Maybelline. Taylor Brown

Maybelline - Taylor Brown


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wie etwas von der aussortierten, verdorbenen Ware eines Lebensmittelhändlers.

      Ein Stück weiter oben bog ein Truck auf die Straße ein, ein Halbtonner, der von einer Rostschicht überzogen war. Rory winkte und streckte den Daumen raus. Es war eine Weiße, die über und über mit Sommersprossen bedeckt war. Sie hielt am Straßenrand und winkte ihn heran. Rory humpelte um die Vorderseite herum und stieg ein, wobei er die Tür dreimal zuschlagen musste, bevor sie schloss.

      »Dankeschön«, sagte er.

      Sie hatte ein rundes Gesicht und dicke Arme, die von rosafarbenen und weißen Narben übersät waren. Bei einem Faustkampf mit einem der älteren Sergeants aus dem Marine Corps, die er kannte, hätte Rory nicht gegen sie gewettet. Sie legte den Gang ein, wobei auf der Rückseite ihres Arms ein wulstiger Muskel hervortrat. Die Schaltung krachte, doch der Gang war drin, und der Truck machte einen Satz auf die Straße und ratterte unter den Eichen entlang, als würde er gleich auseinanderfallen. Die Reifen sprangen aus der Spur, und sein Taxi kam zum Stillstand wie ein gestürzter Büffel. Rory blickte sie an. Wenn der Truck schlau war, würde er sich selbst zusammenhalten.

      »Wohin wollen Sie?«

      »Zu einer Werkstatt in der Stadt. Ich brauche ein paar Reifen.«

      »Mehr als einen?«

      »Vier.«

      Sie pfiff. »Sie hab’n wohl jemanden geärgert. Freundin?«

      »Schön wär’s.«

      Sie grinste, ihre Zähne waren dunkel.

      »Bei ’nem Kerl wie Ihnen müssten sie Ihnen jeden Abend den Wagen mit dem Schlüssel zerkratzen.«

      Rory blickte durch die Windschutzscheibe und legte den Kopf schräg. Die Sonne stand jetzt kalt und weiß über den Bäumen, und die toten Blätter wirbelten in wilden Schlenkern und Schleifen über die Straße, so als schrieben sie eine Nachricht, die er nicht entziffern konnte.

      »Hübsch«, sagte sie.

      »Wie bitte?«

      »Bäume«, sagte sie. »Alle lieben den Frühling, wenn alles grünt und blüht.« Sie zuckte mit den Achseln. »Ich nicht. Das ist hier unten wie in ’nem verdammten Gefängnis, alles zugewuchert und so voller Pollen, dass man kaum atmen kann. Ich mag’s, wenn sie bunt werden, wenn man weiß, dass bald die klare, kalte Luft kommt.«

      »Oh ja«, sagte Rory. »Ich auch. Schade, dass sie nicht länger so bleiben.«

      »Dann wär’s nichts Besonderes. Wertvoll ist, was selten ist. Ist die reine Ökonomie, mein Junge.«

      »Stimmt wahrscheinlich.«

      »Ich weiß, dass es so ist. Hatte einen Jungen in Übersee.« Sie blinzelte und berührte sacht ihre Wimpern. »Jeder Tag, den ich mit ihm hatte, war Gold wert.«

      »Mein Bei…«

      Sie hob eine riesige Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. Die Handfläche wirkte wie gebleicht, und die Linien waren rot wie Schnittwunden. Sie nahm die Hand langsam wieder herunter und berührte ihn am Arm.

      »Schhh«, flüsterte sie.

      Rory spürte, wie seine Augen brannten und sich verschleierten, als hätte sie mit der Berührung und dem Schweigen etwas auf ihn übertragen.

       7

      Granny saß in ihrem alten Schaukelstuhl, ein schwarzes Garnknäuel im Schoß. Die Sonne stand schon seit einer Stunde über den Bergen im Westen, und sie machte sich langsam Sorgen. Ihr Enkel war noch immer nicht nach Hause gekommen. Sie versuchte, nicht über all das nachzudenken, was passieren konnte. Sie wusste, es unterschied sich nicht sehr von dem, was den Holzfällern widerfuhr. Den zahlreichen mit zerquetschten Gliedmaßen und kaputten Rücken, fehlenden Fingern oder Zehen oder Augen. Auch nicht von dem, was in den Fabriken geschah, den Bränden, die sich durch Baumwollballen fraßen wie Teufelsgeister, die Luft voller Flusen, deretwegen sich die Menschen die Lunge aus dem Leib husteten. Der Tod herrschte über dieser Gegend wie ein eigenes Wesen, Tausende von Splittern und Flusen desselben schrecklichen Geistes, die nach einem Zugang suchten, nach einer Verletzung oder Charakterschwäche. Sobald man sie in sich hatte, wurde man sie nur schwer wieder los.

