Unerfüllte Träume einer jungen Liebe. Marie-Claire de Bergér
Die Beamten gingen nach oben und lobten die beiden sehr. „Gute Reaktion, Baronesse, wirklich phänomenal“, lachte Herr Trutzli. „Sie habet ganze Arbeit geleischtet, alle Achtung.“ Sein Kollege ging in Uschis Suite und holte die besagte Plastiktüte nebst Inhalt. Mit drei Mann wurde der Eindringling nach unten befördert, aus dem Haus bugsiert und mit dem Jeep abtransportiert. „Baronesse, Sie kummet am Montag zum Poschten ins Büro fürs Protokoll. Ischt Ehna des recht so? Und nun noch a guet’s Nächtle, Baronesse, salü.“ Dann waren die Polizisten weg. Diether verschloss hinter dem Kommandanten die Haustüre.
Als Diether ins Wohnzimmer kam, fing Ulli plötzlich an zu zittern. Sie klapperte mit den Zähnen und bebte am ganzen Körper. Dabei stieß sie einen lauten Schrei aus, und wenn Diether sie nicht aufgefangen hätte, wäre sie zu Boden gestürzt. Es war der Schock!
„Anscheinend vom Überfall“, dachte Diether, als er sie fest in seine Arme nahm und dabei beruhigend auf sie einredete. Er trug sie zur Couch und legte Ulli vorsichtig dort nieder. „Uschi, habt ihr einen Asbach Uralt Weinbrand im Haus?“ Sie nickte mühsam mit dem Kopf, sprechen konnte sie nicht, weil die Zähne so klapperten. Diether fand den Weinbrand im Barfach des Schranks. Er schenkte ihr den Cognac ein und meinte: „Kimm, Uschi, trink das, es ist gut für die Nerven und den Magen.“ Uschi trank den Asbach Uralt in kleinen Schlucken und langsam löste sich ihre Gesichtsstarre und die Tränen konnten fließen.
Allmählich kam sie wieder zu sich und flüsterte Diether ins Ohr, der sich zu ihr gesetzt hatte: „Bitte nimm mich in den Arm, Bub, ich habe Angst, bitte halte mich ganz fest.“ Er fühlte ihren Puls: Der raste. „Mein Herz rast, es schlägt mir bis zum Hals“, röchelte sie. „Ich krieg keine L…Luft … mehr. Mir … ist so schwindlig … und es dreht sich alles um … mich.“
Diether hielt sie weiter im Arm. Nun legte er ihren Kopf flach und die Beine höher, damit das Blut wieder besser ins Gehirn fließen konnte, und benetzte ihre Schläfen mit etwas Weinbrand. „Ich muss die Beine höher lagern“, dachte er. Kurz entschlossen nahm er den Hocker des Gummibaums und legte ihn ihr unter die Kniekehlen. Da sah er auf dem Couchtisch einen kleinen Flakon stehen mit der Aufschrift Eau de Cologne. „Dich schickt der Himmel“, dachte Diether, benetzte sein Taschentuch damit und rieb ihr die Schläfen ein. Er hielt es ihr einige Minuten unter die Nase und allmählich kam Ursula wieder zu sich:
„Wo bin ich? Was ist mit mir geschehen? War ich ohnmächtig?“
„Ja mein Schatz, es geht dir gleich wieder besser“, antwortete Diether zuversichtlich.
„Mein Gott, Diether, bin ich froh, dass du mit mir zusammen im Chalet bist. Dich hat mir der Himmel geschickt, denn ich wusste schon die ganze Zeit, dass etwas Geheimnisvolles stattfinden würde. Ich hatte wieder einmal geträumt: von einer schwarzen, vermummten Gestalt, die mich überfallen würde, und einer dritten Person, die ich nicht erkennen konnte, die aber mit mir im gleichen Raum war“, erklärte Uschi noch immer zitternd.
„Warum hast du Marie-Theres oder mir nichts davon erzählt, Kleines?“, meinte Diether aufgeregt. „Wir hätten doch der Polizei sofort Bescheid geben können.“
„Nein, Diether, dann wäre Mariele doch nicht nach Bern gefahren und sie musste ja dahin. Es war schon gut so, wie wir es getan haben. Jedenfalls ist uns der Einbrecher ins Netz gegangen. Zum Glück hat mir Urs Sutter den Umgang mit der Gaspistole beigebracht. Nur so konnte ich mich gegen den Eindringling wehren. Als mir Urs in Bern das Schießen beigebracht hat, sagte er: Man muss die Schrecksekunde des Gegners sofort ausnutzen und gezielt schießen, sonst funktioniert das nicht“, berichtete Ulli.
„Wer ist Urs?“, fragte Diether.
„Er ist der Sohn von Frau Sutter und Marieles Lebenspartner.“
„Was ist Urs von Beruf?“, kam die nächste Frage.
