Drachengabe - Halbdunkel - Diesig - Finster. Torsten W. Burisch

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Schale und bot sie Akinna an. Als diese mit einem freundlichen Lächeln ablehnte, ließ er sie zwischen seinen mächtigen Zähnen verschwinden.

      Die Elbin stand auf und verkündete, dass ihr Aufbruch noch vor Sonnenaufgang stattfände. Danach verschwand sie in derselben Ecke wie auch schon in der Nacht zuvor unter ihrem Umhang. Auch Dantra legte sich kurz darauf zum Schlafen hin. Er hatte Akinna zum ersten Mal mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen gesehen. Und auch wenn dieses Comal gegolten hatte, so hatte es ihr doch von Dantras Seite ein großes Stück Sympathie eingebracht.

      *

      Kapitel 9

      Als Akinna an diesem Morgen mit einem lauten „Es ist Zeit aufzubrechen“ unter ihrem Umhang hervorkam, war Dantra bereits abmarschbereit. Er hatte am Vorabend Comal gebeten, ihn so früh wie möglich zu wecken. Einerseits wollte Dantra Akinna mit seinem Tatendrang seine Entschlossenheit zeigen, ihr zu helfen. Andererseits beabsichtigte er, nach einem Lächeln nun auch einmal ein überraschtes Gesicht von ihr zu sehen zu bekommen. Er wurde nicht enttäuscht.

      Als sie übers Feld zur Straße zurückgingen, entdeckte Dantra einen Wagentreck, der sich gerade gemächlich durchs Stadttor schob. Erst als alle Fuhrwerke hindurch waren, setzten sich zwei Reiter an deren Spitze, zweifelsohne Zerrocks, und führten den Zug an. Es war ihm nicht möglich, auf die Entfernung Gesichter zu erkennen, aber den bunten Wagen nach mussten das die Gaukler und Artisten sein, die er am Vortag bewundert hatte. Es war üblich, dass Händler oder wie in diesem Fall Schausteller, die in Kolonnen reisten, von Zerrocks begleitet wurden. Nur so waren sie vor Überfällen geschützt. Für diese Sicherheit musste allerdings auch das fahrende Volk, genau wie die Bewohner sicherer Städte und Dörfer, nach den Regeln der Drachen leben.

      Die Straße, auf der die drei Gefährten nun dahinschritten, führte sie erst ein Stück zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren, und ließ sie nach einer Wegkreuzung Richtung Lava abbiegen. Sie waren bereits einige Zeit unterwegs, als Dantra, wie gewöhnlich, als Erster das bis dahin herrschende morgendliche Schweigen brach.

      „Was sind das für Leute, zu denen wir gehen? Und aus welchem Grund brauchen sie unsere Hilfe?“, fragte er Akinna.

      „Ich kenne sie schon ziemlich lange“, antwortete sie. „Und ich bin seit jeher jederzeit bei ihnen willkommen. Sie haben eine Art Bauernhof. Aber das meiste, was sie auf den Wochenmärkten verkaufen, sind handwerklich hergestellte Dinge. Körbe, Holzbesteck, solche Sachen eben. Ich habe sie gestern in Blommer nicht angetroffen, was sehr ungewöhnlich ist. Daher habe ich Nachforschungen angestellt. Dabei musste ich erfahren, dass sie von einer Bande sadistischer Barbaren belagert werden ...“ Akinnas Gesicht verfinsterte sich und ihre Augen bekamen wieder diesen Ausdruck der unerschütterlichen Entschlossenheit, der Dantra bereits zwei Tage zuvor aufgefallen war, als sie ihm versichert hatte, niemals vor irgendetwas davonzulaufen. „... und deren Leben nur noch dem einen Zweck dient“, hauchte sie knurrig, „dass es ein Ende durch meine Pfeilspitzen findet.“ Sie atmete tief durch und brauchte einen Moment, um sich wieder zu beruhigen. „Es ist fast immer dieselbe Bande, die versucht, das wenige Hab und Gut, das die Falkenfänger besitzen, in ihre schmutzigen Finger zu bekommen. Es ist daher auch nicht das erste Mal, dass wir ihnen helfen müssen und mit Sicherheit auch nicht das letzte Mal.“

      „Warum nennt man sie Falkenfänger?“

      „Aus einer alten Tradition heraus züchten sie Falken und richten sie ab. Früher für die Adeligen und sogar für den König. Heute nur noch für den Eigenbedarf.“

      „Wofür brauchen sie abgerichtete Falken?“

      „Zu ihrem eigenen Schutz. Du wirst sehen, was ich meine, wenn wir die Bastarde niedermetzeln.“

      „Warum bist du so überzeugt davon, dass es zu einem Kampf kommen wird? Vielleicht können wir ja mit ihnen reden. Sie zur Vernunft bringen. Sie davon überzeugen, die Belagerung aufzugeben.“

      „Nein, können wir nicht.“

      „Was macht dich da so sicher?“

      Akinna blieb stehen, zog einen ihrer Pfeile aus dem Köcher und hielt Dantra dessen Spitze unter die Nase. „Versuch mal, mit jemandem zu reden, dem so einer im Hals steckt. Dann wirst du die Sinnlosigkeit deines Vorhabens schnell erkennen. Denn jeder von diesen Halunken, der nicht bei meinem bloßen Erscheinen um sein erbärmliches Leben rennt, dem verpasse ich einen davon. Und zwar punktgenau in den Kehlkopf.“ Sie steckte den Pfeil wieder zurück und ging weiter.

