Drachengabe - Halbdunkel - Diesig - Finster. Torsten W. Burisch

Drachengabe - Halbdunkel - Diesig - Finster - Torsten W. Burisch


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du dir nun wirklich keine Sorgen machen. Wenn es eng geworden wäre, hätte ich auch ohne ein Kommando von dir von meiner Kraft Gebrauch gemacht“, stellte Dantra klar.

      „Dir fehlt die Kampferfahrung“, fuhr Akinna unbeirrt fort, „sonst hätte Peewees Schwert nicht dein Leben retten müssen. Nun war aber keine Peewee mehr in deinem Rücken, um auf dich achtzugeben. Wie sollte ich mir also sicher sein, dass deiner Erkenntnis, deine Kraft als letztes Mittel einzusetzen, nicht ein Schwert zuvorkommt? Ich musste dir in dem Moment, in dem ich die Oberhand verloren hatte, die Bürde auferlegen, die anderen zu retten.“

      „Also gut, ich verstehe jetzt, warum du den richtigen Zeitpunkt für meinen effektiven Gegenangriff verpasst hast. Aber dennoch verstehe ich nicht, warum du immer von den anderen redest. Du kannst doch gar nicht wissen, ob es ihnen nicht vielleicht gelungen wäre, mit heiler Haut davonzukommen. Zu dem Zeitpunkt waren schließlich noch alle in der Lage zu kämpfen.“

      „Aber wie lange noch? Es wurden mehr und mehr Gegner. Und die Berittenen, die ihre Aufgabe, was mich anging, erledigt hatten, waren nun im Begriff, euch niederzureiten. Die Schlacht wäre in jedem Fall kurz darauf zu Ende gewesen. Nur mit einem anderen Ausgang. Sie hätten euch alle getötet. Und das Gehöft der Falkenfänger wahrscheinlich niedergebrannt. Mich hätten sie mitgenommen, aber getötet hätten sie mich nicht. Wie auch? Die einzigen Waffen, mit denen man das könnte, zumindest die einzigen, die ich kenne, sind meine eigenen Pfeile und das Schwert, das du trägst. Aber ich bezweifele, dass ihr Wissen über elbische Waffen so fundiert war, dass sie das erkannt hätten. Mir wäre sicher irgendwann die Flucht gelungen. Oder man hätte mich befreit. Denn unser Vorhaben war natürlich abgesprochen und im Falle einer fehlenden Rückmeldung wären geeignete Maßnahmen getroffen worden. Du siehst also, es ging nicht um mich, als ich dich aufforderte, unseren einzig verbliebenen Ausweg zu beschreiten. Und wenn man es genau betrachtet, ging es auch nicht um die anderen. Sie alle waren sich bewusst, dass ihr Handeln ehrenhaft, aber gefährlich war. Wenn du jedoch der bist, von dem ich glaube, dass du es bist, hätte ich es mir nie verziehen, wenn du in diesem Kampf gefallen wärst. Mit deinem Tod wäre auch der Sinn meines Daseins gestorben. Dessen ist sich auch Capra bewusst und glaube mir, der Stolz auf seine Nichte, dass sie dir das Leben gerettet hat, überwiegt seine Trauer um ein Vielfaches.“

      Akinna betrachtete Dantra, der in Gedanken vertieft schien, einen Moment lang schweigend, bevor sie ihn abschließend fragte: „Und? Geht es deinem Magen jetzt besser?“

      Er sah hoch, aber statt auf ihre Frage einzugehen, stellte er seinerseits eine weitere. „Mit wem hast du unser Vorhaben abgesprochen?“

      „Mit demselben, der beurteilen wird, ob du der Richtige bist oder nicht.“

      „Und wann hast du mit ihm gesprochen? Ich meine, als wir aus Blommer herauskamen, war doch von den Falkenfängern noch gar keine Rede. Erst als du für einige Zeit im Wald verschwunden warst, hast du uns von der Not, in der sich deine Freunde befanden, erzählt. Und überhaupt, woher wussten Gennaro und die Übrigen von unserer Absicht, den Falkenfängern zu helfen?“ Sie sah zum Himmel auf, was bei Dantra den Eindruck erweckte, sie sei mal wieder von seinen zahllosen Fragen genervt. „Ja, ja, ich weiß“, brodelte es trotzig aus ihm heraus, „anstatt dankbar zu sein, dass du mir gerade mehr erklärt hast als in den ganzen drei vorangegangenen Tagen, in denen wir uns jetzt kennen, bohre ich noch weiter nach und zerre damit an deinen Nerven.“

      „Nein, das ist es nicht“, stellte Akinna ruhig und sachlich fest. „Ich versuche, anhand der Helligkeit die Zeit festzustellen. Aber das ist hier drin, wie du selbst zugeben musst, nicht gerade einfach.“

      Da sie es nun sagte, fiel es Dantra auch auf. In dem Moment, als sie den Hain betreten hatten, war es etwas heller geworden. Aber nicht nur das. Seither war auch die Dämmerung nicht weiter fortgeschritten. Es schien, als hätte sich der Lauf der Sonne verlangsamt oder gar seine Bedeutung verloren.

