Drachengabe - Halbdunkel - Diesig - Finster. Torsten W. Burisch

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Hand und betrachtete sie argwöhnisch. „Ihr Blick muss ja nichts zu heißen haben“, versuchte sich Dantra im Stillen einzureden. „Comal hat zuerst genauso geschaut.“

      Doch bei Akinna wurde der Gesichtsausdruck statt heller nur zunehmend finsterer. „Woher hast du die?“, fragte sie und schaute ihn dabei mit einem durchbohrenden Blick aus ihren halb zugekniffenen Augen an, die jetzt, schwarz umrandet, wie sie waren, verblüffende Ähnlichkeit mit der Brosche hatten.

      „Na, vom Markt. Woher sonst?“ Dantra verstand die Frage nicht.

      „Ich wusste gar nicht, dass du so viel Geld besitzt.“

      „Besitze ich auch nicht“, antwortete Dantra wahrheitsgemäß.

      „Und wie kannst du dir dann die ganzen Sachen leisten?“ Akinna neigte ihren Kopf leicht zur Seite, sodass ihre rotbraunen Haare auf einer Seite von der Schulter rutschten und eines ihrer Elbenohren zum Vorschein kam. Von ihr sicher unbeabsichtigt, erweckte das bei Dantra den Eindruck, als könne sie es hören, wenn er log. Und das machte ihn nervös.

      Er stammelte etwas Unverständliches vor sich hin, während sein Hirn fieberhaft nach einer plausiblen Erklärung suchte. Denn E’Cellbras Krato sollte nicht in dieser vorkommen. Freunde hin, Freunde her. Es war zwar nur ein Geldstück, aber es besaß doch den Wert Tausender. Woher sollte er wissen, ob nicht doch einer seiner Weggefährten schwach werden und ihn nachts bestehlen würde.

      „Also, wir ... äh ... also, im Klosterheim, wo ich aufgewachsen bin, na ja, also ... wir haben da auch gearbeitet und ähm ... was soll ich sagen? Ich hab halt ...“

      „... gestohlen!“, beendete Akinna den Satz.

      „Was?“ Dantra glaubte, meinte, hoffte, sich verhört zu haben.

      „Sag doch einfach, wie es ist“, forderte sie ihn auf. „Dann wissen wir wenigstens, woran wir sind und dass wir nachts unser Hab und Gut verstecken sollten. Nicht, dass ich glaube, du würdest uns bestehlen. Aber kann man sich da sicher sein? Wie sagt man noch? Ach ja, Gelegenheit macht Diebe.“

      Dantra sprang auf. Mit hochrotem Kopf brüllte er sie an: „Ich habe dir schon einmal gesagt: Ich stehle nicht. Aber ich glaube auch nicht, dass wir uns schon so gut kennen, dass ich jedes meiner Geheimnisse mit dir teilen müsste.“

      Akinna war nun ihrerseits ebenfalls aufgestanden, allerdings wesentlich gemächlicher. Und mit ruhiger Stimme ließ sie ihn wissen: „Wäre ich nicht gewesen, hättest du deine ach so wichtigen Geheimnisse bereits mit ins Grab genommen.“ Sie drehte sich um und ging durchs Unterholz in Richtung Wald, wo sie auch schon am Vorabend verschwunden war.

      „Arrogante Ziege“, dachte Dantra. Als er sich etwas beruhigt hatte, was vor allem dem herrlichen Geruch des Specks zu verdanken war, den Comal in einer Art Pfanne über dem Feuer angebraten hatte, fiel ihm auf, dass Akinna fast dieselben Wörter benutzt hatte, was das nächtliche Bestehlen anging, wie er selbst kurz zuvor bei seinen Überlegungen. Konnte sie etwa seine Gedanken lesen? Eine Frage, die Dantra sehr schnell für sich verneinen konnte. Wäre es so, hätte sie ihn bestimmt schon längst umgebracht.

      Da Dantra und Comal nicht wussten, wann sie Akinna zurückerwarten durften, hatten sie beschlossen, nicht länger mit dem Essen zu warten. Sie waren bereits beim Nachschlag, als die Elbin wie immer absonderlich leise durchs Unterholz zurückkehrte. Der zornige, verärgerte Ausdruck in ihrem Gesicht war verschwunden und hatte stattdessen Sorgengrübchen Platz gemacht. „Ich werde euch morgen verlassen“, sagte sie knapp und sah gedankenvoll ins lodernde Feuer.

