Drachengabe - Halbdunkel - Diesig - Finster. Torsten W. Burisch

Drachengabe - Halbdunkel - Diesig - Finster - Torsten W. Burisch


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Zumal es sehr ungewöhnlich ist, dass man einem anderen ein Elbenschwert schenkt, egal, wie gut man befreundet ist. Also sag schon den Namen oder hast du es doch gestohlen und kennst den wahren Besitzer gar nicht?“ Ihr Ton war nun zynischer, was ihn seinerseits gereizter klingen ließ.

      „Ich stehle nicht! Und selbst wenn, dann sicher nicht ein Schwert, das in meinen Händen aussieht, als wäre es keinen Krato mehr wert. Und im Übrigen wird E’Cellbra ihre Gründe gehabt haben, es mir zu schenken. Ganz gleich, wie ungewöhnlich so etwas ist!“ Im selben Moment dachte er: „Verdammt, jetzt habe ich ihr doch den Namen genannt.“

      Dantra war so sehr mit stillen Beschimpfungen wegen seiner eigenen Dummheit beschäftigt, dass ihm ihr überraschter Blick gar nicht auffiel. Erst als sie ihn ungläubig fragte: „Du kennst E’Cellbra?“, betrachtete er sie wieder, nun ebenfalls überrascht.

      „Du etwa auch?“

      „Nein! Ich hatte nie die Ehre, sie zu treffen.“ Man merkte ihr sofort an, dass es ihr missfiel, dass Dantra ihr in diesem Punkt etwas voraushatte. „Ich habe allerdings sehr viel über sie gehört. Was sie für ein Mensch ist, was sie alles in früheren Tagen getan hat und was für eine begnadete Hexe sie ist.“ Aus ihrer grenzenlosen Bewunderung machte die Fremde keinen Hehl. Es schien, als würde sie nichts auf E’Cellbra kommen lassen, bis sie ihre abschließende Bemerkung von sich gab. „Möchte wissen, welche Kreatur aus dunklen Tagen ihr so einen Schock versetzt hat, dass sie sich mit so einem Möchtegernweltenbezwinger wie dir abgegeben hat.“

      „Du bist ja nur neidisch“, warf ihr Dantra spöttisch und beleidigt entgegen, ließ dann aber wieder seine Neugierde das Wort an sie richten. „Von wem hast du all die Sachen über E’Cellbra gehört? Wer hat dir von ihr erzählt?“

      „Meine Eltern“, antwortete sie knapp. „Wollen wir jetzt endlich weitergehen?“

      „Weitergehen?“ Dantra war verwirrt. „Du bist mir doch entgegengekommen. Wieso willst du nun mit mir in die Richtung gehen, aus der du kommst?“

      „Ich hab es mir eben anders überlegt. Ist das ein Problem für dich? Oder ist dir die Gesellschaft eines Hautgnoms lieber als meine?“

      „Nein, nein“, beschwichtigte Dantra sie. „Ich habe mich nur gewundert. Ich heiße übrigens Dantra und du?“

      „Akinna.“

      „Also gut, Akinna. Du musst wissen, ich treffe mich gleich mit einem Freund. Er ist ganz schön groß und sieht auch recht gefährlich aus. Aber wenn man ihn näher kennt, dann ist er ziemlich nett. Du brauchst also nicht gleich in Panik zu geraten und wegzurennen, wenn du ihn siehst.“

      Sie blickte, während sie nebeneinanderher gingen, zu ihm hinüber und sagte mit fester Stimme: „Ich laufe nie vor irgendetwas davon. Niemals!“ Dann zog sie sich ihre Kapuze wieder tief ins Gesicht. Das waren Worte, die einem leicht über die Lippen kamen. Doch Dantra hatte ihre Augen gesehen, als sie sie aussprach. Sie hätte ihm in diesem Moment erzählen können, was sie wollte, in so einem Blick, in dem so viel Entschlossenheit und Mut lagen, konnte man nicht den geringsten Anflug von Übertreibung oder haltlose Angeberei ausfindig machen. Die Aussage war genauso ernst gemeint wie gesagt. Dantra hielt noch einmal inne. „Wir haben Zorg vergessen“, stellte er fest und sah sich nach ihm um. Der kleine leblose Körper lag noch immer dort auf dem Weg, wo ihn der Pfeil niedergestreckt hatte.

      Akinna ging zu ihm zurück, hob den Gnom am Kragen hoch und sprach ihn mitleidig an: „Zorg, mein alter Freund, wie konnten wir dich nur vergessen?“ Sie war dabei an Dantra herangetreten und hielt ihm den schlaff herunterhängenden Körper entgegen. „Wenn du ihn behalten willst, musst du ihn aber auch tragen“, forderte sie ihn auf.

