Ein Verteidiger. Dietrich Theden

Ein Verteidiger - Dietrich Theden


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Stille.

      »Hede!«

      Der Anwalt horchte mit äußerster Anspannung.

      Er fühlte sich leicht beunruhigt.

      Das war doch sonderbar.

      Ihre jubelnde, glockenhelle Stimme hatte doch sonst das Gebüsch durchdrungen, wenn er sie angerufen hatte.

      »Förster!«

      Keine Entgegnung.

      »Nanu!« stieß Bendring in lebhaft gesteigerter Unruhe aus. »Was ist denn das – – was soll denn das heißen? Hedwig!«

      Vergebens!

      Er setzte die Ruder wieder ein, ließ den Spieß unberührt und steuerte hastig nach der kleinen Bucht. Unbestimmte Ahnungen ließen ihm den Atem fliegen.

      Das Boot schoß ins Ried und stieß am Ufer hart auf.

      Bendring sprang hinaus, teilte mit kräftigen Armen das niedrige Buschwerk und drang ins kühle Walddunkel. An zwanzig Schritt vom See zog sich zwischen hochstämmigen Buchen ein bequemer Fußweg vom Bootshause nach dem Spieß zu am laubbeschatteten Ufer hin.

      Ein jäher, rauher, heiserer Aufschrei kam über Bendrings Lippen, als er den Pfad übersehen konnte. Sein Fuß stockte. Die Augen weiteten sich ihm in lähmendem Schrecken.

      Vom Schwarzgrau des Fußweges hob sich in furchtbarer Deutlichkeit eine lang hingestreckte, weiße Gestalt ab.

      Schauer rieselten dem von dem Anblick so jäh Ueberraschten den Rücken hinab, schwankend, thränenverdunkelten Auges, mit unartikuliertem Stöhnen eilte er auf die Hingestreckte zu.

      »Hedwig!« schrie er halberstickt.

      Das Mädchen hielt die Hände auf die Brust gepreßt. Ein Blutstrom tränkte das weiße Kleid und quoll rot zwischen den krampfenden Fingern auf.

      »Hedwig!«

      Der Mann brach fassungslos in die Kniee.

      »Mein Gott, wer konnte das thun!« stotterte er entsetzt.

      »Kietz! Förster! Hilfe, Hilfe!«

      Die Stimme versagte ihm, und durch die schwimmenden Augen sah er nichts als das weiße Gesicht, das weiße Kleid und das rote, tödlich quellende Blut.

      Kapitel 2

      Hedwig von Viersen lag mit offenen Augen. Ausdruckslos, starr, abwesend hing der Blick im Wipfelgrün.

      Ein dunkler, unergründlicher Blick!

      Rätselhaft streng und kalt wie in den ersten Tagen der durch Bendring versuchten Annäherung.

      Pfeifende Atemzüge, ein Zucken um die fest geschlossenen Lippen und das ruckweise Wogen der Brust zeigten an, daß das Leben dem Körper noch nicht entflohen war. Aber starr blieb der Blick, farb- und regungslos das marmorne Antlitz.

      Bendring setzte seine Hilferufe fort. Er unterbrach sie mit erschütternden Klagelauten und heißen Liebesworten, er berührte mit dem bebenden Munde ihre hohe, klare, reine Stirn und hauchte einen Kuß auf ihre Lippen.

      Sie schien es nicht zu empfinden, schien aus ihrer Abwesenheit nicht erwachen zu können. Die Lider senkten sich langsam über die braunen Augensterne und zuckten in die vorige Starrheit zurück, der Blick blieb unnatürlich groß und wie forschend in weite Fernen gerichtet.

      Erst nach langen Minuten lösten sich die zitternden Lippen von einander und die Augenlider schlossen sich schwer.

      Bendring stöhnte in stummem Jammer auf.

      Der Tod?

      Der Tod, der die Lider schloß?

      »Hedwig! Geliebte! O du Arme, Teure, stirb mir nicht! Geh nicht – – geh nicht von mir!« stotterte er in heißem Schluchzen.

      Und als ob sein Bitten beschwörende Kraft hätte, so schlug sie die Augen wieder auf, neigte den Kopf ihm zu und umfaßte ihn mit weichem, klarem Erkennen.

      Er erschöpfte sich in stammelnden Beteuerungen, bis ein leises Bitten von ihren Lippen ihn verstummen ließ.

