etwas in die vordere linke Pfote getreten, aber sie humpelt, als hätte man ihr das halbe Bein amputiert. Sie ist eine kleine Staatsschauspielerin und weiß, wie sie sich in Szene setzen kann, und sie ist dreimal chemisch gereinigt, wenn es darum geht, den einen gegen den anderen auszuspielen, wenn sie etwas erreichen möchte.«

      Ricky stimmte in das Lachen ihrer Mutter ein, weil sie sich das so richtig vorstellen konnte. Sie war auch ganz vernarrt in die kleine, weiße Labradordame, die die Herzen aller im Sturm erobert hatte.

      »Ganz speziell, wenn es um Leckerli geht«, bemerkte sie. »Aber kannst du dich erinnern, Mama? In dieser Hinsicht war Jonny ebenfalls ein Weltmeister.«

      Das stimmte.

      Ricky umarmte ihre Mutter.

      »Jetzt hast du wenigstens einmal gelacht, Mama«, sagte sie. »Kopf hoch, es wird schon wieder, und wegen des Hauses mach dir bitte keine Sorgen. Es ist alles gut, Fabian und ich sind uns da einig.«

      Sie winkte ihrer Mutter zu, lief davon, Inge hatte große Mühe, ihrer Tochter zu folgen.

      Sie bekam gerade noch mit, wie Ricky sich in ihr Auto setzte und davonbrauste.

      Sie war immer auf der Überholspur, ihre Große, aber so war sie schon immer gewesen. Aber eines musste man ihr lassen, es war ganz großartig, wie sie alles unter einen Hut brachte – Mann, Kinder, gesellschaftliche Verpflichtungen und jetzt das anspruchsvolle Studium.

      Gut, Ricky war viele Jahre jünger als sie. Aber Inge glaubte nicht, dass sie das früher so gewuppt hätte wie ihre Tochter es tat.

      Sie war halt anders, die Ricky. Aber in einem hatte sie natürlich recht, sie durfte sich wirklich nicht so gehen lassen. Sie musste sich von ihren Schuldgefühlen befreien, die ihr den Schlaf raubten, sie antriebslos machten. Und was das Schlimmste daran war: Sie und Werner durften sich nicht mehr so zerfleischen. Sie änderten an nichts etwas. War es denn nicht besser, sich zusammenzusetzen und zu beratschlagen, was sie unternehmen konnten, damit ihre Jüngste ihnen verzieh, weil man ihr vorenthalten hatte, dass sie adoptiert war?

      Und Ricky hatte in einem ebenfalls recht, wenn sie schon keine professionelle Hilfe haben wollte, sollte sie wenigstens zu Frau Doktor Steinfeld gehen.

      Sie seufzte.

      Ja, es war wirklich ganz schlimm, wenn einem das eigene Leben ganz gehörig um die Ohren flog. Sie waren einfach zu sicher gewesen, dass ihre heile Welt auf ewig eine bleiben würde …

      Sie würde mit ihren Eltern reden. Sie wollte, dass Luna wieder zu ihr und Werner kam. Durch Luna wurden sie abgelenkt, und der kleine Hund war schließlich das Verbindungsglied zwischen ihnen und Bambi, nein, in Gottes Namen, Luna war das Verbindungsglied zu Pam.

      *

      Sandra Münster lief die wenigen Meter hinüber zum Herrenhaus. Die Kinder waren in der Schule, und Felix war längst in seiner Firma, nachdem sie sich liebevoll voneinander verabschiedet hatten. Es war beinahe so wie am Anfang ihrer Beziehung, wie in den Werbewochen, wie man so schön sagte, und sie konnten beide nicht mehr begreifen, dass es bei ihnen zu diesem unschönen Streit gekommen war. Sie hatte ihm vorgeworfen, eine Affäre zu haben, und er hatte sich verletzt zurückgezogen, weil er nicht fassen konnte, dass Sandra so etwas von ihm dachte.

      Schwamm darüber …

      Sie waren wieder glücklich, so glücklich, als habe es diesen Streit nie gegeben.

      Es war schön, dass sie so dicht beieinander wohnten, und es war eine liebe Gewohnheit geworden, zusammen noch einen Kaffee oder Tee zu trinken, wenn in beiden Häusern ›reine Luft‹ war, wenn die Frauen allein waren.

