Drachengabe - Halbdunkel - Diesig - Finster. Torsten W. Burisch

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mischte sich nun Dantra wieder lautstark ein. „Aber du bist der Teufel! Und niemand, niemand kann mir etwas anderes erzählen. Du bist der Teufel!“, schrie Dantra und hielt dabei seine gekreuzten Zeigefinger wie ein Schutzschild vor sich. Bei Refizul fand das leichte Grinsen den Weg zurück auf sein blutrotes Gesicht. Ihn schien Dantras Geste zu amüsieren, was allerdings nicht auf alle Anwesenden zutraf.

      „Jetzt reicht es mir aber“, fuhr ihn Akinna an. „Warum bist du davon so überzeugt, dass er der Teufel ist? Nur weil jemand gesagt hat, dass dieser so aussieht? Weil es dir diejenigen sagten, die dir im Gegenzug das Wichtigste, was man wissen muss, um in dieser Welt zu überleben, verschwiegen haben? Es wird Zeit, dass du aus deinem Narrenschlaf erwachst und endlich deinen Geist für die wahre Wirklichkeit öffnest. Und nun nimm endlich deine Hände runter, das ist ja peinlich.“

      Während Dantra noch etwas zögerte, ging Luzifer bereits zum nahe gelegenen Fenster, das zum Innenhof zeigte. „Eure Ankunft hätte nicht später sein dürfen“, sagte er den Blick nach draußen gerichtet, „sonst hätten wir jetzt ein verdammt großes Problem.“

      Akinna folgte ihm zum Fenster. „Du hast recht“, bestätigte sie. „Seine körperliche Leistungsfähigkeit“, sie deutete bei ihrer Erklärung auf Dantra, „steht seinem Wissensschatz in nichts nach. Eins von beiden wird uns irgendwann das Leben kosten.“

      „Was soll das denn schon wieder heißen?“, empörte sich Dantra.

      „Sieh es dir an“, forderte Akinna ihn auf und deutete aus dem Fenster.

      Doch er bewegte sich nicht von der Stelle. Refizul erkannte sein Problem und machte einige Schritte zur Seite. Dantra schlich mit einer misstrauischen Miene langsam an ihm vorbei in Richtung Akinna, die ihm sogleich wieder einen bösen Blick für sein Zögern zuwarf. Dantra schaute aus dem Fenster und sah nach oben zum vordersten und zugleich höchsten der drei Burgtürme. Anfangs fiel sein Blick auf das von Akinna im Vorfeld beschriebene große Fenster. Da hinter dem bunten Glas ein schwaches Licht glomm, waren die schwarze Sonne und ihre bedrohliche Wirkung, die sie ausstrahlte, gut zu erkennen. Er sah weiter nach oben. Gegen den dämmerigen Abendhimmel konnte er kleine schwarze Punkte sehen, die anscheinend alle aus dem Turm kamen und blitzschnell ihre Richtung wechseln konnten.

      „Fledermäuse? Hier in der Burg? Ich dachte, dieser Ort wäre sicher? Und nun sind wir unter einem Dach mit den Spähern, dessen Herren unseren Tod wollen?“ Eigentlich wollte er Akinna anschauen, bis sie ihm eine plausible Erklärung für all das gab, aber seine Augen waren schon auf der Suche nach einem Ausweg aus seiner vermeintlich tödlichen Falle.

      Doch die Antwort, verpackt in eine Frage, kam nicht von der Elbin, sondern von Refizul. „An welchem Ort sollte sich der Teufel verstecken, um nie gefunden zu werden, weil man dort niemals nach ihm suchen würde?“ Dantra sah zu ihm hinüber und er wurde noch unruhiger. Sein Blick huschte von ihm weiter zu Akinna und über Comal wieder zurück zu Refizul. Er wusste nicht, ob die Frage ernst gemeint war oder sich gar eine teuflische Absicht hinter ihr versteckte. Aber ob es ihm nun widerstrebte oder nicht, er musste Refizul eine Antwort geben. Denn ihm war klar, würde er nur schweigen oder ihm sogar mit Nichtachtung begegnen, hätte das nur wieder herablassende Kritik von Akinna zur Folge. Also doch lieber durch Wissen glänzen, denn die Antwort fiel ihm leicht.

      „Im himmlischen Reich“, sagte er mit fester Stimme und nun wieder relativ sicherem Blick. „Dort würde man ihn nicht vermuten, ihn nicht suchen und damit auch niemals finden.“

      „Richtig“, lobte Refizul ihn, „und wenn uns nun unser gemeinsamer Feind in Ruhe handeln lassen soll, ist es dann nicht der sicherste Weg, man gewährt seinen Schergen Unterschlupf?“

      Ein Knall direkt neben Dantra ließ ihn einen Schritt nach vorne springen. Akinna hatte die Fensterläden, die hier von innen angebracht waren, unsanft geschlossen. „Die Viecher fliegen ja nicht durchs Haus“, führte sie Refizuls Erklärung weiter, „von daher sind wir hier drin sicher. Aber unverschlossene oder nicht verhangene Fenster solltest du meiden.“

