Feuerjäger: Sammelband. Susanne Pavlovic

Feuerjäger: Sammelband - Susanne Pavlovic


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von Schratwaffen verursacht worden sein konnten. Lianna kam jetzt in Thorks Blickfeld. Sie stürmte auf den Troll zu und schlüpfte ihm wieselflink zwischen den Beinen durch, um ihn von hinten anzugreifen. Thorks Herz setzte für den Bruchteil eines Augenblicks aus, doch sofort schwang er die Axt zu einem neuen Angriff. Als wolle er einen Baum fällen, schlug er erneut auf dieselbe Stelle. Gleichzeitig versenkte Lianna von hinten ihr Schwert in der Kniekehle des Trolls. Sein Geheul fortsetzend brachte der Troll mit einer ungelenken Drehung seinen massigen Körper auf die Seite, wobei er Lianna mit dem Fuß fortschleuderte. Sie flog ein kurzes Stück durch die Luft, rollte sich ab und kam, das Schwert in beiden Händen, auf die Füße.

      Thorks nächster Schlag wurde von der mächtigen Klauenhand des Trolls abgewehrt. Der Schwung riss seine Axt in die Höhe, und ehe er seine Deckung wieder schließen konnte, schepperte sein Kettenhemd unter einem mächtigen Schlag, der ihm für einen Augenblick den Atem raubte und ihn zurück warf. Doch da war schon Lianna zur Stelle. Mit einem Satz nahm sie Thorks Position ein und hieb ihr Schwert in den ausgestreckten Arm des Gegners. Eine klaffende Wunde öffnete sich. Zähes dunkles Blut tropfte auf den Stein. Thork kam wieder zu Atem und griff erneut an, während Lianna den Troll mit tänzerischer Sicherheit umrundete und ihm von allen Seiten Schwertwunden zufügte.

      Doch dann rutschte sie mit ihren Reiterstiefeln vom Fels ab und ging unsanft zu Boden, und für Augenblicke sah Thork zu ihr statt zu seinem Gegner.

      Wie ein mächtiger Vorschlaghammer traf ihn die Trollfaust und holte ihn von den Beinen. Messerscharfe Krallen rissen sein Kettenhemd an der Schulter auf und schütteten heißen Schmerz über ihn aus. Warmes Blut lief ihm den Arm hinunter, doch Thork rappelte sich auf und riss die Axt hoch, um den nächsten Angriff abzuwehren und den Troll beschäftigt zu halten, bis Lianna wieder auf die Beine gekommen war.

      Die Vielzahl kleiner Verletzungen schien das monströse Geschöpf allmählich zu schwächen, doch noch behauptete es seinen Platz. Auch der weiße Ärmel von Liannas Leinenhemd zeigte mittlerweile einen blutroten Fleck. Mit einem weit ausholenden Schlag, das Schwert mit beiden Händen führend, hieb sie die Klinge in das Knie des Trolls, der wild aufheulte und um sich trat, doch Liannas Schwert steckte fest und sie klammerte sich mit aller Kraft an den Griff, um die Waffe zu befreien. Sie ließ erst los, als der Troll begann, mit seiner gewaltigen Pranke nach seinem Knie zu schlagen. Sie landete auf dem Boden, der Troll wischte das Schwert aus der Wunde, es beschrieb einen silbrig glitzernden Bogen in der Luft und verschwand aus ihrem Blickfeld. Lianna, unbewaffnet, kroch rückwärts davon, die Augen auf dem Troll, der sich zu ihr beugte und sie mit entblößten Zahnreihen anknurrte, obwohl Thork gleichzeitig in höchster Wut einen Angriff führte. Wild sah Lianna um sich, rollte sich dann in einer schwungvollen Bewegung weg, kam neben einer der Schratleichen zu liegen, riss den Krummsäbel aus der erstarrten Hand und zog ihn mit aller Kraft dem Troll quer übers Gesicht. Ein tiefer Schnitt öffnete sich in dem grauen Fleisch, aus dem dickes Blut quoll. Der Troll heulte und schnellte zurück, eine Pranke gegen die Wunde gepresst, und Lianna kam auf die Füße, keuchend, und tauschte einen raschen Blick mit Thork, der seine Erleichterung nicht in Worte hätte fassen können.

      Während er mit dem Stiel seiner Axt einen Hieb abwehrte – die Erschütterung riss an seiner verletzten Schulter und ließ ihn aufstöhnen – versuchte Thork, die Verfassung des Trolls und seine und Liannas gegeneinander abzuwägen. Der Kampf konnte sich hinziehen, solange es ihnen nicht möglich war, dem Gegner mehr als nur Schnittwunden an Armen und Beinen zuzufügen, und sie durften sich nicht zu sehr erschöpfen, denn jedes Stolpern konnte gefährlich enden. Der Troll musste endlich fallen, damit sie ihn töten konnten. Ein oder zwei kraftvolle Schläge gegen sein verletztes Knie mochten genügen.

      Mit einigen gewaltigen Sätzen überbrückte Thork die Entfernung zu seinem Gegner, übertrug all seinen Schwung in den Schlag und hieb die Klinge tief in sein Ziel. Er hörte Knochen bersten, zum ersten Mal in diesem Kampf. Der Troll heulte auf. Thork befreite seine Axt, holte aus zu einem zweiten Schlag, sah die mächtigen Klauen des Trolls auf sich niedersausen, wich nicht, sondern brachte den zweiten Schlag durch, bevor die Klauen ihn packten und ihn von den Füßen hoben.