      Sie legte die Nadeln weg und zündete ihre Pfeife an. Der Rauch drang wohltuend in ihre Brust. Eustace war längst weg, war wieder in der Dunkelheit verschwunden, aus der er gekommen war. Er hatte wie stets sein Bestes gegeben. Sie konnte nicht behaupten, er hätte es nicht versucht. Rotgesichtig, schwitzend. Mit knirschenden Zähnen. Was für eine Anstrengung. Aber es gab eins, was sie im Laufe der Jahre gelernt hatte: Ein paar hatten Talent dazu und andere nicht. Sein gewaltiger Bauch war jedenfalls keine Hilfe. Er erschwerte es, den richtigen Winkel zu finden. Je älter und runder er wurde, desto schwieriger war es.

      Wenn jemand das wusste, dann sie. Sie beide waren schon seit etlichen Jahren zugange, seit Rory auf der Welt war. Eustace war ohne einen Kratzer aus Frankreich zurückgekommen, keinen sichtbaren jedenfalls, anders als Anson, der in einer Kiste heimgekehrt war. Sie hatte deswegen stets einen Groll gegen Eustace gehegt. In den Nachkriegsjahren erwarb er sich rasch den Ruf, dem Whiskey zugeneigt und ein harter Hund zu sein. Er hatte mit seinen Vorschlaghämmern ähnelnden Fäusten die Kiefer loser Mäuler gebrochen und war von Steuerfahndern durch die Hügel gejagt und nie erwischt worden. Er hatte sich eine Armee von Schnapsbrennern aufgebaut. Aber er war nie grob mit ihr, nicht einmal in betrunkenem Zustand. Er sorgte dafür, dass ausreichend Brennholz ums Haus herum gestapelt und Whiskey im Krug war. Er hielt eine schützende Hand über ihren Enkel und gab ihm Arbeit und einen Lohn, den kein anderer Krüppel bekam. Und eine alte Frau hatte Bedürfnisse. Nein, es war nicht Eustace’ Schuld, dass er Glück gehabt hatte. Nur wünschte sie sich, er wäre mit bestimmten Dingen etwas mehr gesegnet. Mit Talent und mindestens einer anderen Sache noch.

      Und dann sein Neffe: Eli. Sie wunderte sich darüber. Kein Gramm Fett am Leib – nichts als Haut und Knochen. Kaum Muskeln, aber was er hatte, konnte sich sehen lassen. Sie bemerkte manchmal seine Blicke, wenn er einen in der Krone hatte. Natürlich war das verrucht. Aber das hatte sie noch nie abgehalten.

      Sie hörte den Ford, bevor sie ihn sah. Der starke Motor kam dröhnend den Berg herauf, wie eine neue Züchtung von Höllenhunden, dazu ausersehen, alte Frauen auf ihrer Veranda in Angst und Schrecken zu versetzen. Als er in der Auffahrt erschien und holpernd die Spurrillen entlangfuhr, gab sie einen erstickten Laut von sich und blinzelte in die Sonne.

      Halb zwölf, wenn sie sich nicht täuschte.

      Was nur selten geschah.

      Rory hielt unter der Kastanie, stellte den Motor ab und stieg aus. Sie sah ihm dabei zu, wie er die Veranda heraufhumpelte, den Mantel an zwei Fingern über der Schulter. Sie saugte an ihren Zähnen.

      »Die Schweine haben Hunger.«

      »Ja, Ma’am.«

      »Die Hühner auch.«

      »Es ging nicht früher.«

      Sie drehte den Kopf und spuckte auf die Dielen.

      »Du bist doch kein Geist, oder?«

      »Nein, Ma’am.«

      »Bist nicht mit dem Messer angegriffen oder angeschossen worden?«

      »Nein.«

      »Bist auch nicht verliebt?«

      Er zögerte. Ihre Augen wurden schmal, als sie ihn anblickte.

      »Irgend so ’n Flittchen aus der Stadt? Wie heißt sie?«

      »Das war’s nicht«, erwiderte er. »Es war bloß Ärger mit dem Auto.«

      Sie schnaubte. »Warst wohl eher hinter ’nem Rock her.«

      »Ich war in einer Kirche, damit du’s weißt. Du weißt nicht, wo sie ist.«

      »Verdammt«, sagte sie. »In den Klamotten? Das muss ja ’ne tolle Kirche sein.«

      Er


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