      „Egal“, sagte Akinna schließlich und stand auf. „Ich denke, wir können schon mal losgehen.“

      „Losgehen?“ Dantra war überrascht. „Aber wohin? Ich dachte, wir hätten hier unser Nachtlager bereits gefunden?“

      „Haben wir auch. Daher kannst du deine Sachen auch hier liegen lassen. Wir sind gleich zurück. Aber um dir die Fragen von eben ausreichend zu beantworten, ist es notwendig, dass wir einen bestimmten Ort aufsuchen. Also lass uns gehen. Es ist nicht weit.“ Dantra folgte ihr, wobei er bis auf seine Jacke und sein Schwert alles zurückließ.

      Wie von Akinna angekündigt waren es nur wenige Schritte, bis sie innehielten. Sie standen an einer Stelle, die sich durch nichts vom übrigen Wald unterschied. Nur einige große seltsame Blumen wuchsen hier. Sie sahen alle exakt gleich aus. Die einzige Abweichung lag nur in ihrer Größe. Alle hatten einen blauen Stamm, aus dem an kleinen Stängeln sechs gleich große Blüten gewachsen waren. Hinzu kam noch eine siebte größere, die den Stamm nach oben hin abschloss. Die Blüte selbst erinnerte ein bisschen an die einer Sonnenblume. Die Blütenblätter waren ebenfalls gelb, nur war das Innere schwarz und sah vom Muster her aus wie der Panzer einer Schildkröte.

      „Weißt du, was das ist?“, fragte Akinna und deutete dabei auf eine der Blumen.

      „Das ist eine Salakt-Tren oder auch Nachthimmelblume genannt. So eine steht auf dem Innenhof der Klosterschule. Da es verboten ist, sie zu pflücken oder mutwillig zu zerstören, sind sie nicht gerade selten zu finden.“

      „Richtig“, lobte sie ihn, „aber weißt du auch, warum es dieses Verbot gibt?“ Dantra überlegte. Er versuchte, sich den Naturkundeunterricht von Schwester Melk wieder ins Gedächtnis zu rufen. Aber er war sich fast sicher, dass sie darüber nie ein Wort verloren hatte. Akinna bestätigte seine Annahme. „Nach dem, was ich bisher von dir über den Lehrplan im Klosterheim erfahren habe, bin ich mir ziemlich sicher, dass der Grund für das Verbot in die Rubrik nicht wissenswert abgeschoben wurde. Ich befürchte, alles, was im Entferntesten mit den Drachen zu tun hat, hatte in eurem Unterricht nichts zu suchen.“

      Diese Einschätzung der Sachlage brachte es klar auf den Punkt. Dantra hatte sich oft darüber geärgert, dass ihnen über die Herrscher des Landes so wenig beigebracht wurde. Aber auf sein Nachfragen reagierte man nur mit Sätzen wie: „Du musst lediglich ihre Gesetze kennen und befolgen, alles andere ist unwichtig.“

      „Sie helfen den Drachen bei der Heilung ihrer Wunden“, erklärte ihm Akinna. „Zwar werden sie nicht oft verwundet - von wem auch? -, aber wenn, dann ist der Heilungsprozess eine langwierige und schmerzvolle Angelegenheit. Und nur der Blütensaft der Salakt-Tren kann diese leidige Phase verkürzen.“

      „Ach so?“ Dantra war überrascht. Solch eine Bedeutung hätte er der Blume nie im Leben zugeschrieben. Während er sie sich in Gedanken vertieft ansah, bemerkte er aus dem Augenwinkel heraus eine Gestalt. Sie war urplötzlich direkt neben ihm aufgetaucht. Geistesgegenwärtig zog er sein Schwert und schlug auf sie ein. Die Verletzung wäre sicher tödlich gewesen, denn das Schwert schnellte direkt auf den Hals der Gestalt zu. Aber statt Blut spritzte nur etwas Durchsichtiges durch die Luft. Und anstelle eines toten Wesens lag nur eine der Blumen, die er zwischen der fünften und sechsten Blüte erwischt hatte, vor ihm im Gras.

      „Na toll.“ Akinna war nicht begeistert. „Hattest du nicht gerade selbst gesagt, dass es verboten ist, den Blumen irgendeine Art von Schaden zuzufügen?“

      „Aber da war gerade eben noch so ein Ding. Ich habe es genau gesehen. Es war nicht höher als meine Hüfte und ich glaube, es trug einen überdimensional großen Hut. Das war sicher wieder so eine hinterlistige Kreatur wie der Hautgnom.“

      „Ach, und den Hut hat er getragen, um dir deine Lebensenergie mit Stil zu rauben, oder was?“

      „Ja, ja, mach du dich ruhig lustig über mich“, brummelte Dantra zurück. „Aber ich habe gesehen, was ich gesehen habe.“

      „Was du gesehen hast, war der Grund, warum wir hier sind. Und jetzt steck dein Schwert wieder weg.“ Dantra sah Akinna skeptisch an, tat aber, was sie sagte.

      Sie deutete mit ihrem Finger auf etwas hinter ihm. Als er sich umdrehte, stand ein kleines,


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