Drachengabe - Halbdunkel - Diesig - Finster. Torsten W. Burisch

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ihnen waren so leicht, dass Dantra sie kaum spürte, wenn sie über ihn hinwegliefen. Ihr Geschnatter und Gekicher allerdings nervte ihn schon nach kürzester Zeit. Die Erwachsenen hingegen schwiegen weitestgehend, wenn sie den Raum passierten. Aber auch sie gaben sich nicht viel Mühe, um sie herumzugehen. Ständig kletterte einer über Dantra hinüber, was sich jedes Mal anfühlte, als würde eine Katze auf zwei Pfoten über ihn hinwegspazieren.

      Jedoch sollte auch diese Nacht ihr Ende finden. Allerdings nicht wie sonst, wenn Dantra seine magische Kraft am Vortag genutzt hatte, durch den immer wiederkehrenden Albtraum, sondern durch Akinnas barschen Tritt gegen seinen Fuß. „Wir müssen los“, flüsterte sie, „aber sei leise. Wir wollen niemanden wecken.“

      „Sehr witzig“, brummte Dantra zurück. Die ganze Nacht hatte er kein Auge zugemacht und nun sollte er auch noch auf diese Krawallmacher Rücksicht nehmen. Die Tatsache, dass er nicht durch den Albtraum geweckt worden war, konnte sich Dantra nur damit erklären, dass er in dieser Nacht nicht so tief geschlafen hatte, wie es nötig gewesen wäre, damit sich der Traum vollends entfalten konnte.

      Als er sich durch den Tunnel wieder zurück in die Heidelandschaft gezwängt hatte, nahm Akinna bereits Abschied von Gismo dem Einhunderteinundzwanzigsten. Der Vorfall vom Vortag schien für den Tibboh vergessen zu sein, denn auch Dantra wurde mit einer tiefen Verbeugung verabschiedet. Sie gingen zurück zum Weg, dem sie folgten, bis sie Comal am verabredeten Punkt trafen. Das Frühstück fiel eher mager aus, wofür sich Comal mehrmals entschuldigte. Aber seine Vorräte hatten sich schneller dem Ende zugeneigt als von ihm erwartet. Bis auf ein paar Pilze, die er gesammelt hatte, und das Fleisch eines kleinen Karnickels, das am Vorabend von einem lauten Krachen aufgeschreckt direkt in sein Schwert gelaufen war, welches er zum Polieren gerade in der Hand hielt, konnte er ihnen nicht viel mehr anbieten.

      „Das macht nichts“, beruhigte ihn Akinna. „Wenn wir heute die Strecke schaffen, die ich mir vorgenommen habe, dann bekommen wir heute Abend mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit etwas serviert.“

      „Ich etwa auch?“, fragte Comal erstaunt.

      „Vor allem du“, versicherte ihm Akinna.

      Wenn es etwas gab, von dem sie noch weniger hatten als Frühstückszutaten, dann war es die Zeit, die man für genau solch ein Frühstück benötigte. Zumindest vertrat Akinna diesen Standpunkt.

      „Essen kann man auch, während man geht“, sagte sie und eilte voran.

      „Geschmorte Pilze mit Fleischbrocken? Wie soll das denn gehen?“, rief Dantra ihr hinterher.

      „Wenn du unbedingt frühstücken musst, dann lass dir was einfallen!“, forderte sie ihn auf, ohne dafür stehen zu bleiben.

      Comal schob indessen die Hälfte des Pfanneninhaltes in eine Schale, die er anschließend Dantra gab. Er selbst nahm die gusseiserne Pfanne, schulterte seine beiden Seesäcke und ging mit großen Schritten Akinna nach. Dantra schlang das Essen hinunter, während auch er den beiden folgte. Mit dem Gesicht fast in der Schüssel dauerte es allerdings nicht lange und er stolperte. Zwar konnte er sich abfangen und fiel somit nicht hin, jedoch lag sein mageres Frühstück nun zum größten Teil im Dreck. Er war so wütend, dass er kurz davor war, Bäume zu entwurzeln. Jedoch war der Schlafmangel der letzten Nacht so groß, dass er nur einige Flüche in sich hinein brummelte, anstatt seiner Kehle die Kraft zu geben, die ganze Umgebung an seinem Frust teilhaben zu lassen.

      *

      Kapitel 11

       „Jetzt gehen aber die Pferde mit ihr durch. Die spinnt doch wohl.“ Dantra hatte zwar kaum genug Luft, um das vorgegebene Tempo von Akinna mitzuhalten, dennoch murmelte er fortwährend an sie gerichtete Beschimpfungen und antreibende Worte zu sich selbst. Seit sich die Sonne auf den Weg vom Mittag zum Abend gemacht hatte, verhärtete sich bei ihm der Verdacht, dass eine Pause in Akinnas Tagesplan nicht vorgesehen war. Dantra brannten die Beine und sein Rücken lieferte ihm schon einmal einen Vorgeschmack darauf, wie es sich anfühlte, wenn er durchbrechen würde. Um überhaupt noch einen Fuß vor den anderen zu bekommen, hatte er sich in Comals Windschatten begeben.