      Es war wirklich schön, aber einen Nachteil hatte es auch, wenn man so dicht beieinander war, bekam man auch eine ganze Menge mit, und ihre Mutter neigte leider manchmal dazu, sie so zu behandeln, als sei sie noch ein kleines Mädchen, das dringend die mütterlichen Ratschläge brauchte.

      Das nervte manchmal ganz schön, aber man konnte darüber hinwegsehen, weil sonst alles stimmte, beinahe perfekt war.

      Ihre Mutter sprach mit Fanny, die gerade abräumte, als Marianne von Rieding ihre Tochter bemerkte, sagte sie: »Warten Sie, Fanny«, und zu ihrer Tochter gewandt, »möchtest du etwas trinken, Sandra?«

      Mochte sie heute nicht, damit war Fanny entlassen, entfernte sich.

      Marianne von Rieding trug eine braune, sehr gut geschnittene Hose, die ihre schlanke Figur betonte, dazu ein camel­farbenes Twinset aus feinster Cashmerewolle, und sie trug eine schimmernde Perlenkette, die Carlo ihr einmal geschenkt hatte, sonst, außer Armbanduhr und Ehering keinen Schmuck.

      Marianne von Rieding war eine gepflegte, aristokratische Erscheinung, Sandra war stolz auf ihre Mutter. Heute allerdings wirkte sie ein wenig blass und sah besorgt aus.

      Sandra setzte sich, dann erkundigte sie sich: »Mama, was ist los?«

      Marianne kam sofort zur Sache.

      »Ich mache mir Sorgen um Carlo.«

      Das verstand Sandra jetzt nicht.

      »Aber er ist doch zu Frau Doktor Steinfeld gegangen, und da ist er in allerbesten Händen, und wenn sie ihr Okay gibt, dann weißt du, dass Carlo nichts fehlt.«

      »Das ist es ja gerade«, ereiferte Marianne sich. »Ich habe ihn ja gebeten, zu Frau Doktor Steinfeld zu gehen, und er gab auch nach. Aber für ihn schien es so etwas zu sein wie ein Spaziergang durch einen Rosengarten.«

      »Und?«, wollte Sandra wissen. »Ist es das nicht?«

      Marianne zuckte die Achseln.

      »Ich weiß es nicht, er redet nicht darüber. Aber bedenklich finde ich, dass er bereits einige Male in die Praxis musste, und die Frau Doktor hat ihm auch eine Überweisung zu einem Kardiologen gegeben. Und du weißt, Kardiologe, das bedeutet, dass mit seinem Herzen etwas nicht stimmt.«

      Das wollte Sandra nicht so sehen.

      »Du kennst die Frau Doktor. Sie ist gründlich und eher übervorsichtig. Es kann doch sein, dass sie nur eines ihrer eigenen Ergebnisse bestätigt haben möchte.«

      Wieder ein Achselzucken.

      »Aber es kann auch sein, dass Carlo künftig kürzertreten muss. Das predige ich schon lange.«

      »Mama, ehe du die Ergebnisse der Untersuchungen nicht kennst, willst du da nicht lieber aufhören, dich verrückt zu machen? Du predigst mir immer, dass man sich erst Gedanken machen muss, wie man auf die andere Seite kommt, wenn man am Fluss steht. Und jetzt zermürbst du dich.«

      »Ich hab das nicht gesagt, da verwechselst du mich. Ist aber auch egal. Es stimmt ja. Aber erinnerst du dich, wie ich schon vor einiger Zeit gesagt habe, dass Carlo sich zu viel zumutet, dass er kürzertreten muss?«

      Sandra erinnerte sich, sie erinnerte sich aber auch daran, dass ihre Mutter in diesem Zusammenhang gesagt hatte, dass sie überlegte, das Herrenhaus aufzugeben, wegzuziehen, und ein solcher Gedanke war für Sandra unerträglich.

      Sie musste ihre Mutter auf andere Gedanken bringen, sie durfte davon nicht wieder anfangen.

      »Mama, sollen wir nicht nach Hohenborn fahren und dort die Geschäfte ein wenig unsicher machen?«

      Damit


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