Feuerjäger: Sammelband. Susanne Pavlovic

Feuerjäger: Sammelband - Susanne Pavlovic


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sichert uns den ersten Schlag, und wir sind geschützt, falls er eine Schleuder einsetzt oder mit Steinen wirft.«

      Vorsichtig umrundeten sie den Platz vor der Höhle und bezogen die Positionen, die Thork angezeigt hatte. Einen Steinwurf weit waren sie nun voneinander getrennt, zwischen ihnen der Höhleneingang, aus dem der Gestank quoll. Was immer darin gestorben war, es musste gewaltig gewesen sein und schon lange dort liegen.

      Thork suchte Liannas Blick. Sie hielt ihr Schwert mit beiden Händen vor sich, zum Schlag bereit. Er umfasste das kühle, vertraute Holz seiner Streitaxt und nickte Lianna zu.

      »He!«, hörte er sie schreien. »Troll! Hier ist Besuch für dich!«

      Nichts rührte sich.

      »Komm raus, du stinkende Missgeburt!«

      Keine Reaktion. Thork lauschte angestrengt, und er meinte, ein leises Knurren aus den Tiefen der Höhle zu vernehmen.

      »Du mieses Stück Dreck! Schratfresser! Schleimige Ausgeburt eines göttlichen Alptraumes!«

      Nichts, nur das Knurren wurde lauter. Es kam weit aus dem Höhleninneren.

      »Komm schon, Feigling! Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!«

      Mit Entsetzen verfolgte Thork, wie Lianna einen Stein aufklaubte, ihre Deckung verließ und den Stein mit aller Kraft in die Höhle schleuderte. Er keuchte erleichtert, als sie unversehrt in den Schutz der Felswand zurückgekehrt war.

      Das Knurren steigerte sich zu einem Heulen. Thork schloss die Finger fest um die Axt. Konnte es sein, dass sie ihn mit diesem lächerlichen Stein getroffen hatte?

      Das Heulen verebbte jedoch, und sonst geschah nichts.

      »Er will nicht, der Bastard«, fluchte Lianna. »Sitzt in seinem Drecksloch und macht keinen Schritt.«

      Würde ich auch nicht tun, wenn ich von außen mit Steinen beworfen würde, überlegte Thork. Vielleicht haben wir seine Schlauheit unterschätzt. Er ist alt. Er könnte viel gelernt haben.

      Er brauchte nicht lange, um seinen Entschluss zu fällen.

      »Ich gehe rein und hole ihn«, sagte er halblaut.

      »Was?!« Liannas Erwiderung war alles andere als leise. »Bist du total übergeschnappt?! Du kannst doch nicht ... Du hast doch selber gesagt ...«

      »Ich sagte, wenn ich es vermeiden kann«, erinnerte Thork sie. »Nun, ich kann es offenbar nicht vermeiden.« Er setzte sich in Bewegung, näherte sich an der Felswand entlang dem Höhleneingang und spähte vorsichtig in die Dunkelheit.

      »Wenn du ihn da drin alleine tötest, ich schwöre dir, ich mach dich fertig«, drohte Lianna, doch ihre Stimme zitterte.

      »Im Gegenteil«, sagte er leise. »Ich werde dich brauchen. Jemand muss ihn hier draußen in Empfang nehmen, und zwar sehr schnell, so lange ihn das Licht noch blendet, denn ich werde selbst geblendet sein.«

      Er sah sie nicken, blass. Er machte einen Schritt in die Dunkelheit. Der betäubende Gestank senkte sich auf ihn. Er hielt sich eng an der Wand und lauschte angestrengt, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Das Heulen und Knurren war verstummt.

      Vorsichtig suchte er sich seinen Weg über den unebenen, mit Geröll übersäten Boden ins Innere. Die Höhle war wesentlich höher als breit, ein keilförmiger Riss im Gestein, der sich zunehmend verengte. Thork glich die Breite des Durchganges mit seiner Erinnerung an den Troll ab. Er würde Schwierigkeiten haben, sich durch die Engstellen zu quetschen, während für Thork selbst mehr als genug Platz war.

      Er stieg über vier weitere Schratleichen, alle zerschmettert und dort liegengelassen, wo sie gefallen waren. Er prägte sich ihre Position ein, so genau er konnte, damit er auf dem Rückweg nicht über sie stolperte. Der Gestank raubte ihm fast die Sinne, doch er zwang sich, normal zu atmen.

      Immer wieder stieß er auf Werkzeug, das über den Boden verstreut lag, Kochgeschirr, Rüstungsteile. Thork erkannte die Machart. Die ehemaligen Besitzer lagen zweifelsfrei tot daneben.