      Die Landschaft um sie herum war vom Kargen ins Trostlose übergegangen. Die Ebenen waren nun noch flacher und absolut baumlos. Selbst die Büsche und die Heide waren nun von schienbeinhohem Gras abgelöst worden, das dann und wann im leichten Wind raschelte. Es lag ein milchiger Nebelschleier über dem Boden, der sie umschloss und so weit in die Steppe hineinreichte, dass ein Ende nicht zu erkennen war.

      Dantra wollte gerade zwei Schritte zur Seite machen, um an Comal vorbei das vor ihnen liegende Gelände zu begutachten, als dieser so plötzlich stoppte, dass Dantra auf einen der beiden Seesäcke auflief und mit seiner Lippe gegen eine dort drin befindliche Topfkante stieß. Während er von innen mit der Zunge über die schmerzende Stelle fuhr und sofort den Geschmack von frischem Blut schmeckte, schien Comal gar nichts von dem Auflaufunfall bemerkt zu haben. Er stand einfach nur regungslos da. Dantra vollendete daher sein Vorhaben und ging an ihm vorbei.

      „Was ist? Warum bist du plötzlich stehen geblieben?“ Dantra sah zu seinem Freund auf beziehungsweise in ihn hinein. Denn aus dieser Perspektive sahen seine ohnehin schon großen Nasenlöcher einfach nur gigantisch aus. Zwei dunkle Tiefen, in denen die schwarzen, borstigen Haare aussahen wie zahllose Schwerter in einem Schlachtgetümmel.

      „Weil sie stehen geblieben ist“, brummte er, als würde Gefahr lauern.

      Dantra folgte mit seinem Blick dem Wegverlauf. Gute 100 Schritte vor ihnen stand Akinna ebenfalls regungslos da. „Meinst du, sie hat irgendetwas gesehen oder gehört?“, fragte Dantra.

      „Ich weiß nicht. Aber sie ist den ganzen Tag noch nicht stehen geblieben. Ist schon verdächtig, oder?“

      „Du hast recht“, pflichtete Dantra ihm bei und spähte in die Ferne. „Irgendetwas ist hier faul.“ Er sah nach vorn, zu den Seiten und schließlich dorthin, von wo sie gekommen waren. Doch er konnte nichts Außergewöhnliches feststellen. „Was machen wir jetzt?“, fragte er leise. Comal zuckte nur mit den Schultern.

      „Was ist los, Comal?“ Akinna hatte sich zu ihnen umgedreht und rief so laut, dass Dantra und Comal vor Schreck zusammenzuckten. In der Stille, die nicht einmal von einem Vogel gestört wurde, hatten beide angespannt mit einem Angriff welcher Art auch immer gerechnet. Aber offensichtlich drohte keine Gefahr. Stattdessen machte Akinna ihrem Unmut Luft: „Schafft Dantra es nicht mehr bis hierher oder winselt er wieder rum, weil er Hunger hat?“

      „Wieso tut sie das?“ Dantra sah Comal fragend und verärgert an. „Ich wollte doch nicht einmal stehen bleiben. Aber sie glaubt natürlich sofort wieder, dass es an mir liegt. Und außerdem winsele ich nicht. Wenn überhaupt, dann merke ich hier und da einmal an, wenn etwas nicht so ist, wie es sein sollte. Das hat doch nichts mit Winseln zu tun, oder?“

      Comal zuckte abermals mit den Schultern und meinte, während er bereits weiterging: „Vielleicht will sie dich damit nur antreiben. Sie befürchtet möglicherweise, dass wir unser Ziel sonst heute nicht mehr erreichen.“ Anstatt einer Antwort knurrte Dantra nur in sich hinein.

      Als sie zur wartenden Elbin aufgeschlossen hatten, bemerkte Dantra, dass sie an einer Weggabelung gehalten hatte. Der schmale Trampelpfad, dem sie bereits den ganzen Tag gefolgt waren, traf hier auf einen wesentlich größeren und befestigten Weg. Nur einige Schritte weiter mündete dieser in einen Holzsteg, der sich im Zickzackkurs durchs brache Land schlängelte, bis sein Ende im Nebel verschwand. Als sie die ersten Bretter betraten, fiel Dantra auf, dass einige der Holzbohlen schon sehr alt sein mussten. Sie waren morsch und Moos hatte sich an ihren Rändern und in den Zwischenräumen festgesetzt. Andere Planken hingegen sahen besser aus. Alt, aber noch stabil und ohne Bewuchs. Wieder andere waren wie neu. Kein Zweifel, der hölzerne Weg war schon viele Jahre alt, wurde aber immer noch instand gehalten. Und das, obwohl man von hier aus keinen Grund erkennen konnte, warum man überhaupt einen Fuß darauf setzen sollte.

      „Seht ihr dort hinten die dunklen Wolken?“ Akinna deutete in Richtung Fons.

      „Sieht nach einem Gewitter aus“,


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