      Hilflosigkeit, Schwindel, eine Klaue, die den Himmel verdunkelt, ein Schlag gegen den Kopf, wahnsinniger Schmerz, Dunkelheit.

      Verzweifelt klammerte er sich an seine Axt, versuchte unsinnigerweise, durch Drehen des Kopfes sein gesundes Auge zu schützen.

      Doch diesmal kam es anders.

      »He!«, durchschnitt eine helle Stimme wie eine Fanfare die Luft. »Komm her, du Monster, ich mach dich fertig! Ich schlitze dir den Wanst auf, wie du es mit meinen Pferden gemacht hast! Komm her, dass ich dich abstechen kann!«

      Der Troll wandte seine hässliche Fratze von dem Zwerg ab. Thork spürte, wie der Troll ihn sinken ließ, dann mit beiden Fäusten ausholte und ihn wegschleuderte wie eine Strohpuppe.

      Schmerz brannte lichterloh in seiner Schulter, während er durch die Luft flog. Gebirgsgrau und Himmelblau vermischten sich vor seinem Auge, dann explodierte Licht hinter seiner Stirn, als er auf dem Fels aufprallte, kopfüber den Hang hinunterrutschte, sich ein letztes Mal überschlug und schließlich liegen blieb.

      Das Licht hinter seiner Stirn verblasste allmählich. Dunkelheit kam auf, eine warme, wohltuende Dunkelheit, in die er sich gleiten lassen wollte wie nach einem anstrengenden Marsch in ein heißes Bad. Der Schmerz in Kopf und Schulter entfernte sich allmählich, der Kampflärm verebbte.

      Kampflärm.

      Lianna.

      Mit Macht begann er, gegen die Dunkelheit anzukämpfen, der er sich schon willig hatte hingeben wollen. Sie wurde garantiert niemals alleine mit dem Troll fertig. Sie brauchte ihn.

      Mit übergroßer Willensanstrengung gelang es ihm, seinen Körper zu bewegen und die Augen zu öffnen. Der Schmerz in seiner Schulter entrang ihm ein Stöhnen, den linken Arm konnte er nicht richtig gebrauchen. Hinter seinen Schläfen pochte ein glühender Schmiedehammer. Taumelnd kam er auf die Füße und sah um sich. Seine Axt war nirgends zu sehen, doch ein kleines Stück abseits blinkte etwas silbrig im Sonnenlicht.

      Liannas Schwert.

      Er griff danach und nahm es auf, es hatte den Sturz unversehrt überstanden. Er packte den Griff mit beiden Händen und stolperte mehr als er rannte zurück zum Kampfplatz.

      Liannas Schrei beschleunigte seine Schritte mehr, als er es seinem Körper noch zugetraut hätte.

      »Lianna!«, schrie er und sprang mit einem gewaltigen Satz hinter dem letzten Felsbrocken hervor, der ihm, der von unten kam, die Sicht versperrte.

      Dann hielt er inne. Sein Blick erfasste das Geschehen, doch sein Geist wollte es nicht begreifen.

      Der Troll war tatsächlich in die Knie gebrochen, sein linkes Bein zermalmt von der zwergischen Streitaxt. In seinen Klauen jedoch hielt er einen schmalen Körper, aus dem er jedes Leben herausschüttelte. Die dunkle Schratklinge lag auf dem Fels, stumpf und glanzlos. Liannas blutbefleckte Hemdsärmel flatterten im Wind, ihre Beine in den hohen Reiterstiefeln bewegten sich in dem Tanz, den der Troll vorgab. Sie schrie nicht mehr.

      Behutsam nahm Thork das Schwert auf. Die Sonne ließ die Klinge erstrahlen, als sei sie aus reinem Licht. Trauer strömte in ihn, bahnte sich einen Weg in sein Innerstes wie Wasser durch einen Fels und schürte dort eine Wut, die heißer war als jedes Schmiedefeuer. Er spürte, wie sie aufstieg, ihn erfüllte in einem Maß, das er bisher nicht gekannt hatte, und ihn in Bewegung setzte. Mit wildem, wortlosem Kampfschrei rannte er gegen den Troll an. Der hatte die leblose Lianna gerade dicht an sein hässliches Gesicht geführt, um sie mit schielenden Augen zu betrachten. Nun ließ er sie achtlos fallen, um dem unvermuteten Angreifer zu begegnen.

      Thork dachte nicht mehr nach, seine maßlose Wut hatte völlig von ihm Besitz ergriffen. Blindlings stürmte er auf den Troll ein, begab sich in die Reichweite der Trollklauen, den Blick fest auf die Körpermitte des Gegners gerichtet, die nun für ihn erreichbar geworden war. Mit aller Gewalt und der wilden Kraft seiner Zwergenschultern trieb er Liannas Schwert in das Fleisch des Trolls, riss eine klaffende Wunde, befreite die Klinge, schlug erneut zu, legte stinkendes Gedärm frei, scherte sich nicht um das dunkle, klebrige Blut, das ihm über die Hände


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