Drachengabe - Halbdunkel - Diesig - Finster. Torsten W. Burisch

Drachengabe - Halbdunkel - Diesig - Finster - Torsten W. Burisch


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in meine Fähigkeiten und hoffe, ich werde Euch nie enttäuschen“, sagte er peinlich berührt.

      „Du hast Akinna aus den Fängen dieser Barbaren befreit. Nichts, was dir die Zukunft bringt, könnte mich je enttäuschen. Meiner Gastfreundschaft kannst du dir jederzeit gewiss sein. Und noch etwas möchte ich dir zum Geschenk machen.“ Er nahm dem Falken die Haube vom Kopf. Nervös blinzelte dieser wegen des hellen Sonnenlichts und wurde zunehmend unruhiger. „Ein Falke ist und bleibt, ob gezähmt oder nicht, immer ein freies Tier. Wenn wir sie fliegen lassen, kommen sie immer zurück. Nicht weil sie dumm sind und ihre Chance zur Flucht nicht erkennen, sondern weil sie loyal sind. Eine Loyalität, die durch Respekt entsteht. Denn wir respektieren sie und behandeln sie mit Ehrfurcht, und das honorieren sie mit ihrer Treue. Würden die Menschen so miteinander umgehen, wäre Frieden keine Hoffnung, sondern Normalität.“ Er sah den Falken an und hob den Zeigfinger seiner rechten Hand. Dann sagte er laut und fragend einen Namen. „Gwai?!“ Dadurch gewann er die ungeteilte Aufmerksamkeit des Greifvogels. „Hier. Ein großer Mann.“ Er zeigte dabei auf Dantra und der Falke folgte dem Finger mit seinen nun ruhig gewordenen nachtschwarzen Augen. „Er hat Großes vollbracht und wird noch viel Großes vollbringen. Ihm zu Ehren schenke ich dir die ewig anhaltende Freiheit.“

      Dantra hatte das Gefühl, der Falke würde ihn mit seinem Blick durchbohren. Als würde er sein Inneres lesen, so wie er seinerzeit alles Wissenswerte über Falken in einem Buch gelesen hatte.

      „Flieg, mein Freund. Flieg in die Freiheit“, sagte Nei-Klot und der Falke spannte seine Flügel, krächzte laut und mit dem Lösen seiner Krallen vom Unterarm Nei-Klots ließ auch sein starrer Blick von Dantra ab.

      Er stieg hoch hinauf in das nun nahezu wolkenlose Himmelblau. Seine Silhouette war kaum noch als die eines Falken zu erkennen, als er zum Sturzflug ansetzte und mit ungeheurer Geschwindigkeit gen Boden raste. Kurz vor dem Aufschlag fing er seinen freien Fall ab und flog schnell wie ein Pfeil zwischen Dantra und Nei-Klot hindurch, um anschließend erneut aufzusteigen und irgendwo hinter den Bäumen zu verschwinden. Als Dantra wieder nach vorn schaute, hatte Nei-Klot abermals seine Hand ausgestreckt. Mit einem festen Griff bedankte er sich noch einmal bei ihm und nach einem kurzen Nicken in Akinnas Richtung, das diese erwiderte, ging er zurück zum Gehöft.

      Noch während Dantra ihm nachsah, hatte Akinna bereits einige Sätze mit den Gauklern gewechselt, worauf diese das Schlachtfeld in Richtung Culter verließen. Sie selbst ging auf die Stelle zu, an der sie sich von Comal getrennt hatten. Dantra hastete ihr stumm hinterher. Bei dem Nalc angekommen bedankte sich Akinna für seinen warnenden Hinweis, dass es sich um einen Hinterhalt handelte, und sagte dann in Dantras Richtung: „Wir müssen uns nun beeilen, um noch vor der Dunkelheit ein sicheres Nachtquartier zu erreichen. Eine Scheune oder sonst irgendein gewöhnlicher Unterschlupf reicht ab jetzt nicht mehr aus. Ab dem heutigen Tag werden wir von all denen verfolgt, die den Drachen hörig sind. Also lasst uns gehen.“

      *

      Kapitel 10

       Akinna legte ein Tempo vor, das Dantra ganz stark an E’Cellbra erinnerte. Erst kurz vor Einbruch der Dämmerung blieb Akinna, nachdem sie abermals an einer unscheinbaren Stelle vom Weg ins Unterholz abgebogen war, stehen. Die Baumgruppe, vor der sie sich nun befanden, hatte die Größe einer Scheune und erweckte irgendwie den Eindruck, als wäre sie ein eigener kleiner Wald im Wald. Die Blätter sahen noch wesentlich grüner und kräftiger aus als die der Bäume drum herum. Und der Efeu, der sich um jeden der Baumstämme rankte, bestärkte noch den Eindruck von blühender Frische.

      „Dies ist ein magischer Wald“, erklärte Akinna ihnen. „Normalsterbliche fühlen sich in ihm unwohl. Sie verspüren den starken und fast nicht zu bändigenden Drang, diesen Ort umgehend wieder zu verlassen. Doch egal, wie schwer es euch fällt, wir werden dort drin übernachten. Denn hier haben wir die Sicherheit, die für unsere momentane Situation erforderlich ist.“

      Sie waren kaum zwei Schritte in den Hain hineingegangen, als Comal brummte: „Das wird nichts.“

      „Wie meinst du das?“ Akinna war offensichtlich erstaunt, zuerst von ihm und nicht von Dantra das vorhersehbare Winseln zu hören.