„Er ist der Leiter des Abschirmkommandos des Schweizer Bundesheeres und Leutnant der gleichen Einheit“, beantwortete Ulli Diethers Fragen. „Mariele hat darauf bestanden, dass ich diese Schießübungen mache. Nun ja, ich bin schon des Öfteren in diesem Chalet alleine gewesen und nix ist passiert. Bis jetzt! Ob das mit dem Überfall in Afrika zu tun hat?“, überlegte Uschi laut. „Kimm, Bub! Es ist bereits vier Uhr, wir legen uns erneut zu Bett, dann bekommen wir wenigstens noch ein paar Stunden Schlaf“, fügte sie hinzu. Sie gingen nach oben in Uschis Schlafzimmer und Diether ließ sich wieder auf dem Diwan nieder, der hinter dem Paravent stand.
Hätte Diether sie alleine in ihrem Stüberl schlafen lassen, wäre sie vor Angst verrückt geworden, so dachte sie bei sich. Ohne Störung konnten beide bis zum Morgen geruhsam durchschlafen. Gegen acht Uhr klingelte der Wecker. „Guten Morgen, Mausele! Kleine Schlafmütze, aufstehen!“, rief Diether gut gelaunt. „Schatz, du hast geschlafen wie ein Murmeltier und ich ebenfalls. Ich glaube, daran war nur der Asbach Uralt schuld. Der hat wahre Wunder gewirkt bei uns zweien.“
Uschi blinzelte schlaftrunken bei diesem fröhlichen Weckruf am frühen Morgen. „Also, ich bin sehr erschöpft, na ja, ist ja auch kein Wunder bei dieser Aufregung und den wenigen Stunden Schlaf, die wir hatten“, räsonierte Ulli gähnend.
„Damit du wieder munter wirst, Kleines, gehe ich zuerst ins Bad und anschließend du, einverstanden?“ Ulli brummelte etwas in ihren Bart und Diether eilte hinüber ins Badezimmer.
Nach einiger Zeit kam er angekleidet aus dem salle de bain, trat an ihr Bett und küsste sie mitten auf den Mund. „So, jetzt bist du wohl endgültig wach, Hexerl?“
„Das muss ich mir gut überlegen“, meinte sie spitzbübisch, zog ihn zu sich herunter und küsste ihn ebenso stürmisch zurück. Lachend verschwand Diether aus dem Stüberl und stieg pfeifend die Treppe hinunter zur Küche. Dort fand er alle Lebensmittel, die er für ein großes Frühstück brauchte. Er fand die Kräuterbrötchen, das Schweizer Roggenbrot und Pumpernickel. Diether öffnete den Backofen und wärmte als Erstes die Brötli auf. Dann brachte er die moderne Kaffeemaschine in Gang, holte Eier und Speckstreifen aus dem Kühlschrank. Er goss Öl in die große Bratpfanne. Dann kamen die Speckstreifen hinein. Einige Minuten später war der Speck im Öl kross gebraten. In dieser Zeit hatte Diether die Eier in einer Schüssel verrührt. Die geschlagenen Eier schüttete er über den Speck in die Pfanne und rührte die Ei-Masse mit dem Holzlöffel um, sodass ein leckeres Rührei entstand. Inzwischen waren der Kaffee fertig und die Brötli kross gebacken. Diether nahm ein großes Tablett und stellte alles mit dem Geschirr und den anderen Utensilien darauf. Jetzt nahm er das Servierbrett und platzierte es in dem Küchenaufzug. Er drückte den Knopf und alles sauste in den ersten Stock. Er selbst musste sich sputen, um das Tablett dort in Empfang zu nehmen. Mit dem Brett aus dem Aufzug klopfte er an Uschis Türe. „Ihr Frühstück, Baronesse!“, witzelte Diether. Sie machte ihm auf und er stellte es auf den Tisch im Erker.
Uschi hatte in der Zwischenzeit ihre Morgentoilette beendet und sich fertig angekleidet „Och, jetzt bin ich aber traurig, du hast mir den ganzen Spaß verdorben. Wir wollten doch im Bett frühstücken“, sprach er.
„Naa, Bub, i mag koane Krümel auf dem Bettlaken, dös pikst immer so schrecklich. Deswegen habe ich mich auch angekleidet.“
„Nun ja, dös koann i a verstehn, um ehrlich zu sein. Schatz, i moag das Piksen a net.“
„Schau, Bub, hier im Erker ist’s gemütlich und nett, denn du hast ja alles mit heraufgebracht. Das hast du großartig gemacht, nun können wir uns das Frühstück schmecken lassen“, freute sich Uschi. Die jungen Leute langten kräftig zu, denn der Überfall hatte ihnen einen gehörigen Schrecken eingejagt. Heute, am Sonntag, wollten sie nach dem Mittagessen einen kleinen Spaziergang hinauf zum höchsten Punkt von Rigi Scheidegg machen.
Gemütlich saßen sie im Erker und genossen ihren ersten gemeinsamen Sonntagmorgen. Das Frühstück hatten sie beendet und sie schauten in den stillen, sonnendurchfluteten Garten hinunter. Es blühte an allen Ecken und Enden des Grundstücks. Am äußeren Rande des Parks stand ein alter, großer Lindenbaum. Um ihn herum hatte einst Großvater von Trostburg eine Bank bauen lassen. Man saß dort im Schatten und konnte seinen Gedanken freien Lauf lassen oder gemütlich