      „Haha.“ Dantra war natürlich bewusst, dass sie ihn zum Narren hielt. „Ich wollte ihn nicht mitnehmen, sondern beerdigen.“

      „Beerdigen? Ach so. Sag das doch gleich.“ Ihr Verständnis war natürlich geheuchelt. „Ich habe eben gar nicht weit von hier ein totes Karnickel gesehen. Willst du das auch beerdigen?“

      „Natürlich nicht!“, motzte Dantra sie an. „Aber mit dem Karnickel habe ich mich auch nicht bis gerade eben noch unterhalten.“

      „Dafür wollte das Karnickel dich aber auch nicht umbringen“, entgegnete Akinna ihm im gleichen unbeherrschten Tonfall.

      „Also gut, du hast recht“, gab Dantra klein bei, „aber einfach liegen lassen können wir ihn ja wohl auch nicht. Hier kommen schließlich auch Kinder vorbei. Und in einigen Tagen sieht er nicht nur tot aus, sondern halb verwest.“

      Akinna würdigte den Gnom eines letzten angewiderten Blicks, dann warf sie ihn hinter die Wurzel eines umgestürzten Baumes. „So, damit muss für heute niemand mehr seinen Anblick ertragen. Und bis morgen ist ohnehin nichts mehr von ihm da, was verwesen könnte. Dafür werden die Spalfs schon sorgen.“ Dantras Gesichtsausdruck schaffte es, ihr ein zusätzliches erklärendes Wort zu entlocken, bevor sie wieder ihren Schritt aufnahm. „Aasfresser. Und jetzt lass und endlich weitergehen.“

      Nachdem sie einige Zeit schweigend nebeneinanderher marschiert waren, brach Dantra die Stille in der Hoffnung, noch ein paar weitere Antworten von ihr zu bekommen. „Seit wann bist du denn schon unterwegs? Und wohin willst du überhaupt? Warum bist du nicht bei deinen Eltern? Wie alt bist du eigentlich?“

      „Du musst dir dringend abgewöhnen, so viele Fragen auf einmal zu stellen. Selbst wenn es darum geht, deinen Horizont zu erweitern, so lässt es doch auf einen Hang zur Maßlosigkeit schließen.“

      Nach ihrer berechtigten Zurechtweisung folgte zu Dantras Freude doch noch die erhoffte Antwort. „Wie dem auch sei“, fuhr sie fort, „ich bin seit drei Jahren unterwegs, meine Eltern sind tot und ich bin in deiner Zeitrechnung 18 Jahre alt.“

      Was die Kritik an seiner Gesprächseröffnung anbelangte, so hatte Dantra sie zwar verstanden, aber zum Beherzigen fehlte ihm ganz einfach die Zeit. Und so brachen weitere Fragen aus ihm heraus, während er sie erwartungsvoll von der Seite musterte. Doch sie schwieg.

      Er wiederholte seine Fragen und redete dabei etwas langsamer, was am Resultat aber nichts änderte. Sie schwieg. Er holte tief Luft, um sich abermals lautstark darüber zu beschweren, dass er nichts wissen konnte, wenn er kein Wissen vermittelt bekäme. Doch noch bevor er dazu kam, begann Akinna Fragen zu stellen, allerdings eine nach der anderen.

      „Was hast du bei E’Cellbra gemacht?“

      Kurz dachte Dantra daran, nun ebenfalls zu schweigen, aber das hätte wohl jede Hoffnung auf weitere Antworten zunichtegemacht. „Ich habe von E’Cellbra gelernt.“

      „Du willst mir doch wohl nicht weismachen, dass du ein Hexer bist?“

      „Nein, will ich nicht.“

      „Und was hast du dann von ihr gelernt? Viel kann es ja nicht gewesen sein, wenn du nicht einmal weißt, was ein Hautgnom ist.“ Wie kurz zuvor nahm mit der Dauer des Gespräches die Boshaftigkeit auf beiden Seiten zu.

      „Sie hat mich Wichtigeres gelehrt. Aber was weißt du schon? Und außerdem hätte sie mir all diese Sachen sicher noch beigebracht, wenn wir nicht übereilt hätten abreisen müssen.“

      „Wir? Wer ist wir?“

      „Meine Schwester und ich.“ Dantras Stimme wurde nun wieder leiser. Sein Blick wandte sich von Akinna ab und verlor sich auf dem knochenharten Lehmbodenweg, auf dem sie voranschritten.

      „Du hast eine Schwester? Wo ist sie?“

      „Tot.“

      „Seit wann?“

      „Seit gestern.“

      „Wie ist das passiert?“

      Dantra schaute ruckartig zu ihr auf. „Du kannst mit deiner Fragerei aber auch ganz schön nerven“, raunzte er sie an.

      „Entschuldigung, aber ich dachte, du wolltest vielleicht drüber reden. So was kann manchmal


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