Drachengabe - Halbdunkel - Diesig - Finster. Torsten W. Burisch

Drachengabe - Halbdunkel - Diesig - Finster - Torsten W. Burisch


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mir gar nicht zusteht, über dich oder über deine Art, wie du mit anderen umgehst, zu urteilen. Denn einerseits gehörst du dem hohen Volk der Elben an und hast sicher schon viele schlechte Erfahrungen mit den aus deiner Sicht einfachen Menschen machen müssen. Und andererseits findet der ein oder andere mich beziehungsweise meine Art sicher auch unerträglich. Niemand ist perfekt. Meine Frage zielte mehr auf dein Verhalten während der Schlacht ab. Ich meine, wegen Peewee.“

      Dantra versuchte krampfhaft, weiterhin ruhig zu bleiben. Er wollte es wirklich. Aber seine Worte konnten nur wütend und laut ausgesprochen werden. „Warum durfte ich meine Kraft nicht einsetzen, als ich es für notwendig hielt? Dann würde Peewee jetzt noch leben. Dann wäre Capra nicht von Trauer zerfressen. Aber nein, ich durfte diese stinkenden, feigen Ratten erst aufmischen, nachdem du in Bedrängnis geraten bist. Erst als es dir an den Kragen ging und du um dein Leben gefürchtet hast, da waren bei dir alle Bedenken, meine Kraft einzusetzen, verflogen. Also warum?“

      Dantras Zorn hatte sein Höhepunkt erreicht. Aber dennoch schaffte es sein Verstand, seine Nerven an den Zügeln zu halten und seine Anfangsfrage, auch wenn sie hier hervorragend gepasst hätte, nicht noch einmal zu stellen. Stattdessen beendete er seine Anklage nur mit einem „Warum hast du so unbedacht gehandelt?“.

      Akinna blieb gelassen. Sie sah ihn nachdenklich an. Was dann folgte, ließ in dem aufgebrachten Dantra sämtliche Anspannung weichen und einen verwirrten Ausdruck auf seinem Gesicht erscheinen. Denn Akinna tat das, was Dantra niemals von ihr erwartet hätte: Sie entschuldigte sich bei ihm. Und nicht etwa widerwillig oder ironisch, sondern wohlwollend und ehrlich.

      „Wie meinst du das?“, fragte er sie erstaunt. „Soll das etwa heißen, du gibst zu, einen Fehler gemacht zu haben?“

      „Warum nicht? Du sagtest doch gerade selbst: Niemand ist perfekt.“

      „Also meinst du auch, es wäre besser gewesen, meine Kraft bereits früher einzusetzen?“ Dantra traute dem Braten nicht. Akinna war keine, die an einer von ihr gefällten Entscheidung auch nur den Hauch von Kritik zuließ. So gut kannte er sie schon. Und vor allem würde sie nie ein Fehlverhalten zugeben. Und mit dieser Einschätzung sollte er recht behalten.

      „Nein. Der Zeitpunkt war perfekt. Bis zuletzt herausgezögert, aber dennoch keinen Moment zu spät.“

      „Und wofür hast du dich dann gerade entschuldigt?“, fragte Dantra ernüchtert.

      „Weil ich versäumt habe, dir meine Entscheidung zu erklären. Ich hätte wissen müssen, dass du sie nicht nachvollziehen kannst.“

      „Warum? Weil du glaubst, dass ich zu dumm bin?“ Dantra war bereits wieder im Begriff, in verbale Angriffsposition zu gehen, bevor Akinna ihn erneut beruhigte.

      „Nein, weil dir ein gewisses Hintergrundwissen fehlt, das ich dir nun vermitteln möchte.“ Sie sah ihn erwartungsvoll an.

      Doch Dantras Begeisterung, dass sie ihn an ihrem Wissen teilhaben lassen wollte, ohne dass er danach fragen musste, blieb aus. Stattdessen schaute er sie nur skeptisch an. Konnte er sich doch nicht vorstellen, dass sich Peewees nutzloser Tod mit etwas Hintergrundwissen erklären ließ. Aber er wollte Akinna dennoch die Chance lassen, sich zu rechtfertigen. Und natürlich war auch irgendwo in seinem Kopf der kleine wissensdurstige Dantra, der gerade trotz allem anderen begeistert Purzelbäume schlug. Aber er wäre lieber auf der Stelle in einen Zweikampf mit einem Drachen gezogen, als dass er durch sein Verhalten in Akinna auch nur den leisesten Verdacht hervorgerufen hätte, er wäre auf jedes Wort von ihr gierig wie ein Pferd aufs Wasser nach einem dreitägigen Wüstenritt.