      Er ließ den letzten Rest Tageslicht hinter sich, als er dem Durchgang um eine Rechtsbiegung folgte. Völlige Dunkelheit umgab ihn nun und eröffnete seiner Zwergensicht den Blick in eine kleine unterirdische Halle, spartanisch und grob eingerichtet mit Fellen und Schratlagern, eine Wohnhöhle ganz offensichtlich, und hier fand er den Troll.

      Er kauerte zusammengesunken bei etwas, das Thork erst auf den zweiten Blick als einen weiteren Troll erkannte – die Leiche eines weiteren Trolls, korrigierte er sich gleich darauf, und er musste schon lange tot sein, denn die Verwesung war weit fortgeschritten, und mit Schaudern stellte Thork fest, dass dem toten Troll ein Arm und ein Unterschenkel fehlten. Es schien mehr als ein Gerücht, dass die Schrate ihre toten Feinde auffraßen.

      Der Troll, der bei der Leiche kauerte, nahm keine Notiz von dem Zwerg. Er wiegte seinen Oberkörper hin und her und gab im gleichen Rhythmus etwas von sich, das ein trollisches Wimmern sein mochte.

      »Troll«, sagte Thork sanft. »Erkennst du mich?«

      Der Kopf des Trolls schwang herum. Klein wie ein Spielzeug saß er auf den mächtigen Schultern, er war völlig kahl, und seine Haut war grau wie der Stein, der ihn umgab, doch seine winzigen Augen leuchteten gelb, als er den Blick auf den Zwerg richtete. Ein Knurren stieg aus seiner gebirgshaften Brust, und er entblößte warnend sein Gebiss.

      »Du wirst deine Gefährtin bald wiedersehen«, sagte Thork, »denn ich bin gekommen, um dich zu töten.«

      Er wusste nicht, ob der Troll ihn verstand, doch als der gewaltige Körper sich zu ihm neigte und der Troll sein Gesicht tief auf den Boden brachte, um auf Augenhöhe mit Thork zu sein, der sorgfältig außer Kampfreichweite blieb, meinte er, ein Aufflackern von Erinnerung in seinem Blick zu lesen.

      Der Troll schnaubte, doch Thork blieb stehen, die Stiefel fest auf den Fels gepflanzt, die Axt vor sich, zum Schlag bereit.

      Der Troll hob die linke Hand, eine Pranke von gewaltiger Größe. Zeige- und Mittelfinger fehlten.

      »Genau der bin ich«, sagte Thork.

      Ein Knurren stieg aus dem mächtigen Körper des Trolls auf, steigerte sich wie Donnergrollen bis hin zu einem Heulen, das den Stein erschütterte. Der Zwerg hielt es aus, ohne zu weichen.

      Und dann setzte der Troll sich in Bewegung und kam über den Zwerg, und Thork trat den Rückzug an, während Fetzen plötzlicher Erinnerung durch seinen Geist zickzackten: hell, es war hell und laut, Kampfgeschrei, der Gegner, der vor ihm aufragte wie ein Turm, das Gefühl, als er hochgehoben und geschüttelt wurde, als seine Knochen brachen, mit einem trockenen Knacken wie Feuerholz, dann der gewaltige Schlag, der seinen Kopf herumriss, rasender, alles verschlingender Schmerz, der über seine Augen in das Innere seines Schädels eindrang, und dann, kaum mehr spürbar, der Aufprall, der ihn in die Dunkelheit beförderte.

      Den engen Durchgang entlang zog Thork sich zurück, so rasch er konnte, erinnerte sich an manche Schratleichen, an manche auch nicht, die ihn beinahe zu Fall brachten. Der Troll kam ihm nach. Wie eine Gerölllawine mit fremdartig menschlichen Zügen verstopfte er den Durchgang und schob und zwängte seine ungeschlachte Gestalt dem Licht entgegen, und dann war der Höhleneingang erreicht und der Zwerg warf sich zur Seite, und mit gewaltigem Brüllen brach der Troll ins Freie und richtete sich zu ganzer Größe auf. Thork blinzelte gegen das Licht, das ihm ins Auge schnitt. Er hörte mehr als er sah, wie Lianna ihre Deckung verließ und mit wildem Kampfgeschrei ihren ersten Angriff führte, und noch halb geblendet, einen Zwergenschlachtruf ausstoßend, rannte Thork gegen seinen Gegner an und schwang die Axt. Lianna kam neben ihn und deckte seine blinde Seite, er hörte ihren Kampfruf und das zischende Geräusch, mit dem ihr Schwert die Luft durchschnitt.

      Der Troll heulte auf und beugte sich zu seinen Angreifern hinunter, die ihm gerade bis zum Oberschenkel reichten. Thork sprang an ihn heran und führte einen Schlag gegen sein Knie. Der Troll heulte auf und schlug nach dem Zwerg, doch der hatte sich schon wieder außer Reichweite gebracht. Das rechte Bein des Trolls war in der Tat merkwürdig abgewinkelt. Offensichtlich vermied er, es zu belasten, und jetzt im hellen


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