Drachengabe - Halbdunkel - Diesig - Finster. Torsten W. Burisch

Drachengabe - Halbdunkel - Diesig - Finster - Torsten W. Burisch


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waren die allwissenden Begleiter, die mit ihrer fast endlosen Erfahrung und dem Wissen über die Vergangenheit Entscheidungen für die Zukunft treffen konnten. Zudem hatten sie ab und an Visionen. Mal kleine unbedeutende, aber auch große richtungsweisende für ein ganzes Volk. Und da man ihnen in ihren Fähigkeiten bedingungslos vertraute, hatten sie eine unglaublich große Macht. Aber gerade das war es, warum sie von den Drachen als zu gefährlich eingestuft wurden. Wenn ganz Umbrarus sich geschlossen gegen die Feuerspucker erheben würde, dann hätten sie ein Problem, das sie wahrscheinlich nicht lösen könnten.“

      „Aha, und wie hat er das gemacht, dass er gerade urplötzlich vor uns stand?“

      „Das ist ihre dritte und faszinierendste Gabe, mit der sich zudem der Kreis zu den Drachen schließt. Egal, wo sie sind, sie können sich zu jedem beliebigen Ort begeben. Allerdings nur ihren Geist. Dafür projizieren sie ihren Körper in eine Salakt-Tren, und zwar wirklich nur in diese spezielle Blume. Das ist es, was die Drachen so ärgert. Um die Gefahr, die von einem Zlif für sie ausgeht, zu unterbinden, müssten sie sämtliche Salakt-Tren-Blumen vernichten. Da sie aber keinerlei Schmerzen gewohnt sind, wollen sie sich selbst nicht die Möglichkeit nehmen, jederzeit an den für sie so wertvollen Blütensaft zu kommen.“

      „Also haben sie alle Zlif, die sie kriegen konnten, umgebracht“, stellte Dantra fest.

      „Richtig“, pflichtete ihm Akinna bei, „aber zumindest einer hat das Massaker überlebt. Und das ist das, was zählt, denn er hält den Widerstand zusammen. Er war es auch, der mich auf diesen Weg brachte, und er ist es, der uns zu unserem Ziel führen wird.“

      „Was ist unser Ziel?“

      „Wie meinst du das? Was ist unser Ziel?“ Sie imitierte seine Stimme, machte seinen fragenden Blick nach und sah ihn dann verständnislos an.

      Dantra ärgerte es zwar, dass sie ihm nicht sofort antwortete und ihm stattdessen das Gefühl gab, eine sehr dumme Frage gestellt zu haben, aber ihm war auch klar, dass er nun Fingerspitzengefühl beweisen musste, damit Akinna nicht wieder aus der Haut fuhr. „Na ja, ich weiß ja, dass du jemanden suchst. Und natürlich nicht zum Spaß. Irgendetwas soll derjenige wohl auch machen. Und da ich allem Anschein nach der Gesuchte bin, muss ich doch wissen, was das ist. Bis jetzt hat es mir noch keiner gesagt.“

      „Für deine Unwissenheit bin ich vielleicht bedingt verantwortlich. Aber versuch mir jetzt nicht auch noch deine Begriffsstutzigkeit anzuhängen.“

      Nun wurde auch Dantra ungeduldiger. „Was hat das mit Begriffsstutzigkeit zu tun, wenn einem das Wichtigste bisher vorenthalten worden ist?“

      „Was denkst du denn, was unser Ziel ist?“ Der Ton verschärfte sich zunehmend.

      „Keine Ahnung. Vielleicht sämtliche Banditen von Umbrarus das Fürchten lehren?“

      „So ein Quatsch! Es geht um die Freiheit. Um die Freiheit aller. Um die Freiheit von Umbrarus. Es geht darum, dass wir den Drachen und ihren Schergen den Garaus machen. Und zwar ein für alle Mal.“

      Dantra sah sie an wie ein Fuchs, der von einem Hasen gejagt wurde. „Du meinst, du hast mich gesucht, damit ich gegen die Drachen kämpfe?“

      „Nein! Ich habe dich gefunden, damit du die Drachen besiegst!“

      Dantra zweifelte an dem Gehörten. Wollte sie ihn einmal mehr zum Narren halten oder war sie größenwahnsinnig und es fiel ihm erst jetzt auf? Schließlich tippte er sich mit seinem Finger an die Stirn und sagte: „Du spinnst doch! Du und dein abgebrochener Blumenbesteiger sind doch völlig übergeschnappt. Die Drachen besiegen? Ich? Was kommt als Nächstes? Buddeln wir den alten König wieder aus und hauchen ihm mit einem Tritt in seinen Hintern neues Leben ein?“

      „Weißt du was? Du hattest recht. Du bist ein unwissender Hungerhaken. Und du bist noch sehr weit davon entfernt, diese Tatsache zu ändern. Und damit ist die Fragerunde beendet.“ Akinna wandte sich von ihm ab und fing an, ihren Schlafplatz herzurichten.