      „Wir sollten den Baron nicht länger warten lassen“, führte Refizul an, „er sitzt sicher schon zu Tisch.“

      „Er hat recht“, brummte Comal, wobei die Steinwände seiner dunklen Stimme die Bedrohlichkeit verliehen, die sein Wesen vermissen ließ. „Nicht, dass die Leckereien schon kalt sind, wenn wir uns setzen“, gab er noch zu bedenken, bevor ihn wohl das Gefühl beschlich, etwas aufdringlich gewesen zu sein. Daher führte er noch etwas leiser und mit besorgtem Blick die Worte hinzu: „Das wäre doch sicher unhöflich von uns, oder?“

      Refizul nickte ihm mit seinem wahrscheinlich ungewollt gehässigen Lächeln zu und drehte sich um. Gefolgt von Comal schritt er den langen, im Bogen angelegten Gang entlang.

      Akinna folgte ihnen ebenfalls, jedoch nicht ohne Dantra am Ärmel möglichst nah bei sich zu halten. „Wenn du unterwegs was siehst, was dir komisch vorkommt, dann frag mich erst, bevor du losbrüllst. Denn der eine mir zutiefst unangenehme Ausfall deinerseits reicht mir für heute.“

      „Aber gerne“, erwiderte er trotzig, „dann erkläre mir doch als Erstes einmal, wenn er nicht der Teufel in Person ist, was ist er dann?“

      „Er ist ein Natas. Eine Spezies, die weit unter der Erde lebt, wo es für jeden von uns viel zu heiß wäre, um sich dort auf Dauer aufzuhalten.“

      „Und was macht er hier oben?“

      „Es trieb ihn das, was bei euch Menschen Entdeckergeist genannt wird. Laut einer Legende seines Volkes ist es bisher nur einem anderen vor ihm geglückt, den Weg hinauf zu finden. Als er vor vielen Jahrzehnten hier oben ankam, musste er aber mit Bedauern feststellen, dass sein Vorgänger unwiderrufliche Spuren hinterlassen hatte. War dieser sicher genauso ein friedlicher Zeitgenosse wie Refizul selbst, so war sein Aussehen dennoch vom Menschen zum personifizierten Bösen erklärt worden. Eine Chance, diese Welt unbeschadet zu erkunden und kennenzulernen, war damit auf ewig zerschlagen.“

      „Aber wieso sollte er oder irgendeiner seines Volkes von den Menschen zu dem meistgefürchteten und -verachteten Geschöpf gemacht werden, wenn er doch, wie du sagst, die Friedlichkeit in Person ist?“

      „Sieht er aus wie jemand aus deiner Verwandtschaft oder Bekanntschaft?“

      „Nein, natürlich nicht“, entgegnete ihr Dantra, wobei eine Spur Abscheu an seinen Worten haftete. „Und dafür danke ich auch dem, an den ich glaube“, fügte er noch hinzu.

      „Glaube.“ Akinna drückte einen Luftstrom durch ihre fast geschlossenen Lippen, sodass ein Zischlaut zu hören war. „Der uneingeschränkte Glaube des Menschen ist auch dessen größtes Problem.“

      „Was bitte hat mein Glaube an ...“

      Akinna brachte Dantra zum Schweigen, indem sie ihm ihre Hand auf den Mund presste. „Nicht so laut“, ermahnte sie ihn, „er muss doch wohl nicht mitbekommen, dass wir über ihn reden.“ Sie nahm die Hand wieder weg, doch ihr mahnender Blick blieb. „Außerdem meinte ich nicht deinen Glauben, sondern dass die Menschen immer meinen, sie wüssten alles. Es muss nur ein Einzelner etwas sagen, wenn er überzeugend genug ist, dann glauben ihm die anderen. Und mit ihrem eigentlich unwissenden Gerede bestärken sie noch das zumeist absolut schwachsinnige und naive Urteil des einen. Wenn also vor langer Zeit, als das Böse nur geschrieben stand, aber noch kein Gesicht hatte, jemand Refizuls Vorgänger gesehen hat, der zugegeben weder aussah wie ein kuscheliges Schoßhündchen, noch Sympathien auf sich zog, indem er mit Geld um sich warf, und der vielleicht auch den Eindruck erweckte, er könne einem aus großer Entfernung Blitze zwischen die Augen jagen. Wenn diesen also jemand entdeckte, dann zählte er wohl eins und eins zusammen, wobei menschentypisch drei herauskam, und schon hatte das seit jeher Gefürchtete eine Gestalt bekommen.“

      Dantra sah sie skeptisch an. „Willst du mir damit sagen, dass alle Menschen oder zumindest alle, die meinen Glauben teilen, ein Bild vor Augen haben, wenn vom Teufel die Rede ist, das aus einem Trugschluss entstand?“

      „Das will ich dir nicht sagen und ich will dich auch nicht davon überzeugen. Ich will dir nur einen nicht


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