      „Hier drin hielte ich es nicht einmal aus, wenn hinter dem nächsten Baum ein Festmahl auf mich warten würde. Und bei dem Hunger, den ich gerade verspüre, hat das echt was zu sagen.“

      Dantra sah ihn mitleidig an. „Eigentlich hat doch keiner der Banditen Comal gesehen. Vor allem nicht mit uns zusammen. Von daher dürfte es doch kein Problem sein, dass er draußen schläft.“

      Akinna überlegte kurz. „In Ordnung. Aber wenn dir irgendetwas verdächtig erscheint, kommst du und sagst uns Bescheid.“

      „Damit ich euch und euer Versteck womöglich verrate? Auf keinen Fall. Wenn mir irgendetwas verdächtig vorkommt, dann sehe ich zu, dass ich verschwinde. Also, solltet ihr morgen früh aus diesem unwirklichen Ort heraustreten und es riecht nicht nach Frühstück, dann ist etwas faul.“ Mit diesen Worten machte Comal auf dem Absatz kehrt und ging zurück.

      Akinna und Dantra setzten ihren Weg fort. Nach einigen Schritten kamen sie zu einem kleinen Bach, der sich durch ein einladend aussehendes, weiches Moosbett schlängelte. „Hier werden wir schlafen“, kündigte Akinna an und legte ihre Sachen ab. Dantra tat es ihr wortlos gleich und setzte sich den Rücken an einen Baum gelehnt hin. Nach einem kurzen Augenblick sah Akinna ihn fragend an. „Was ist los? Du sagst ja gar nichts. Ist dir das ungute Gefühl auf die Stimmbänder geschlagen?“

      „Ich habe kein ungutes Gefühl. Zumindest nicht wegen dieses Ortes hier“, gab er schroff zurück.

      „Du spürst kein Verlangen, das Weite zu suchen?“

      „Nein. Warum sollte ich? Du sagtest doch, dass sich nur Normalsterbliche unwohl fühlen. Ist dir entgangen, dass ich eine magische Kraft in mir trage?“

      „Nein, natürlich nicht.“ Auch Akinnas Ton wurde nun aggressiver. „Aber du trägst nur eine magische Kraft in dir, nicht aber magisches Blut. Und genau darauf kommt es an.“

      „Vielleicht ist ja auch einfach kein Platz mehr in meiner Magengegend für ein solch bedrückendes Gefühl. Ist eben im Moment sehr voll dort. Und das, obwohl ich seit Stunden nichts gegessen habe.“

      „Ach, und was liegt dir so schwer im Magen?“

      „Eine Frage.“

      „Das war mir schon klar.“ Akinnas Stimmlage wurde nun bedrohlich einige Oktaven höher. „Etwas anderes außer Fragen scheint ja nicht in dir drin zu sein. Also mach es nicht so spannend. Was willst du wissen?“

      Dantra beugte sich ihr entgegen. „Warum bist du so eine selbstverliebte Xanthippe?“

      Akinna hatte wohl mit vielem gerechnet, damit aber nicht. Für einen Moment sah sie zu ihm hinüber, als würde sie an ihren sonst so außerordentlich gut hörenden Ohren zweifeln. Doch plötzlich, wie aus dem Nichts und vor allem schneller, als Dantra es wahrnehmen konnte, hockte sie vor ihm und hielt ihm eine ihrer Pfeilspitzen direkt an seinen Kehlkopf. Erschrocken wollte Dantra zurückweichen, musste aber die schmerzliche Erkenntnis erlangen, dass sie eine zweite Pfeilspitze in ihrer anderen Hand in seinem Nacken postiert hatte. „Nur weil du aus irgendeinem Grund etwas kannst, was andere nicht können, gibt dir das noch lange nicht das Recht, mich zu beleidigen. Denn wer weiß? Vielleicht ist deine magische Kraft ja nur ein vorübergehendes Phänomen. Vielleicht bist du gar nicht so besonders. Also denk erst darüber nach, wie du wen bezeichnest, bevor es dir zum Verhängnis wird. Meine Pfeile mögen es nämlich gar nicht, wenn ich auf diese herablassende Art angesprochen werde.“ Sie hatte gesagt, was zu sagen war, den Rest übernahmen ihre Augen. Dantra erkannte in ihnen genug Zorn, um das Beschriebene in die Tat umzusetzen. Und auch wenn er selbst vor Wut bebte, war ihm doch klar, dass es sein letztes Widerwort wäre, wenn er jetzt den Mund aufmachte. Akinna setzte sich wieder, wenn auch immer noch angespannt. Als sich die Gemüter auf beiden Seiten etwas abgekühlt hatten, ergriff sie erneut das Wort. „Vielleicht komme ich manchmal etwas arrogant rüber, aber dafür gibt es Gründe. Über die ich hier und jetzt


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