Drachengabe - Halbdunkel - Diesig - Finster. Torsten W. Burisch

Drachengabe - Halbdunkel - Diesig - Finster - Torsten W. Burisch


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schöne, saftige Wiese zu liegen, die nun aber nur noch vereinzelt durch Dreck und Matsch erkennbar war. Mindestens drei Dutzend Männer lungerten dort herum. Sie saßen auf Baumstämmen, rösteten irgendetwas nicht Erkennbares über aufgrund des Regens nur noch schwach lodernden Grubenfeuern und zwischendurch schoss der ein oder andere einen Pfeil willkürlich auf den Innenhof des belagerten Gehöfts.

      Akinna teilte die Gruppe in drei Trupps auf, von dem sie selbst einen anführte. Sie erklärte, dass ihr erster Pfeil das Angriffssignal für alle sei, und schickte dann die anderen beiden Trupps auf ihre Positionen. Auf Dantras fragenden Blick hin antwortete sie: „Wenn wir uns verteilen, können wir über eine größere Breite angreifen. So gehen uns weniger durch die Lappen.“

      „Das schon“, antwortete er, gab aber zu bedenken: „In einer größeren Gruppe ist man allerdings weniger verwundbar.“

      „Verwundbar? Die Feiglinge werden das Weite suchen, sobald sie uns sehen.“ Nach einem kurzen Blick zurück auf den Ort des Geschehens fügte sie noch hinzu: „Aber egal, was passiert, du darfst nicht deine magischen Kräfte einsetzen, verstanden?“

      „Ja, ja, ich weiß. Falls sich doch einer deinen Pfeilspitzen entziehen kann, hätten wir sonst ein ziemlich großes Problem.“

      „Richtig. Aber auch auf unserer Seite sind zwei Neue, die ich nicht kenne. Und wen ich nicht kenne, dem traue ich auch nicht.“

      Die Zeit verging. Akinna beobachtete das Treiben vor sich und schaute gelegentlich nach links und rechts, als wollte sie sehen, ob die anderen schon in Position waren. Das war allerdings wegen kleinerer Hügel und wegen des Strauchbewuchses unmöglich.

      Dantra wurde zunehmend ungeduldiger. „Woher willst du wissen, dass alle ihre Angriffsstellung eingenommen haben?“

      „Ich weiß es eben.“

      „Gut, und wann ist es so weit?“

      „Etwas dauert es noch“, antwortete Akinna genervt, „und jetzt halt deinen Mund und übe dich in Geduld.“ Sie lenkte mit ihrem Blick auch Dantras Aufmerksamkeit zurück auf die regendurchtränkte Moderwiese. Einer der Männer war aufgestanden und ging auf das Tor der Palisadenumzäunung zu. Zwei tote Kühe lagen davor. Ihre gewichtigen Körper waren mit Pfeilen übersät. Man konnte leicht erkennen, dass diese alle von hinten auf ihr Ziel abgefeuert worden waren. Anscheinend hatte man noch vergebens versucht, das Vieh in Sicherheit zu bringen, als die Banditen anrückten.

      Der Mann stellte sich direkt vor einen der beiden Kadaver und rief: „Hey, ihr da drin? Wollt ihr dieses Vieh nicht wenigstens noch essen, wenn es euch schon keine Milch mehr geben kann? Ihr könnt sie unbesorgt reinholen. Es passiert euch auch nichts. Ich gebe euch mein Wort.“ Einige der anderen lachten kurz auf. „Ich sag euch was“, fuhr der Wortführer fort, „ich werde euren Festschmaus sogar schon mal für euch würzen.“ Er fasste sich in die Hose und holte das heraus, was wahrscheinlich seiner Meinung nach der Größte von ganz Umbrarus war, und urinierte auf den leblosen Tierkörper. Die anderen kugelten sich vor Lachen.

      Trotz des Gegröles nahm Dantra das Summen der Sehne wahr, die sich neben ihm in diesem Moment entspannte. Akinna hatte einen Pfeil abgeschossen. Zwei Sachen waren damit klar. Erstens, der Angriff begann, und zweitens, in dem vermeintlich Größten von ganz Umbrarus steckte nun ein Pfeil, der auf seinem Weg auch gleich die haltende Hand durchbohrt hatte. Der schmerzerfüllte Schrei des Mannes war nur von kurzer Dauer. Der zweite von Akinna abgefeuerte Pfeil traf ihn direkt in den Hals und so fiel er röchelnd vornüber in seinen eigenen Urin. Bevor die übrigen Männer überhaupt richtig begriffen, was passiert war, stürmten bereits die anderen beiden Trupps mit kampfbereit erhobenen Waffen, begleitet von zu allem entschlossenen Gebrüll, auf sie los. Und auch Dantra stürmte Akinna und Peewee hinterher auf das Schlachtfeld.

