10 Galaktische Abenteuer Box 4. divers
berüchtigten Piraten-Bande stand sie schon längst auf der Fahndungsliste.
Doch das Leben bei den Piraten war permanent gefährlicher geworden, sie hatte sich mit dem Anführer immer wieder gestritten, und auch die meisten der übrigen Piraten entsprachen nicht ihrem Geschmack. Sie hatte sich, rechtzeitig vor der Zerschlagung der Bande, von ihrer Gruppe getrennt und arbeitete mittlerweile auf eigene Faust. Bisher hatte sie gute Geschäfte machen können, aber ihre Glücksträhne schien hier und heute ein Ende zu finden. Im gesamten Sternenreich kannte man jetzt ihr Gesicht, es hatte nicht einmal zwei Stunden Standardzeit gedauert, bis ihr Profil über sämtliche Sender verbreitet worden war.
Connie musste weg von Sherwood, und sie musste schweren Herzens auf ihr eigenes Raumschiff verzichten. Mit Sicherheit stand der Hangar längst unter Beobachtung. Es gab nicht mehr viele Möglichkeiten den Planeten unbemerkt zu verlassen. Aber Connie Thielmann besaß keine Skrupel, auch ungewöhnliche Wege zu wählen, und noch viel weniger hatte sie Hemmungen, andere Personen für ihre Zwecke einzuspannen, selbst wenn die nicht wollten.
Die junge Frau wusste jedenfalls genau, wie sie sich zu verhalten hatte, um nicht aufzufallen.
In der Montagehalle in der Nähe des Raumhafens, in der Raumschiffe gewartet und repariert wurden, gab es Unmengen an Mitarbeitern. Jeder von ihnen trug einen Overall und einen ID-Chip. In der Masse fiel keiner von ihnen auf. Connie wartete einen günstigen Augenblick ab, dann schritt sie energisch auf eine Technikerin zu, die in etwa ihre Statur besaß. Sie setzte ein einfältiges Lächeln auf und hoffte, dass die Polizeinachrichten noch nicht hierher vorgedrungen waren.
»Können Sie mir vielleicht helfen?«, fragte sie kläglich. »Mein Freund hat sein Schiff hier zur Wartung gegeben, und ich habe an Bord etwas vergessen. Jetzt kann ich das Schiff aber nicht finden.«
Ein abfälliger Blick traf sie. »Dann müssen Sie sich direkt beim Wartungsdienst melden. Dort müssen Sie sich legitimieren, dann wird man Ihren – äh – Freund überprüfen, und erst dann wird der Zugang freigegeben, sonst könnte ja jeder kommen. Von dort wird sie jemand begleiten …«
»Aber es ist doch wirklich dringend, und wenn ich erst mal mit dem Mann da vorne reden muss … das ist mir ausgesprochen peinlich, verstehen Sie mich?« Die weit aufgerissenen Augen und die offenbar verschreckte Art von Connie verfehlten ihre Wirkung nicht. Tiefe Verachtung für eine offensichtlich unfähige Frau lag in den folgenden Worten der Technikerin, aber sie ließ sich erweichen.
»Also gut, kommen Sie, ich werde sehen, was ich tun kann.« Sie ging zu einem Terminal, an dem Informationen über die Schiffe abgerufen werden konnten. »Welchen Kahn suchen Sie denn?«, fragte die Frau respektlos.
»Ach, im Grunde spielt es überhaupt keine Rolle mehr«, behauptete Thielmann. Sie betäubte die Frau mit einem gut gezielten Handkantenschlag und zerrte sie rasch mit sich in Richtung der Umkleidekabinen.
Niemand hatte das kleine Intermezzo bemerkt. Connie zog der Frau nun den Overall vom Körper und schlüpfte selbst hinein. Dann verpasste sie der Bewusstlosen eine Injektion. Das Schlafmittel würde ihr einen Vorsprung von wenigstens sechs Stunden garantieren, immer vorausgesetzt, niemand vermisste die Frau vorher.
Connie legte dunkle Schminke auf und benutzte ein rasch wirkendes Haarfärbemittel, sowie einen Augenbrauenstift, mit dem sie ihr Gesicht in Sekunden veränderte. Der Spiegel zeigte ein völlig anderes Gesicht, als in den Fahndungsbildern zu sehen war. Nun gut, wer es darauf anlegte, konnte noch immer Connie Thielmann erkennen, doch für den Augenblick würde es gehen. Niemand schenkte dem technischen Personal besondere Beachtung.
Sie trat wieder hinaus in die Halle und blickte sich um, setzte sich dann zum Ausgang hin in Bewegung.
»Hey, Clarisse, du willst doch nicht schon Feierabend machen?«, rief jemand hinter ihr her. Sie hob wie grüßend die Hand und drehte sich nicht um. Am Ausgang benutzte sie den ID-Chip der Raumschiffstechnikerin und stand wenig später auf der Churchill-Plaza, dem zentralen Ort, an dem praktisch alle Fäden des Raumhafens zusammenliefen. Von hier aus wandte sie sich in Richtung Arbeitsvermittlung. Es gab täglich Raumschiffe, die neues Personal anheuern mussten, dort würde sich eine Möglichkeit ergeben, den Planeten verlassen. Viele Kapitäne fragten nicht erst umständlich nach Papieren, und die Arbeitsvermittlung war voll automatisiert.