      Dantra, dem die Sorge, die Akinna ins Gesicht geschrieben stand, nicht aufgefallen war, schnauzte sofort wieder los, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, dass sein Mund halb voll war und das meiste davon als zerkauter Niederschlag vor und über ihm niederging. „Soll das etwa heißen, dass du immer noch glaubst, ich würde stehlen? Selbst wenn es so wäre, du besitzt nichts, was ich gerne hätte.“

      „Ach, nimm dich nicht immer so wichtig!“, sagte sie leicht genervt, aber gewillt, die Fassung zu behalten. „Ich muss mich morgen aufmachen, um ein paar guten Freunden zu helfen.“

      „Ach so?“, erwiderte Dantra, nachdem er sich den Mund mit dem Ärmel abgewischt hatte. „Dann kommen wir eben mit. Wir haben doch ohnehin kein bestimmtes Ziel. Und Vorräte sind auch genug da. Nicht wahr?“ Er sah Comal erwartungsvoll an und bekam auch gleich ein bestätigendes Nicken, untermalt von einem gebrummten „Klar“.

      „Das ist nett von euch. Aber sie haben Schwierigkeiten, in die ich euch nicht mit reinziehen will.“ Akinna hatte sich ebenfalls ans Feuer gesetzt und ihren Köcher auf die Knie gelegt. Sie nahm einen Pfeil nach dem anderen heraus und kontrollierte sie auf eventuelle Schäden.

      „Wenn es solche Schwierigkeiten sind, wie ich denke, komme ich erst recht mit. Auch wenn ich es nur ungern zugebe, aber als du mir diesen verfluchten Hautgnom von der Schulter geschossen hast, rettete mir das einige meiner besten Jahre. Auch wenn es dir vielleicht nicht gefällt, bin ich dir etwas schuldig.“ Sein Versuch, eine freundliche Miene oder sogar ein Lächeln von ihr zu bekommen, schlug fehl. Es hatte auch nichts gebracht, dass er ihr gegenüber seine Bringschuld zugegeben hatte. Nicht einmal einen Nein-so-ist-es-doch-gar-nicht-Gesichtsausdruck bekam er zu sehen, und das, obwohl er ihr doch mit dem vorletzten Satz einen dezenten Hinweis darauf gegeben hatte, dass sie ihm bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit das Gefühl vermittelte, sie könne ihn nicht ausstehen.

      Die Elbin zog stattdessen nur kurz eine ihrer Augenbrauen hoch, um dann ihren Blick erwartungsvoll auf Comal zu richten. Als dieser merkte, dass stillschweigend von ihm eine Antwort erwartet wurde, fingen seine großen, fast schwarzen Augen an, nervös zwischen Akinna und Dantra hin und her zu wandern. „Also, ich ... äh ... ich werde euch gern begleiten, aber auch wenn ich euch damit enttäusche, kämpfen werde ich nicht.“

      Dantra und Akinna sahen erst sich und dann Comal fragend an.

      „Aber du bist ein Nalc. Kämpfen ist eure Art zu leben“, sagte Dantra irritiert.

      „Da hast du recht“, pflichtete ihm Comal bei. „Aber ich bin eben ein wenig aus der Art geschlagen. Oder wie mein Vater immer sagte: Junge, deine Mutter hat mich hinters Licht geführt. Anstatt mir einen kampfbereiten Nalc zu schenken, hat sie mir dich untergejubelt. Den einzigen Nalc, der nach seinem Tod nicht in Solras Armee marschieren darf. Der nicht mal die Scheiße von Solras Pferd wegräumen darf.“

      „Nett war dein Vater nicht gerade zu dir“, stellte Dantra fest.

      „Er ist eben ein Nalc. Nalcs sagen immer, was sie denken. Deshalb schlagen sie sich ja auch andauernd gegenseitig die Köpfe ein.“

      „Bist du deswegen fortgegangen?“, fragte Akinna mit einfühlsamer Stimme.

      „Nein, nicht direkt. Ich habe es Dantra vorgestern bereits erklärt. Man hat mir eine Aufgabe zukommen lassen, die für mein Volk von großer Bedeutung war. Aber ich habe es gründlich verdorben. Erst dann bin ich fortgegangen.“

      „Was war das eigentlich für eine Aufgabe?“, wollte Dantra wissen.

      Comal sah ihn misstrauisch an und schien dabei nach der richtigen Antwort zu suchen. „Woher hattest du das Geld, um heute auf dem Markt die ganzen Sachen zu kaufen?“, fragte er schließlich.

      „Wie meinst du das?“ Dantra war eher verwundert als verärgert über diese Frage. „Glaubst du jetzt auch, dass ich stehle?“

      „Nein, das glaube ich nicht“, erwiderte Comal, ohne etwaige Zweifel in seine Worte zu legen. „Aber ich glaube, dass du uns nicht genug Vertrauen schenkst, um es uns zu sagen.“

      Mit reumütiger Stimme sagte Dantra: „Entschuldigung, aber wir kennen uns doch erst zwei Tage. Ich hoffe zutiefst, dass ich euch vertrauen kann. Aber wissen? Nach so kurzer Zeit?“

      „Wenn der Tag kommt, an dem du denkst, dass wir uns lange und gut genug kennen, um uns gegenseitig zu vertrauen, verrätst du uns dann dein Geheimnis?“

      „Ja, sicher.“

      „Gut,


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