Drachengabe - Halbdunkel - Diesig - Finster. Torsten W. Burisch

Drachengabe - Halbdunkel - Diesig - Finster - Torsten W. Burisch


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denn der Mensch ist feige. Gleichzeitig lassen sie keine Gnade walten, sobald der Feind in die Knie gezwungen ist, denn der Mensch ist gewissenlos. Und wenn sie niemand aufhält, dann vergewaltigen sie auch noch die Frauen der Gefallenen und schneiden deren Kindern die Kehle durch. Denn der Mensch ist sadistisch. Ich könnte diese Liste der schlechten menschlichen Charaktereigenschaften noch vervollständigen mit Eitelkeit, Habgier, Selbstüberschätzung und vielem mehr. Aber ich denke, nicht die Anzahl meiner Worte sollte dir die Augen öffnen, sondern deren Bedeutung. Also noch eine abschließende Zusammenfassung, die hoffentlich auch du verstehst: Der Mensch ist der Kollateralschaden der Evolution! Denk mal darüber nach.“

      Es war bereits kurz nach Mittag, als Akinna an einer unscheinbaren Stelle des Weges unangekündigt in den Wald abbog, von wo aus sie sich einige Hundert Meter durchs Unterholz kämpften. Akinna war wie gewohnt elbisch leise, Dantras Bewegungen verursachten normal laute Knack- und Raschelgeräusche, während Comal, unbekümmert, wie er war, einen Lärm machte, als hätte er fünf Pferde im Schlepptau. Als sie aus einer dichten Tannenschonung wieder in den für diese Gegend typischen lichten Laubwald mit seinen ausgewachsenen Buchen und Eichen gelangten, saßen dort vier Männer und zwei Frauen auf umgestürzten Baumstämmen, welche so angeordnet waren, dass sie ein Dreieck bildeten. Einer der Männer stand auf und sagte leicht rotzig: „Wenn ich euch nicht schon auf dem Weg gesehen hätte, als ich vorhin die Gegend begutachtet habe, hätten wir euch kampfbereit empfangen. Ihr macht einen Krach wie eine Horde Zerrocks nach einem Sturmbefehl. Ist man gar nicht von dir gewohnt, Akinna.“ Nachdem er ihr einen kritischen Blick zugeworfen hatte, sah er nun Dantra und Comal abwertend an. „Was sind das überhaupt für zwei Gestalten? Nicht gerade unauffällig so ein Nalc, vor allem nicht im Kampf.“

      „Beruhig dich, Gennaro“, beschwichtigte ihn Akinna. „Er wird nicht mit uns kämpfen.“

      „Ach“, motzte der Angesprochene weiter, „und was will er dann hier?“

      „Ich kann gut kochen“, warf Comal schnell ein. Er hatte wohl das Gefühl, er müsste seine Anwesenheit irgendwie rechtfertigen.

      Während die anderen nur kurz verlegen kicherten oder glucksten, brach Gennaro in lautes Gelächter aus. „Kochen? Was bist du denn für ein Nalc? Leerst du auch meinen Spucknapf, wenn mir dein Essen nicht geschmeckt hat?“

      Dantra machte drei Schritte nach vorne, sodass er nun unmittelbar vor Gennaro stand, der gut einen Kopf größer war als er selbst und mindestens sechs oder sieben Jahre älter. Mit gezogenem Schwert sagte er mahnend: „Du solltest vielleicht auch nicht mit uns kämpfen. Denn wenn du wie ein Schlachtschwein aus deinem Mund blutest, weil ich dir deine dreckige Zunge herausgeschnitten habe, ist das auch nicht gerade unauffällig.“

      Gennaro starrte grimmig und schweigend auf ihn herab. Dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck in mitleidig und er wandte sich wieder Akinna zu. „Hat dieser Kampfzwerg noch andere Qualitäten, außer dass er lebensmüde ist? Denn ich finde keinen erkennbaren Grund, warum du glaubst, dass er der Richtige für die Aufgabe sein sollte.“

      „Du redest zu viel und urteilst zu schnell“, antwortete Akinna. Man merkte ihr nun an, dass das Verhalten von Gennaro und vielleicht auch das von Dantra sie nervte. Sie stellte sich neben Dantra und umfasste dessen Schwertklinge, die unmittelbar darauf in vollkommener Schönheit und magischem Glanz erstrahlte. Gennaros Augen weiteten sich vor Überraschung. „Er hat es von E’Cellbra bekommen“, erklärte Akinna. „Allein das verlangt, ihn dafür in Betracht zu ziehen.“ Dantra warf Akinna einen strafenden Blick zu. Eigentlich wollte er nicht einmal, dass sie von seiner Bekanntschaft zu E’Cellbra wusste. Und nun erzählte sie es einfach einem Haufen Fremder, deren Anführer anscheinend auch noch ein arroganter Schwachkopf war. Doch Akinna nahm seine Rüge entweder nicht wahr oder ignorierte sie einfach. „Und nun gib deinen Worten endlich einen Sinn und stelle mir die beiden Neuen in deinen Reihen vor“, sagte sie auffordernd zu Gennaro, der seinerseits noch einen zweifelnden Blick auf Dantra warf, um anschließend zu tun wie ihm geheißen.