      Dantra setzte nach: „Diebe, Halunken oder sonst irgendein Pack, du kannst sie nicht einfach alle umbringen. Wer weiß, warum sie zu dem geworden sind, was sie sind. Manche von ihnen hatten vielleicht keine andere Wahl.“

      „Man hat immer eine Wahl. Und bevor man anderen Gewalt zufügt, nur weil man glaubt, es gäbe keine andere Möglichkeit, sich mit dem Lebensnotwendigen zu versorgen, kann man sich immer noch selbst einen Strick um den Hals legen. Du musst mir also schon einen besseren Grund nennen, damit ich nicht alle, die ich erwischen kann, umbringe.“

      Nun blieb Dantra stehen und streckte seine Arme von sich, um so seine Fassungslosigkeit zu untermalen. „Es sind Menschen wie du und ich“, sagte er aufgebracht.

      Doch Akinnas Antwort war kalt und bissig: „Es sind Menschen wie du! Nicht wie ich! Und außerdem wolltest du mir doch einen Grund nennen, sie nicht zu töten.“

      „Hab ich doch. Es sind Menschen.“

      „Das ist ein Grund mehr, sie zu töten“, erwiderte Akinna nüchtern und setzte ihren Marsch fort.

      Dantra musste erst einige schnelle Schritte machen, bis er wieder auf ihrer Höhe war. „Wie meinst du das? Das ist noch ein Grund mehr?“

      Nun war es wieder Akinna, die innehielt. „Nun pass mal auf. Ich erzähle dir mal was über die Spezies Mensch.“ Sie sah ihn streng an und stützte ihre Hände dabei in die Hüften. „Die einzelnen Exemplare sind alle unterschiedlich und haben doch eine Sache gemeinsam: Sie sind alle auf ihre Weise schlecht. Jeder einzelne von ihnen hat irgendeine schlechte Seite. Und nimmst du sie alle zusammen und steckst sie in ein Land, so wie Umbrarus, dann legst du damit den Grundstein für das Scheitern eines gemeinsamen friedlichen und harmonischen Zusammenlebens.“

      Dantra zögerte kurz. Sollte er ihr seine Meinung kundtun oder lieber erst abwarten, bis sie sich wieder etwas beruhigt hatte? Denn er wollte sie auf keinen Fall völlig in Rage bringen, was sehr wahrscheinlich nur wieder ein erneutes vehementes Schweigen nach sich ziehen würde. Jedoch konnte er auch nicht einfach hinnehmen, was sie gerade über die Menschen und damit auch über ihn selbst gesagt hatte. Also beschloss er, dagegen zu argumentieren, bemühte sich aber, dieses mit möglichst einfühlsamer Stimme zu tun. „Ich finde, du übertreibst ...“

      „Oh, du meinst also, ich übertreibe. Na, dann gebe ich dir mal ein paar Beispiele.“ Nun war die Empörung ihrerseits noch weiter angestiegen, allerdings keine Spur von Schweigen. „Der Mensch stellt sich über alles! Nur weil er nicht auf vier Pfoten läuft und die Gabe des logischen Denkens bekommen hat, meint er, jedes andere Geschöpf hätte sich ihm unterzuordnen. Der Sinn des logischen Denkens ist allerdings, dass man es auch nutzen sollte. Dann kämen die Menschen vielleicht endlich zu der Erkenntnis, dass man nur miteinander leben kann. Und damit meine ich nicht nur Mensch und Tier, sondern alles, vom Baum über die Flüsse bis hin zur Luft. Aber ihr Menschen holzt im Übermaß ab, verseucht mit euren Exkrementen jedes Gewässer und dort, wo viele Menschen aufeinandertreffen, atmet man keine Luft mehr, sondern Gestank.“

      „Ja, gut, ein paar Probleme, an denen man arbeiten sollte, gibt es schon, das sehe ich ja ein, aber ...“

      „Du hast es immer noch nicht verstanden! Das Gedankengut des Menschen ist unwiderruflich vergiftet. Nimm doch nur die freien Dörfer und Städte. Wo keine Zerrocks oder Dullpins für Recht und Ordnung sorgen, leben die Menschen nicht friedlich miteinander. Dort herrscht das Gesetz des Stärkeren. Und der Stärkste will seine Herrschaft stets weiter ausbauen, denn der Mensch ist machtbesessen. Er will immer mehr Besitz für sich in Anspruch nehmen,


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