      „Ich bin auf der Suche nach jemandem“, begann sie ihre Erklärung. „Und vielleicht bist du dieser Jemand. Das endgültig festzustellen ist aber nicht meine Aufgabe.“

      „Wer soll ich denn sein?“, unterbrach Dantra sie. „Und wessen Aufgabe ist es festzustellen, ob ich der gewisse Jemand bin?“

      „Das erfährst du später“, fuhr ihn Akinna genervt an. „Können wir jetzt vielleicht erst mal bei der Beantwortung deiner ursprünglichen Frage bleiben?“ Dantra nickte resigniert. „Gut. Wo war ich? Ach ja. Wie gesagt, ich suche jemanden, von dem ich allerdings nichts weiß, außer dass er im Besitz einer ungewöhnlichen Kraft sein muss. Jedoch habe ich keine Ahnung, wie diese Kraft aussieht beziehungsweise wie sie sich zu erkennen gibt. Wenn ich aber den Verdacht habe, dass ich dem Richtigen begegnet bin, so überprüfe ich erst einmal seine Glaubwürdigkeit. Und anschließend seine Loyalität gegenüber dem Kampf für die Freiheit. Denn nur wenn ich ihm vertrauen kann, darf ich ihn jemandem vorstellen, der das benötigte Wissen hat, um den Gesuchten zu erkennen.“

      „Wer ist ...“ Dantras Fragenberg wuchs zunehmend.

      Akinna jedoch duldete keine weiteren Unterbrechungen, was sie ihm mit ihrem Zeigefinger auf dem Mund verdeutlichte. „Mein größtes Problem bei der Suche ist es, auf den eventuell Richtigen erst einmal aufmerksam zu werden. Er trägt ja kein Schild vor sich her, auf dem steht: Achtung, Akinna, ich bin der, den du suchst. In deinem Fall war es auf der einen Seite das Elbenschwert und auf der anderen die Bekanntschaft mit E’Cellbra. Beides keine alltäglichen Gegebenheiten. Womit deine Frage, warum ich meine Marschrichtung geändert habe, nun wohl auch beantwortet sein dürfte. Als wir dann auf Comal trafen und du zugegeben eindrucksvoll deine Kraft zum Besten gabst, war ich mir schon fast sicher, einen prüfenswerten Kandidaten gefunden zu haben.“

      „Nur fast?“, warf Dantra ein.

      „Deine Glaubwürdigkeit hatte mit der Geschichte vom überlebten Drachenangriff doch sehr gelitten.“

      „Wie ich es dir erzählt habe, ist es geschehen. Und ich habe auch nichts zur Verschönerung dazu erfunden“, rechtfertigte sich Dantra erneut.

      „Ich weiß, dass du die Wahrheit gesagt hast. Deine Angst hat es bestätigt. Als wir gestern das Stadttor von Blommer passiert haben, war deine Furcht, die Zerrocks könnten dich wegen dieser Sache suchen, zweifellos echt. So etwas kann man nicht vortäuschen. Und ich glaube, du bist auch viel zu stolz, um jemandem Angst vorzuspielen, wenn du sie gar nicht hast. Nun galt es nur noch, dich in deiner Loyalität zu prüfen. Doch die Schwierigkeiten der Falkenfänger hatten Vorrang. Das gab mir allerdings die Gelegenheit festzustellen, ob du überhaupt den Mut hast, für eine gerechte Sache dein Schwert zu führen. Allerdings muss ich mir selbst eingestehen, dass ich mit einem leichten Kampf ohne Verluste gerechnet hatte. Dass das Ganze solch ein Ausmaß annehmen würde, hätte ich nie für möglich gehalten. Das allerdings brachte dir die Gelegenheit, mir die besagte Loyalität mehr als nur zu beweisen. Du hast deine Kraft gebraucht, obwohl dir bewusst war, dass dein Leben, wie du es bis dahin geführt hattest, vorbei sein würde. Dass du ab dem heutigen Tag ein gesuchter Grenzmagier sein würdest.“

      „Ein was?“

      „Grenzmagier“, wiederholte Akinna. „So nennt man Normalsterbliche, die eine besondere Fähigkeit mit magischen Wurzeln in sich tragen. Aber jetzt zurück zu Peewee und zu dem, was mit ihr passierte. Rückblickend diente die Belagerung der Falkenfänger nur dem einen Zweck: mich gefangen zu nehmen. Das erkannte ich zu meinem Bedauern allerdings viel zu spät. Ansonsten wäre unser Angriff ganz anders abgelaufen.“

      „Du meinst also, auch wenn du ihren Plan frühzeitig durchschaut hättest, hätten wir sie angegriffen?“

      „Selbstverständlich. Der Belagerung musste ein Ende gesetzt werden. So oder so. In diesem Fall hätten wir sie allerdings mit kleinen gezielten Angriffen in den Wald gelockt. Dort wären unsere Siegchancen wesentlich größer gewesen. Aber wie dem auch sei, wir waren nun im offenen Kampf. Ein Rückzug wäre noch wesentlich verlustreicher geworden. Also tat ich das, was wir alle getan haben. Ich kämpfte mit allen Mitteln und allen Kräften. Denn das Einsetzen deiner magischen Kraft konnte und durfte keine Option sein. Unser zukünftiges Handeln wäre unter dem Deckmantel der Unscheinbarkeit wesentlich einfacher gewesen. Und auch die offensichtliche Übermacht des Gegners sollte kein Anlass sein, unsere notwendige Tarnung aufs Spiel zu setzen.“

      „Aber deine Gefangenschaft war Anlass genug?“ Unüberhörbare Empörung durchzog Dantras Zwischenfrage.

      „Ja.


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