Obwohl Connie im Laufe der Zeit einen sechsten Sinn für Gefahren entwickelt hatte, wäre sie dieses Mal fast in die Falle getappt. Das blinkende Licht auf zwei umliegenden Gebäuden hielt sie zunächst für eine Art Reklame, auch die drei Polizisten, die sich nicht augenfällig näherten, entgingen ihrer Aufmerksamkeit. Aber dann bemerkte sie, dass einige Leute sich schnell von der Plaza zurückzogen und hektisch umherblickten, schließlich erklang in der Luft das charakteristische Rauschen der anfliegenden Polizeigleiter, und gleichzeitig schlugen alle inneren Sicherheitssysteme Alarm.
Connie fixierte die Umgebung, ordnete die drei Polizisten potientell als gefährlich ein und schätzte ab, welche Chancen ihr jetzt noch blieben, nachdem scheinbar auch die Luftüberwachung ihre Spur aufgenommen hatte. Nicht viele, wie sie vor sich selbst zugab. Aber so einfach sollte man sie nicht bekommen.
Die Gleiter waren noch nicht nahe genug, um sie schon in den Fokus zu nehmen, sie hatte es also im Augenblick nur mit drei Gegnern zu tun.
Von einem Moment auf den Nächsten explodierte die Frau. Sie zog aus dem Holster unter dem Overall eine Magnum hervor und schoss ohne Vorwarnung auf den ersten Polizisten. Die beiden anderen reagierten schnell – aber nicht schnell genug. Der nächste Schuss traf den zweiten Polizisten nur noch in die Schulter, dann fauchten auch die Waffen der beiden übrigen Männer auf. Laute Schreie ertönten aus der Menschenmenge, von oben brüllte eine Stimme aus einem Lautsprecher.
»Connie Thielmann, Sie wurden durch unsere Sicherheitssysteme lokalisiert. Legen Sie Ihre Waffen, Ihre Kleidung und den ID-Chip ab, wir werden Sie jetzt verhaften. Stellen Sie sofort Ihren Widerstand ein, wir werden sonst rücksichtslos von den Waffen Gebrauch machen. Ich wiederhole …«
Natürlich hatte sie nicht vor, dieser Aufforderung nachzukommen, trotzdem amüsierte sie sich über den Wortlaut. Warum sollte sie die Kleidung und den Chip ablegen? Sollte man sie wirklich fangen, würde man ihr beides ohnehin wieder abnehmen. Allerdings konnte es sein, dass ausgerechnet der Chip die Behörden auf ihre Spur gebracht hatte. Nun, dachte sie für einen Moment amüsiert, so waren die Engländer eben, ein wenig steif, pedantisch, unterkühlt und korrekt bis ins Mark. Nein, sie würde ganz sicher nicht hier auf der Plaza einen kleinen Striptease hinlegen, außerdem waren da noch immer die beiden Polizisten, die sich als ernsthafte Gegner erweisen konnten – nun gut, jetzt nur noch einer.
»Geben Sie auf«, brüllte der blutende Polizist.
»Den Teufel werde ich tun«, gab sie zurück und erreichte unter Dauerfeuer eine neue Deckung. Das Ziel ihrer Wünsche war gar nicht weit entfernt, der Zugang zur Flugzone. Dort besaß die Metro-Police keine Befugnisse, bis die Raumhafenüberwachung den zuständigen Sicherheitsdienst alarmiert hatte, konnte sie längst mit einem startenden Raumschiff verschwunden sein.
Connie kannte die Möglichkeiten, durch eine Wartungsklappe in ein Raumschiff zu gelangen, ohne dass dieses unbefugte Eindringen in der Zentrale angezeigt wurde. Später an Bord würde sie sich schon zu helfen wissen.
Um den Bereich der Raumschiffe erreichen, musste Connie aber erst einmal den letzten Polizisten ausschalten.
»Ich könnte Sie töten«, rief sie zu ihm hinüber. »Aber das will ich nicht, es ist schon genug Blut geflossen. Lassen Sie mich gehen, und Sie bleiben am Leben.«
Statt einer Antwort begann er wieder heftig zu feuern.
»Keine Antwort ist auch eine Antwort«, murmelte Thielmann. Sie schob sich um eine Ecke herum und sah zu ihrer Freude, dass sie diesen Schusswechsel schnell würde beenden können. Der Polizist lag in einer ungünstigen Position, aber das wusste er nicht. Direkt über ihm befand sich eine Reklametafel, die mit grell flackernden Lichtern diverse Produkte anpries. Connie lachte leise auf, dann zielte sie kurz und sorgfältig auf die Befestigungen. Zwei Schüsse fauchten, dann löste sich die Tafel. Es zischte und funkte, offenbar waren hier noch altertümliche Kabelverbindungen benutzt worden,