      „Jetzt sei doch nicht gleich wieder beleidigt“, maulte Dantra genervt. „Es hört sich nun einmal sehr unrealistisch an, was ihr da vorhabt. Und ich wollte damit auch nur zu bedenken geben, dass ich vielleicht doch nicht derjenige bin, für den ihr mich haltet.“ Von Akinna kam keine Reaktion. „Also gut. Wenn du schmollen willst, bitte. Dann schlafen wir jetzt eben.“

      „Du Hornochse“, warf sie ihm unvermittelt an den Kopf. „Kannst du nicht einmal einfach nur deinen Mund halten?“

      „Was hab ich denn jetzt schon wieder Falsches gesagt?“

      „Dass du schlafen willst.“

      „Und?“ Dantra wusste nicht, was sie von ihm wollte.

      „Na das, und ...“, sagte sie, während aus dem Nichts mit einem jeweiligen leisen Plopp kleine schwebende Elfen erschienen.

      Es war unmöglich, genau zu bestimmen, wie viele es waren, denn hier und da verschwand mal wieder eine, um kurz darauf irgendwo anders erneut aufzutauchen. Dantra schätzte sie auf mindestens zwölf, wobei die eine Hälfte bei ihm war und die andere um Akinna kreiste. Sie sahen mit ihren schnell flatternden Flügeln aus wie kleine Engel. Ihre Gewänder hatten die unterschiedlichsten Farben, wobei die unzähligen glitzernden Pailletten bei jeder gleichsam verzaubernd funkelten. Ihre lieblichen Gesichter hüllten sich in schüchternes Lächeln und Staunen. Sie kamen vereinzelt näher und säuselten Dantra etwas Unverständliches, aber zuckersüß Klingendes in die Ohren. Bei Akinna taten sie dasselbe. Aber im Gegensatz zu Dantra, der das verbale Liebkosen mit einem breiten Grinsen zu genießen schien, verscheuchte sie die Elfen wie Pferde Fliegen mit ihrem Schweif. Beleidigt verschwanden die zierlichen Geschöpfe wieder mit einem Plopp, um kurz darauf bei Dantra zu erscheinen und dort in das Zirpen der anderen mit einzusteigen.

      „Verjag die Viecher“, forderte Akinna ihn auf.

      „Warum denn? Das ist doch schön.“

      „Wieso kannst du nicht einfach auf mich hören, ohne es infrage zu stellen? Verjag sie und zieh dir deine Decke über den Kopf.“

      „Nur weil du das Leben ernster nimmst, als es ohnehin schon ist, und dir nichts Schönes gönnen willst? Das kannst du aber vergessen.“ Dantra mummelte sich in seine Decke ein und ließ seinen Kopf bewusst im Freien, sodass die Elfen mit ihren traumhaften Klängen ungehindert um ihn herumschwirren konnten. Akinna ließ sich ebenfalls nieder, wobei sie ein besonders lautes, entnervtes Knurren von sich gab, und verschwand dann wie gewohnt komplett unter ihrem Umhang.

      Dantras Erwachen am nächsten Morgen war das genaue Gegenteil von dem berauschenden Einschlafen am Abend zuvor. Wieder war es der Traum mit dem abschließenden gellenden Schrei, der ihn weckte. Er setzte sich ruckartig auf. Als seine Augen sich an das Licht gewöhnt hatten und er zu dem gemächlich vor sich hin plätschernden Bach sah, kniete dort Akinna und wusch sich gerade ihr Gesicht. Anschließend strich sie sich mit den Händen über die Haare und hielt sie zum Zopf geflochten fest. Sie hob ein Band, das neben ihr lag, auf und zwirbelte es um die Haare. Nun waren ihre nach obenhin spitz zulaufenden Ohren für Dantra erstmals richtig zu erkennen. Sie waren das Einzige, was Akinna von den Mädchen, wie Dantra sie kannte, unterschied. Zumindest wenn man sich ihre Waffen und den entschlossenen, allzeit zum Kampf bereiten Gesichtsausdruck einmal wegdachte. Und doch waren es gerade ihre Ohren, die sie so einzigartig und besonders machten.

      „Wenn du genug geglotzt hast“, sagte sie streng, ohne sich dabei umzuschauen, „solltest du zusehen, dass du deine Sachen zusammenpackst. Und füll vor unserem Weitermarsch deinen Wasserschlauch bis obenhin voll. Du wirst es heute brauchen.“ Dantra wusste zwar nicht, was sie damit meinte, aber da es ihm sehr unangenehm war, dass sie ihn beim Betrachten ihrer Ohren ertappt hatte, ließ ihn die Scham schweigen und nicht nach dem Grund fragen. Er tat wortlos wie ihm geheißen.

      Als sie den magischen Hain wieder verließen, waren Dantra zwei Sachen auf Anhieb klar. Es bestand keinerlei Gefahr, dass man sie entdeckt hatte, denn es roch verführerisch nach Comals Wurzelgemüsesuppe. Und dass Akinna recht hatte. Er hätte die Elfen verjagen sollen. In dem Moment, als sie das magische Umfeld hinter


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