      In atemloser Spannung beobachtete er, wie sie Kraft zu sammeln suchte, und angstvoll horchte er zugleich auf sich nähernde Schritte, die Hilfe bringen, auf Menschen, – Kietz – Hansen –, die nach dem Telegraphenamt eilen und den Arzt – – irgend einen Arzt – von Plön herbeordern konnten.

      »Fritz!« flüsterte das Mädchen.

      »Hedwig, sprich: wer war's, wer konnte dir das anthun?« drang er flehend in sie.

      Sie wehrte durch sanftes, kaum merkliches Kopfschütteln ab.

      »Wer – wer – wer!« wiederholte er in maßlosem Schmerze.

      »Wer?« sagte sie leise. »Ich – weiß es nicht. Ich – sah niemand – und nichts – – nur den roten Feuerstrahl – und den Dampf. Von da her –.« Sie wies mit dem abschweifenden Blick auf ein undurchdringlich dichtes, mannshohes Buschwerk. »– – Und laß es – Fritz. Kannst du mich – verstehen? Mir ist schwach. Trauere nicht, Fritz. Ich – weiß, daß ich sterben muß –«

      »Nein, mein Herzensweib, du wirst leben!« preßte er qualvoll über die Lippen.

      »Laß mich reden,« bat sie. »Höre – – ich habe nicht lange Zeit. Du – hast mich lieb gehabt – ich dich – – und es war nicht gut von mir. Ich – war nicht rein. Eine Hand – eine schlechte Hand – hatte sich ausgestreckt nach mir – und mich – entweiht. Still – ich muß beichten – vor dir – vor unserm Gott. Ich habe einen Mann geliebt – mit der Kraft meines Herzens. Ich war jung, unerfahren, vertrauend. Der Mann durfte mich nicht lieben – ich ihn nicht. Er – gehörte – einer andern. Einer, die ich nicht kannte – von der ich nichts geahnt hatte – von der sie mir sagten, die Leute, die Fremden. Er hatte es mir verschwiegen – er gestand es mir zu. Ich – haßte ihn – – ich haßte dich, als du kamst – nach ihm – nach dem Frevler, der – meine Seele getötet hatte. Er wollte mich zwingen, mit der Waffe in der Hand, mit ihm zu gehen – er bat, er fluchte, er beschwor mich – ich – habe ihn geschlagen. Das war das letzte – er ging – von mir – von seinem Weibe – in die Ferne – ein Reueloser. Er schrieb noch, dann blieb es still. Ich hörte nichts mehr von ihm – nichts von ihr.«

      »Sein Name? – Sein Name?« drängte der atemlos Lauschende.

      »– Tot, begraben. Er ist – nie mehr – über meine Lippen gekommen. Er soll mir nicht auch noch die Todesstunde vergällen .

      »Nenne ihn!« flehte Bendring.

      Sie wehrte ab.

      »Nein!« klang es mit seltsamer Energie.

      Ein Verdacht flammte in Bendring auf: Der Mann war der Frevler! Der Treubrüchige war der Mörder! Er hatte das keusche Weib nicht zu Fall bringen können, er hatte sie nicht einem andern gegönnt, er hatte im Wahnwitz die Waffe zum zweiten Male gegen sie erhoben und sie hingestreckt. Er! Er!

      »Nenne ihn – um der Gerechtigkeit willen, nenne ihn! Wenn du mich liebst: nenne ihn!« drängte er auf die Schwerleidende ein.

      »Er ist fern,« hauchte sie. »Laß ihn. War ich schuldlos?«

      »Ja, tausendmal ja!« unterbrach er stürmisch.

      »– Ja –,« wiederholte sie, und ein Lächeln ging wie ein Sonnenstrahl über ihre Züge. » – Ja Fritz – der Gedanke an die – Schande hat mich gequält – deine Liebe hat mich entsühnt. Du hast mich heilig geliebt – und rein gemacht. Fritz – ich danke dir. Ich – liebte dich wieder – ich gewann die Zuversicht, daß ich es durfte. Aber ich hätte es nicht dürfen. Ich hätte dir das Leid ersparen müssen, das – mein Tod dir bringt. Wen einmal die Sünde mit ihrem Atem streifte – der ist ihr verfallen. Ich war's. Ich hätte es wissen sollen –«

      »Nein,


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