      Bevor das Gefecht Mann gegen Mann überhaupt beginnen konnte, hatte Akinna bereits vier von ihnen mit gezielten Pfeilen niedergestreckt. Nun aber entbrannte für jeden der Kampf ums eigene Überleben. Dantra hatte sich nach Akinnas prophezeienden Worten darauf eingestellt, ein paar flüchtigen, verlotterten Banditen schreiend hinterherzulaufen. Diese Männer, einer größer und breiter als der andere, machten allerdings keinerlei Anstalten zu flüchten. Im Gegenteil, sie kamen ihnen sogar entgegengestürmt. Der Erste, auf den Dantra traf, schleuderte, ohne zu zögern und mit voller Wucht, eine Eisenkugel, die an einer Kette hing auf Dantras Kopf zu. Dieser duckte sich und wich dem Angriff aus. Gekonnt ließ der wütend schnaufende Kerl die Kugel einmal in der Luft kreisen, sodass sie erneut blitzschnell auf Dantras Kopf zuraste. Erneut wich er aus. Der ganze Vorgang wiederholte sich ein ums andere Mal. Dantra suchte verzweifelt nach einem Ausweg. Er kam überhaupt nicht nah genug an seinen Gegner heran, um den Kampf mit seinem Schwert zu erwidern. Und seine magische Kraft einzusetzen, war ihm ausdrücklich untersagt. Mittlerweile hatte er den Überblick verloren, wer von seinen Leuten gerade wo und gegen wen kämpfte. Aber er war sich sicher, dass er der Einzige war, der rückwärts über den matschigen Acker getrieben wurde. Erst ein Pfeil, der sein bissiges Gegenüber ins Rückenmark traf, beendete endlich das peinliche Schauspiel. Dantras Blick fiel auf Akinna, die einige Schritte vor ihm stand.

      Sie legte bereits ein neues Geschoss auf die Sehne und rief dabei: „Den Nächsten erledigst du alleine. Aber ohne vorher mit deinen mittelmäßigen Tanzkünsten zu prahlen.“

      „Als wäre meine Unbeholfenheit nicht schon peinlich genug, da musst du natürlich noch einen obendrauf setzen“, murmelte Dantra vor sich hin. „Aber wenn ich gleich mit meiner magischen Kraft unkontrolliert um mich werfe, dann will ich kein Nörgeln hören. Denn dann bist du schuld.“ Beleidigt zu sein konnte einem hier schnell den Kopf kosten. Dessen bewusst lenkte er seine ganze Konzentration wieder auf das Wesentliche. Auf die Schlacht. Doch auch als einer der Banditen mit einem Schwert auf ihn losging und er dessen Angriff problemlos parieren konnte, hatte Dantra dennoch seine Schwierigkeiten. Denn es widerstrebte ihm zutiefst, den tödlichen Stoß zu setzen. Und das, obwohl er den Hieb schon so abgewehrt hatte, dass der Mann neben ihm ins Straucheln gekommen war und er eigentlich nur noch zuschlagen musste. Aber seine Hände zitterten, wie er es noch nie zuvor gesehen hatte. Die Selbstzweifel, ob er nicht lieber mit Comal in einem sicheren Versteck hätte ausharren sollen, bis das Gemetzel vorbei wäre, wichen schnell einer wachsenden Zufriedenheit. Denn es schien ihm, als sei er der Einzige auf diesem Schlachtfeld, der noch wahre Menschlichkeit in sich trug und keine gefühllose und abgestumpfte Kreatur war, der ein Leben nichts bedeutete. Er entschloss sich, sein Schwert so zu drehen, dass er dem Mann die breite Seite anstatt der scharfen über den Schädel zog und dieser so nur bewusstlos zu Boden ging.

      Es blieb ihm keine Zeit, seine Kampftaktik nochmals zu überdenken. Es fehlte nicht viel und seine instinktive Drehung wäre seine letzte Handlung gewesen. So aber konnte er noch knapp dem nächsten auf ihn niedergehenden Hieb ausweichen und dabei seine Schwertspitze in der Wade seines Gegners versenken, der daraufhin schreiend in den Dreck fiel. Nun hatte Dantra für einen kurzen Moment die Zeit, sich einen kleinen Überblick zu verschaffen, sofern das der immer stärker werdende Regen zuließ. Es schien so, als wären nun mehr Banditen auf dem Feld als noch vor Beginn des Kampfes. Mit beunruhigenden Befürchtungen sah er, wie aus dem Wald, der ihnen gegenüberlag, noch weitere Männer in die Schlacht stürmten.

      Ein lautes Kreischen lenkte seine Aufmerksamkeit auf das Gehöft. Einige Falken stiegen von dort empor und flogen auf sie zu. Er hätte sie zu gerne dabei beobachtet, wie sie sich in den Kampf mit einbrachten. Doch er musste stattdessen sein ganzes Können am Schwert aufbringen, da er von zwei Banditen gleichzeitig attackiert wurde. Er kämpfte, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Dabei achtete er aber weiterhin darauf, seine Gegner nur zu verletzen. Getötet hatte er noch keinen von ihnen, was ihn mit einem beruhigenden Stolz beflügelte.

      Doch diese Taktik beizubehalten, wurde zunehmend schwerer. Unkontrolliert zuzuschlagen war wesentlich leichter und damit auch schneller als gezielte Hiebe. Und da die Übermacht von Banditen stetig zunahm, war es genau das, was von ihm gefordert wurde. Dantra versuchte, Akinna ausfindig zu machen. Die zahllosen Angriffe und der heftige Regen ließen ihm aber keine große Chance. Also entschloss er sich, einfach zu rufen. Weit konnte sie ja nicht sein. „Akinna! Nur mit Schwertern schaffen wir es nicht!“

      Es


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