      „Das ist Galasso.“ Er deutete auf einen jungen Mann mittlerer Größe, der den Eindruck erweckte, er könne mit dieser Art zu leben nichts anfangen, da er bisher einen Lebensstil gepflegt hatte, der mit Im-Wald-schlafen und Essen-über-einem-Lagerfeuer-zubereiten nichts zu tun hatte. „Er ist seit gut vier Monaten bei uns. Sein Bruder sollte seinen erstgeborenen Sohn hergeben. Als er sich der Rekrutierung widersetzte, haben sie ihn mitgenommen. Seitdem hat niemand mehr etwas von ihm gehört. Und das hier ist Peewee.“ Nun war eine junge Frau an der Reihe, die über beide Backen grinste.

      Nachdem ihr Name gefallen war, redete sie los, als hätte ihr jemand bis dahin den Mund zugehalten. „Hallo Akinna. Darf ich Akinna sagen?“ Sie wartete keine Antwort ab, sondern streckte der Elbin ihre Hand zum Gruß entgegen, die Akinna etwas missmutig und wohl nur aus dem Grund nahm, weil man Peewee anmerkte, dass es das Größte für sie war, einer Elbin einmal die Hand zu schütteln. „Es ist mir so eine große Ehre, dich kennenzulernen und vor allem an deiner Seite zu kämpfen. Ich habe schon so viel von dir gehört und ...“

      „Ja, Peewee, ist ja gut. Sie freut sich sicher auch, dich kennenzulernen.“ Mit diesem Satz brachte Gennaro Peewee zum Schweigen und zum Erröten gleichermaßen.

      Dantras Wut kochte wegen dieser herablassenden Art erneut hoch. Doch er hielt sich zurück und schwieg, denn Akinna stellte ihn nun den anderen vor, anschließend Comal. Mit den übrigen beiden aus Gennaros Truppe wurde er nicht bekannt gemacht. Da Akinna sie bereits aus früheren Tagen kannte, hielt das wohl niemand für nötig. Erst aus den weiteren Gesprächen hörte Dantra ihre Namen heraus. Despie war eine stämmige Frau, die von hinten gesehen auch ohne Probleme als Mann durchgehen würde. Die braunen Haare hingen ihr struppig und ungepflegt ins Gesicht. Sie streunte unaufhörlich um Gennaro herum. Aber nicht etwa, um sich an dessen Gesprächen zu beteiligen, eher so, als würde sie nur darauf warten, ihm in irgendeine Weise einen Gefallen tun zu können. Das andere Gruppenmitglied, ein Mann, der rein optisch mindestens doppelt so alt war wie Dantra, hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit Comal. Er war nur in allem ein bisschen kleiner und hatte einen speckigen Hut auf dem Kopf. Capra war sein Name. Er zog gemächlich an einer Pfeife, die er hin und wieder nachstopfte. Als er bemerkte, dass Dantra ihn beobachtete, grinste er ihn freundlich an und sagte, ohne dafür die Pfeife aus dem Mundwinkel zu nehmen: „Interessantes Schwert. Hoffe, du kannst auch damit umgehen.“

      Dantra wollte gerade antworten, als erneutes Rascheln irgendwo in der Tannenschonung zu hören war. „Das werden die Gecko-Brüder sein“, stellte Akinna fest, „sie waren nicht weit hinter uns.“

      Dantra hatte sich auf dem Weg zu ihrem Treffen hin und wieder umgesehen. Es war ihm niemand aufgefallen, der ihnen, ob gewollt oder zufällig, gefolgt wäre, zumal der Weg, den sie gegangen waren, sich über lange Zeit durch den Wald geschlängelt und kaum freie Sicht nach hinten geboten hatte. Doch als drei durchtrainierte Männer die letzten Äste beiseiteschoben und sich vor ihnen aufbauten, wurde Dantra klar, woher Akinna wusste, dass sie hinter ihnen her gegangen waren. Die drei gehörten zu der Gauklertruppe, deren Aufbruch Dantra am Morgen beobachtet hatte.

      Gut gelaunt wurden Hände geschüttelt, Umarmungen ausgetauscht und es folgte erneut eine Vorstellungsrunde, in der Dantra, Comal, Galasso und Peewee den drei Neuankömmlingen bekannt gemacht wurden. Für die höfliche Geste, nun auch die Namen der Artisten zu nennen, sah man erneut keine Veranlassung, was Dantra zunehmend ärgerte. Wieder musste er aus den Gesprächen heraushören, wer wer war.

      Zwei von ihnen flachsten ständig und machten Sprüche, über die sich die anderen amüsierten. Der mit dem Oberlippenbart hieß Revilo, der andere Nats.

      Über den dritten Gaukler war bisher nicht gesprochen worden, somit kannte Dantra seinen Namen auch nicht, als dieser unheilvoll seinen Zeigefinger hob und mahnte: „Jeder dritte neue Kämpfer für die Sache überlebt den ersten Kampf nicht, das hat die Vergangenheit uns mehr als nur einmal bewiesen. Und wir haben heute gleich drei neue Kämpfer hier.“ Seine Augen wanderten fast panisch von Peewee über Galasso zu Dantra und wieder zurück, als würde er versuchen, den Todeskandidaten ausfindig zu machen.

      Capra war es, der der beklemmenden Stille brummig ein Ende setzte. „Ach, was du wieder redest, Chaspe, du alter


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